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27.09.2012 | 13:02 | Phosphormangel 
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Forscher möchten Phosphor aus Klärschlamm rückgewinnen

Stuttgart / Karlsruhe - Teuer, gefragt und rar: Um einem drohenden Phosphormangel entgegenzuwirken, arbeiten derzeit mehrere Forscherteams an neuen Verfahren zur Rückgewinnung aus Klärschlamm und Abwasser.

Düngemittel
(c) proplanta
Das soll vor allem der Landwirtschaft zugutekommen, die einen Großteil des Phosphorbestands zum Düngen braucht. «Phosphor ist einer der Hauptnährstoffe neben Stickstoff und Kali», erklärt Marco Eberle, Fachreferent beim Landesbauernverband Baden-Württemberg.

«Wir sind froh über alle Quellen, die angezapft werden können.» Denn das natürliche Vorkommen reicht je nach Schätzung nur noch einige Jahrzehnte bis wenige hundert Jahre.

Gleichzeitig steigt der Absatz des von allen Lebewesen benötigten Phosphors. Nach einem Bericht des Deutschen Bauernverbands stieg der Absatz von Mineraldüngern in Deutschland in der Saison 2010/2011 im Vergleich zur Vorperiode um 13 Prozent auf 4,79 Millionen Tonnen.

Mit einem Plus von 22 Prozent habe sich der Absatz von Phosphatdüngern überdurchschnittlich erhöht.

Für eine intensiv bewirtschaftete Grünfläche braucht ein Bauer laut Eberle 90 bis 100 Kilogramm Phosphor pro Hektar im Jahr. Bei Kartoffeln seien es je nach Bodenbeschaffenheit jährlich rund 95 Kilogramm pro Hektar, bei Raps etwa 70 Kilogramm.

Nach Angaben des Bundesagrarministeriums kostete eine Tonne reine Phosphorsäure 2009/2010 im Schnitt 940 Euro. «Das Angebot müsste auf jeden Fall größer werden», meint Eberle.

Der Phosphor im Klärschlamm könnte dabei helfen. Mehrere Forscher in Baden-Württemberg arbeiten an neuen Verfahren.

Am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart, am Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) der Universität Stuttgart und am Kompetenzzentrum für Materialfeuchte (CMM) am Karlsruher Institut für Technologie entwicklen Wissenschaftler Anlagen, mit denen Phosphor aus Klärschlamm und Abwässern zurückgewonnen werden kann.

In den kommenden Wochen will das Fraunhofer-Team um Jennifer Bilbao eine Pilotanlage testen. Bei ihrem Verfahren wird mit der sogenannten Elektrolyse Magnesium-Ammonium-Phosphat, genannt Struvit, hergestellt.

Struvit kann direkt als Dünger eingesetzt werden. «Wir brauchen keine Salze oder Lauge zugeben», betont Bilbao.

Anders ist es beim ISWA-Projekt, das seit 2011 in Offenburg probeläuft. Die Forscher der Uni Stuttgart mischen Schwefelsäure und später Natronlauge bei, um Struvit zu gewinnen.

Bedenken wegen der Chemikalien brauchten Verbraucher nicht haben, sagt Carsten Meyer: «Das neutralisiert sich.» Die Pilotanlage mit einem Volumen von zwölf Kubikmetern könne jeden Tag rund 50 Kilogramm Struvit produzieren.

Einen dritten Weg - Kristallisation mit Hilfe eines mineralischen Substrats - haben die Wissenschaftler vom CMM gewählt. Laut Rainer Schuhmann ist der Wirkungsgrad bei den Stuttgarter Projekten aber höher.

Von zwei Gramm Phosphor, die pro Einwohner im Schnitt im Abwasser seien, hole er 0,6 Gramm heraus. Bei den beiden anderen Verfahren liegt der Anteil in den Testanlagen deutlich höher.

Da Kläranlagen unterschiedlich funktionierten und jeweils angepasste Verfahren brauchten, sieht Meyer keine Konkurrenz zwischen den Projekten. Wenn die Tests mit den Pilotanlagen ausgewertet sind, wollen alle Teams in die Serienproduktion gehen.

Aus Sicht der Abwasserwirtschaft rentiert sich der flächendeckende Einsatz im Moment noch nicht. «Die Verfahren müssen einfacher werden», sagt etwa der Abteilungsleiter Klärwerke und Kanalbetrieb bei den Stuttgart Stadtwerken, Hartmut Klein.

