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23.10.2010 | 14:47 | Gentechnik  
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Gentechnik bei Obst und Gemüse: Viel Forschung, kaum Zulassungen

Aachen - Weltweit wird an zahlreichen Obst- und Gemüsepflanzen gentechnisch geforscht. Viele so entwickelte Pflanzen mit neuen Merkmalen wurden in Gewächshaus- und Freilandversuchen erfolgreich getestet.

Gentechnik
Dennoch gibt es derzeit wenig Bestrebungen, solche Obst- und Gemüsesorten kommerziell zu nutzen. Das geht aus einer Studie hervor, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht wurde. 

Bisher beschränkt sich die kommerzielle Nutzung von Pflanzen mit gentechnisch übertragenen neuen Merkmalen weltweit auf Soja, Mais, Raps, Baumwolle und seit vier Jahren auch Zuckerrüben.

Bei anderen Kulturarten - Obst, Gemüse, Nüsse, Blumen - sind gentechnisch veränderte Varianten bisher nicht auf dem Markt. Ausnahmen sind virusresistente Papayas, die seit Jahren auf Hawaii angebaut werden und inzwischen auf 90 Prozent der dortigen Flächen stehen, gv-Squash (ähnlich Zucchini), in den USA nur regional genutzt, sowie gv-Nelken.

Obst, Gemüse und andere "Spezialarten" haben zwar eine große Bedeutung für die Landwirtschaft. Dennoch spielen neue, mit gentechnischen Verfahren veränderte Sorten bisher keine Rolle. Warum das so ist, haben Jamie Miller und Kent Bradford, zwei Wissenschaftler der University of California (Davis, USA) in einer Studie untersucht. Dazu haben sie für einen Zeitraum von fast sechs Jahren (Januar 2003 bis Oktober 2008) Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften sowie Freisetzungsversuche mit gv-Pflanzen in 24 Ländern ausgewertet.

Weltweit wurden 313 Publikationen zu Forschungsprojekten an Obst-, Gemüse und anderen Pflanzenarten erfasst. In den meisten Fällen, so Miller und Bradford, wurde gezeigt, dass der jeweilige Ansatz, ein neues Merkmal zu übertragen, prinzipiell funktioniert. Neben den USA sind in der von ihnen zusammengestellten Liste von Veröffentlichungen auch Arbeitsgruppen aus Europa, Indien, Japan, China, Brasilien, Südkorea, Israel, Tunesien und vielen weiteren Ländern zu finden. Allein in den USA wurden im untersuchten Zeitraum über 800 Freisetzungsversuche mit solchen Pflanzen durchgeführt.

Die "gentechnische Pflanzenforschung", so die Studie, hat sich mit 77 "Spezialarten" beschäftigt und 206 verschiedene Einzel-Merkmale übertragen. Dabei überwiegen anbaubezogene Merkmale (input traits), etwa Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten oder Schädlinge, aber auch eine verbesserte Toleranz gegenüber Trockenheit, Salz oder Hitzestress. Zunehmend zielen Forschungsprojekte auf veränderte Produkteigenschaften (output traits), bei denen es um die Nährstoffzusammensetzung der Pflanzen oder Anreicherung mit gesundheitsfördernden Stoffen geht.

Diese vielfältige und "erfolgreiche" Forschung führt jedoch nicht zu kommerziellen Anwendungen. Den "Flaschenhals" bilden laut Miller und Bradford die Zulassungsverfahren, die weltweit  alle gv-Pflanzen durchlaufen müssen und die in den letzen Jahren aufwändiger und anspruchsvoller geworden sind. Zulassungen für gv-Obst- oder Gemüsesorten - etwa Tomaten - liegen meist mehr als zehn Jahre zurück, neue Anträge sind nicht gestellt.

Aus Sicht der Unternehmen sind neue gv-Varianten bei Obst- oder Gemüsearten wirtschaftlich kaum attraktiv. Zu den Ausgaben für die Forschung addieren sich bei gv-Pflanzen - anders als bei mit anderen Methoden erzeugten Neuzüchtungen - die hohen Kosten für die Zulassung. Miller und Bradford geben diese mit ein bis 15 Millionen Dollar für jede neue gv-Pflanze (Event) an. Hinzu kommt, dass die Märkte für diese Pflanzenarten in der Regel deutlich kleiner sind als bei Ackerfrüchten wie Mais oder Soja.

Ein zusätzliches Risiko für die Unternehmen ist die schwer einschätzbare Verbraucherakzeptanz für Lebensmittel aus gv-Pflanzen. In einigen Regionen ist deren Ablehnung stark ausgeprägt. Insgesamt gibt es kaum verlässliche Erfahrungen, wie die Konsumenten auf gv-Obst- und Gemüsesorten reagieren.

Nach Meinung der beiden kalifornischen Wissenschaftler wird eine Markteinführung solcher Sorten wirtschaftlich riskant bleiben, solange nicht auch ihre möglichen Vorteile bei der Zulassung stärker berücksichtigt werden. (TransGen)
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Kommentare 
Alfred schrieb am 23.10.2010 17:50 Uhrzustimmen(168) widersprechen(146)
Die GVO-Konstrukteure weisen den Zulassungsbehörden gegenüber wissenschaftlich nach, dass ihre Konstrukte risikofrei seien. Warum vertrauen aber Versicherungen diesen belastbaren weltweiten wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht über den Weg? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert über die Seite "Biosicherheit" u.a. die Werbung für die Grüne Gentechnik durch Benutzung des Schulunterrichtes dafür, wo es u.a. heißt: "Diskutieren Sie mit den Schülern auch, warum Umweltschutzorganisationen und andere gesellschaftliche Gruppen mit der Entscheidung der Behörden teilweise nicht übereinstimmen und zu einer anderen Risikobewertung kommen." Diese Aussage setzt voraus, dass den Schülern primär fertige Zustimmungs-Meinungen zu vermitteln sind und weniger das Wissen, um sich eigene Meinungen darüber bilden zu können. Oder verfügen GVO-Kritiker über keinerlei Fachleute oder nur nicht über glaubwürdige Fakten?
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