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24.05.2010 | 21:03 | Aus der Wissenschaft 

Forscher testen Thermometer für Mammut und Saurier

Bonn - Forscher der Universität Bonn haben zusammen mit US-Kollegen ein chemisches Thermometer für längst ausgestorbene Tiere entwickelt.

Dr. Thomas Tütken
Dr. Thomas Tütken mit dem ca. 30.000 Jahre alten Backenzahn eines Mammuts. (c) Frank Luerweg, Universität Bonn
Mit der neuen Methode lässt sich bis auf zwei Grad genau bestimmen, welche Körpertemperatur Mammut, Säbelzahntiger oder Brachiosaurus hatten. Dazu benötigen die Wissenschaftler lediglich einen Zahn des jeweiligen Tieres. In der kommenden Ausgabe der Zeitschrift PNAS (doi: 10.1073/pnas.0911115107) zeigen sie, dass ihr Thermometer tatsächlich funktioniert. Als nächstes versuchen sie nun die Frage zu beantworten, ob die Dinosaurier warmblütig waren.

Für das Tier, an dem die Forscher ihr chemisches Thermometer erprobten, kam jede Hilfe zu spät: Vor gut 30.000 Jahren hatte das Wollmammut an den Ufern des Rheins ins Gras gebissen. Das deutsch-amerikanische Forscherteam hat nun in der PNAS-Studie einen seiner Zähne unter die Lupe genommen. Genauer gesagt: den Mammut-Zahnschmelz. Der ist nämlich so beständig, dass er sich seit dem Ableben des Tieres kaum chemisch verändert haben dürfte.

Zahnschmelz besteht aus Kalziumphosphat, das einen kleinen Anteil der Kohlenstoff-Sauerstoff-Verbindung Karbonat enthält. Sowohl Kohlenstoff als auch Sauerstoff gibt es in einer leichten und einer schweren Variante. Chemiker sprechen von Isotopen. Schwerer Kohlenstoff ist selten, schwerer Sauerstoff auch. Es ist also unwahrscheinlich, dass ein- und dasselbe Karbonat-Ion sowohl schweren Sauerstoff als auch schweren Kohlenstoff enthält. Dennoch kommt das häufiger vor, als rein statistisch zu erwarten wäre. Aufgrund thermodynamischer Parameter fühlen sich die beiden schweren Isotope nämlich zueinander hingezogen und gehen in der Mineralstruktur eine Bindung ein. Das erfolgt umso öfter, je kälter es bei der Bildung des Zahnschmelzes ist.

„Diesen Zusammenhang nutzen wir für unser Thermometer“, erklärt der Bonner Geochemiker Dr. Thomas Tütken: „Indem wir messen, wie häufig sich die schweren Isotope im Karbonat zusammen finden, können wir die Körpertemperatur auf plus/minus zwei Grad genau bestimmen. Das Thermometer haben wir zunächst an Zähnen heute lebender Wirbeltiere mit bekannter Körpertemperatur kalibriert und dann an Zähnen ausgestorbener Wirbeltiere getestet.“

Das Mammut war ähnlich warm wie ein Elefant



Für das eingangs erwähnte Wollmammut errechneten die Wissenschaftler so eine Körpertemperatur von 39,1 Grad. Für ein zweites Tier, das im Bereich der heutigen Nordsee gelebt hatte, die während der Eiszeit trocken gefallen war, ergab die Methode eine Temperatur von 36,8 Grad. Zum Vergleich: Als die Forscher ihr „Zahnthermometer“ bei einem indischen Elefanten testeten - dem engsten heute noch lebenden Verwandten des Mammuts -, blieb es bei 36,9 Grad stehen.

Für heutige Krokodile oder Haie lieferte das Thermometer dagegen etwa zehn Grad niedrigere Körpertemperaturen. Grund: Fische und Reptilien sind wechselwarm – ähnlich, wie es lange Zeit für die Dinosaurier angenommen wurde. Allerdings mehren sich die Hinweise, dass möglicherweise zumindest einige der Urzeitechsen warmblütig waren. „Wir wollen herausfinden, ob das wirklich stimmt“, sagt Tütken. „Wir haben inzwischen erste Dinosaurierzähne untersucht und eine ähnliche Körpertemperatur wie bei heutigen Säugern gefunden. Allerdings müssen wir noch überprüfen, wie verlässlich diese Daten sind.“

Tütken leitet an der Universität Bonn die Emmy-Noether-Gruppe „Knochengeochemie“. Darin untersuchen seine Mitarbeiter und er beispielsweise, wie der Speiseplan längst ausgestorbener Tierarten aussah und wie mobil die Tiere waren. Selbst Klimainformationen lassen sich aus der Isotopenzusammensetzung der uralten Überreste ablesen.

Resistent gegen den Zahn der Zeit



Leider überdauern Skelettreste die Jahrmillionen aber selten unbeschadet. Das betrifft insbesondere Knochen, bei deren Fossilisation oft kein Molekül auf dem anderen bleibt. Daher verrät ihre Isotopenzusammensetzung meist weniger über das Tier, von dem der Knochen stammt, als über das Fossilisationsmilieu. Zahnschmelz kann dagegen Zehntausende von Jahren ohne größere chemische Veränderungen überstehen.

Die Dinosaurier hinterließen jedoch vor mehr als 65 Millionen Jahren ihre Spuren in der Weltgeschichte. Ob der harte Schmelz so lange gegen den Zahn der Zeit resistent ist, ist noch nicht ganz klar. (uni-bonn)


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Dr. Thomas Tütken mit dem ca. 30.000 Jahre alten Backenzahn eines Mammuts. Anhand des Zahnschmelzes lässt sich die Körpertemperatur Tieres auf plus/minus zwei Grad genau bestimmen. (c) Frank Luerweg, Universität Bonn
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