(c) Remar - fotolia.com Fragen an Heike Moldenhauer (Gentechnik-Expertin des Umweltverbandes BUND in Berlin) und Uwe Schrader (Vorstand von InnoPlanta, einem Zusammenschluss von Firmen, Landwirtschaft, Saatzüchtern und Forschern zur Förderung der Pflanzenbiotechnologie in Gatersleben/Sachsen-Anhalt):
WELCHEN NUTZEN UND WELCHE GEFAHREN SEHEN SIE IN GRÜNER GENTECHNIK? BUND: «Einen Nutzen sehen wir überhaupt nicht, auch bei keiner der bereits im Ausland angebauten Pflanzensorten. Das Hauptargument der Befürworter, Gentechnik spare Herbizide, ist längst widerlegt. Es gibt keine positiven Effekte für die Umwelt. Zwar haben Versuche in China, den USA und Argentinien gezeigt, dass Anfangs Spritzmittel gespart werden können. Diese Effekte sind aber bereits nach wenigen Jahren verschwunden: Dann muss sogar noch mehr gespritzt werden - zum Beispiel, weil viele Insekten resistent geworden sind.»
InnoPlanta: «Die grüne Gentechnik ist die Weiterführung der Züchtungs-forschung mit neuen Mitteln. Damit lassen sich Erträge sichern und Produkte schaffen, die mit der herkömmlichen Züchtung gar nicht möglich wären. Besonders die Inhaber der zahlreichen neuen Biogas-Anlagen sind auf eine zuverlässige, beständige Versorgung mit Mais angewiesen. Hierzu kann der mit einem Resistenzgen ausgestattete Bt-Mais beitragen. Dieser widersteht etwa dem gefräßigen Maiszünzler viel besser als ein herkömmlich gespritztes Feld.»
GIBT ES GRÜNDE, VOR DER GRÜNEN GENTECHNIK ANGST ZU HABEN? BUND: «Ja, absolut. Bislang werden nur die zusätzlich eingeführten Proteine 30 Tage im Tierversuch getestet, nicht aber die ganze Pflanze. Auf diese Weise lässt sich aber nur die akute Giftigkeit eines Proteins feststellen, nicht aber die Langzeitwirkungen des ganzen veränderten Organismus. Es gibt keinen Grund, gentechnisch veränderte Pflanzen zu essen: Sie machen nicht schöner oder klüger. Sie nutzen nur dem Bauern, der damit große Monokulturen besser bewirtschaften kann.»
InnoPlanta: «Nein. Die grüne Gentechnik ist schon lange da, zum Beispiel in Form von transgenem Soja im Tierfutter. Es gibt inzwischen kaum noch ein Produkt, das nicht mit der grünen Gentechnik in Berührung gekommen wäre. Eine konsequente Kennzeichnung wäre aher ein heilsamer Schock. Die Gefahren sind bei grüner Gentechnik nicht größer als bei jeder anderen Technologie. Wie bei diesen kommt es darauf an, die nötige Sorgfalt bei der Zulassung walten zu lassen. Kein Produkt wird so gewissenhaft untersucht wie eines aus der grünen Gentechnik. Angst zu schaffen ist eine übliche Methode, wenn andere Argumente nicht mehr ziehen. Es gibt bislang weltweit nicht einen Fall, in dem ein gesundheitlicher Schaden durch grüne Gentechnik bekannt geworden wäre.»
WAS BEDEUTET DER FUND VON NICHT ZUGELASSENEM, GENTECHNISCH VERÄNDERTEM REIS AUS DEN USA IN DEUTSCHLAND FÜR DAS ERSCHEINUNGSBILD DER GRÜNEN GENTECHNIK? BUND: «Das ist fatal für das Image der Technologie. Es zeigt, dass die großen Konzerne ihre Technik nicht im Griff haben. Die Sicherheits-versprechen der Biotechnik-Firmen sind eine Farce. Möglicherweise steckt hinter dem aktuellen Fall Absicht: Vielleicht sollen die gentechnisch veränderten Produkte langsam in die Nahrungskette sickern. Auf diese Weise würden Tatsachen geschaffen - womöglich bis zu dem Punkt, an dem der Verbraucher resigniert und denkt: "Jetzt ist es eh zu spät."»
InnoPlanta: «Der nicht zugelassene Reis gehört nicht in deutsche Super-marktregale. Ich denke aber, die öffentliche Meinung wird dadurch nicht nachhaltig gestört. Vielleicht trägt der Fall auch dazu bei, dass künftig mehr und besser kontrolliert wird. Dies könnte helfen, um das ganze Thema nüchterner zu betrachten.»
Stichwort: Gentechnik-Kennzeichnung in Deutschland In Deutschland müssen alle Produkte gekennzeichnet werden, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus ihnen hergestellt sind, und deren Herstellungsprozess ab dem 18. April 2004 eingeleitet wurde. Auf den Zutatenlisten und Restaurant-Speisekarten werden solche Produkte mit den Hinweisen «gentechnisch verändert» gekennzeichnet.
Bei tierischen Produkten wie Fleisch, Milch, Eier und Käse muss allerdings nicht kenntlich gemacht werden, ob gentechnisch verändertes Futter bei er Aufzucht der Tiere genutzt wurde. Weltweit wandern mehr als 80 Prozent aller Gentechnik-Pflanzen, vor allem Genmais und Gensoja, ins Tierfutter.
Nach EU-Recht gilt zudem eine gentechnische «Verschmutzung» von weniger als 0,9 Prozent als nicht kennzeichnungspflichtig, wenn sie nicht bewusst in Kauf genommen, sondern «zufällig» entstanden ist. Diese Grenze bezieht sich auf einzelne Stoffe. Ein Produkt kann aber mehrere veränderte Zusatzstoffe enthalten. Der Gesamtinhalt an gentechnisch veränderten Zutaten kann unter Umständen also bei mehr als 1 Prozent liegen, ohne dass dies ausgewiesen werden müsste.
Quelle: dpa 15.09.2006 / 12:51 © dpa
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