Zudem müsse eine für den Gebührenzahler tragbare Lösung gefunden werden. «Und außerdem ist für uns vorrangig, die Abwasser zu reinigen.»


Phosphor - wichtig für alle Lebewesen

Phosphor kommt in der Natur nur gebunden an andere Stoffe vor. Alle Lebewesen - Pflanzen, Tiere und Menschen - brauchen Phosphor. Im Organismus dient er als Energieträger und auch als DNA-Baustein, weil das Element Trägersubstanz der Erbinformation ist.

Die unter der Erde lagernden Vorräte decken den Bedarf Schätzungen zufolge noch einige Jahrzehnte bis wenige hundert Jahre. Für Phosphor gibt es keine Ersatzstoffe, jedoch kann er wiederverwertet werden.

Das Element wird sowohl in der Industrie als auch zu einem deutlich größeren Anteil in der Landwirtschaft eingesetzt. Bauern düngen ihre Felder mit dem Nährstoff. Phosphor, der nicht von den Pflanzen aufgenommen wird, bleibt im Boden. (dpa)
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Andreas L. schrieb am 28.09.2012 11:00 Uhrzustimmen(116) widersprechen(110)
Die Phosphorelimination ist ein wesentlicher Bestandteil der Verfahrenstechnik in Kläranlagen, um die Anforderungen für die Abwasserableitung in ein Gewässer einzuhalten. Etabliertes Verfahren ist neben der chemischen Fällung die vermehrte biologische Phosphorelimination (Bio-P). Als Vorteile des Bio-P-Verfahrens werden häufig geringere Betriebskosten genannt und die Möglichkeit der einfacheren Phosphorrückgewinnung. Beide Verfahren haben verschiedene, unmittelbare Auswirkungen auf den Kläranlagenbetrieb. Phosphor ist aber auch eine nicht erneuerbare Ressource, d.h. die Phosphorres-sourcen sind begrenzt. Deutschland verfügt über keine eigenen Phosphatlagerstät-ten und importierte im rund 87.000 t an ungemahlenen Phosphaten [Zech, 2008]. Durch die Gewinnung eines natürlichen Düngers entfallen Energiekosten für die Herstellung von Kunstdüngern. Phosphorrecycling durch getrennte Kristallisation und Fällung als MAP aus dem Faulschlamm und aus Schlammwasser könnte diesen Nachteil vermeiden. Kommunaler Faulschlamm aus Kläranlagen stellt einen reichhaltigen Pool für Phosphor und damit eine Quelle für natürlichen Dünger dar. Forschungsaktivitäten zur Phosphorrückgewinnung beziehen sich auf die wässrige Phase, Überschussschlamm, Faulschlamm oder Klärschlammasche. Das Rückgewinnungspotential kann von 10% - 90% bezogen auf die Klärwerksfracht variieren, wobei bei vielen Verfahren eine Marktreife aus ökonomischer Sicht nicht absehbar ist [Heinzmann, 2001; Heinzmann u. Engel, 2005; Everding u. Pinnekamp, 2011]. Das Ziel des bei den Berliner Wasserbetrieben entwickelten Magnesiumammoniumphosphat-Verfahrens (MAP-Verfahren) im Hauptstrom (Bio-P-Anlage) ist eine Ausbeute von 90% des im Faulschlamm enthaltenen Orthophosphats zu erreichen und dessen Vermarktung zu zeigen. Die Berliner Wasserbetriebe forschen seit vielen Jahren erfolgreich mit den folgenden Zielen (ausführlich dargestellt in [Heinzmann u. Lengemann, 2011]: • Ausschleusen von Phosphor in der Schlammbehandlung, verringern der Rückbelastung und damit einhalten der Überwachungswerte im Kläranlagen-ablauf, •vermeiden erhöhten Wartungsaufwand und von Betriebsproblemen durch Inkrustationen in der Schlammbehandlung ohne Chemikalien, •ersetzen von Kunstdünger durch MAP-Dünger in der Landwirtschaft; Pflanzversuche zeigen aufgrund der Spurennährstoffe im MAP-Dünger bessere Erträge als Kunstdünger. •erstellen von Ökobilanzen für die die chem. und biologische Phosphorentfernung im Abwasserreinigungsprozess und der o.g. Produkte •die Kläranlage als Wertstofflieferant um Ressourcen, wie endliche P-Lagerstätten, zu schonen.
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