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14.08.2009 | 15:15 | Bananenstauden 

Warum ist die Banane gelb?

Hamburg - Nach etwa neun Monaten hacken Arbeiter in Ecuador oder Costa Rica den Bananenstauden mit einer Machete die Früchte ab.

Bananen
(c) proplanta
Sie tauchen die grasgrünen Bananen-«Hände» in kaltes Wasser, um das klebrige Latex wegzuwaschen. Dann werden sie in Folie gewickelt, in Kartons verpackt und auf ein Kühlschiff verladen. «Drei bis fünf Wochen schlummern die Bananen im Schiffsbauch» erläutert Stefan Worm. Der 40-Jährige versorgt bundesweit die Märkte der Lebensmittelkette Edeka mit Obst und Gemüse. Wenn man dem Leiter des Fruchtkontors Nord zuhört, versteht man: Bananen leben. Und sie haben hohe Ansprüche.

Auf dem Schiff werden die Früchte auf rund zehn Grad gekühlt. Die Bananen liegen in einer Art Winterschlaf und überstehen so die wochenlange Reise. «Erst bei 13,2 Grad fangen sie an zu reifen», erklärt Worm. Er steht in einer langen, kargen Betonhalle im Hamburger Freihafen. An einer Wand reihen sich quietschgelbe Tore. Jedes hat ein gläsernes Bullauge und eine schwarze Nummer. 1 bis 52. Und hinter fast jedem Tor stapeln sich Pappkisten.

In der Bananenreiferei riecht es so süßlich wie erwartet. 52 Kammern mal 1.152 Kartons mal 120 Finger... 7.188.480 Bananenfinger können rein rechnerisch gleichzeitig in der Halle reifen. Zweimal in der Woche kommt ein Bananenschiff im Hafen an. Dann herrscht in der Reiferei Gewusel. Gabelstapler und die kleineren «Ameisen» fahren Paletten voller Kartons in die Kammern. Vorher wird an jeder Kiste die Folie rechts und links eingeschnitten. So bekommen die Bananen wieder Luft.

Luft und Gas. Denn in der Kammer werden sie bei 14 bis 17 Grad mit einem Gemisch aus Stickstoff und vier Prozent Ethylen begast. Worm schüttelt sich: «Begast - das hört sich so furchtbar an!» Ethylen ist ein Hormon, das Früchte auch selbst produzieren. Legt man eine Banane neben eine Zitrone, welche besonders viel Ethylen ausströmt, wird die Banane schneller reif. An den Decken der Kammern brummen große Ventilatoren, die das Gas durch die Kartons wirbeln.

Die Bananen brauchen ungefähr fünf Tage, um von Farbstufe 1 («knatschgrün») auf Farbstufe 4 («gelb mit grünen Spitzen») und dann in die Obstabteilung der Supermärkte zu kommen. Oder auf Wunsch auch länger. Denn in der Reiferei versucht die Branche, ein zentrales Problem zu lösen: «Kaufen Sie im Hochsommer Bananen? Oder lieber was Fruchtiges - Kirschen, Pfirsiche, Erdbeeren...?», sinniert Worm. «Bananen sind an warmen Tagen nicht die erste Wahl.» Während der Einzelhandel jedoch sein Obst von heute auf morgen bestellen kann, müssen die Importeure Wochen im Voraus planen.

Was also tun, wenn es im April plötzlich tagelang so heiß ist wie im Sommer? Wenn das Verlangen nach Bananen sinkt, wird auch die Temperatur in den Reifekammern gesenkt. Dann dauert es auch mal zwei Tage länger, bis eine Ladung reif ist. Oder sie wird in Klimaräumen eine Weile zwischengeparkt. Das alles geht natürlich nur begrenzt, denn die nächsten Schiffe sind schon unterwegs.

«Das ist wie an der Börse, nur mit lebender Materie», sagt Worm. «Entweder man rennt am zweiten Arbeitstag mit hektischen Flecken davon, oder man macht den Job ein Leben lang.» Der Fruchtkaufmann aus Cuxhaven hat schon zu Beginn seines Berufslebens keinen stressbedingten Ausschlag bekommen. Schon als Jugendlicher half er im Supermarkt der Mutter aus - am liebsten in der Obst- und Gemüseabteilung. «Butter kann man nur ins Regal räumen, mit Obst und Gemüse kann man spielen», sagt der Mann mit der rosa-grauen Krawatte und den polierten Lederschuhen, den man sich auch als Steuerberater vorstellen könnte.

Fast 1,4 Millionen Tonnen Bananen importierte Deutschland im Jahr 2008 laut Statistischem Bundesamt. Kein anderes Obst lassen wir uns in solchen Mengen aus Übersee herbeischippern - meist aus Kolumbien oder Ecuador. Und zu solch ausgetüftelten Konditionen. Zu viel Zugluft, zu viel Feuchtigkeit, zu kalt, zu warm, zu rabiat behandelt: Bananen verzeihen ihrem Transporteur keine Unachtsamkeit.

Wie Bananen aussehen sollen, die wir frisch verspeisen, ist in einer EU-Verordnung penibel geregelt. «Frei von Mißbildungen und anomaler Krümmung der Finger» müssen Obstbananen sein. Solche Früchte der Klasse I müssen mit einer Länge von mindestens 14 Zentimeter aufwarten können - gemessen über den äußeren Bogen. Flecken auf der Schale dürfen «2 cm² der Fingeroberfläche nicht überschreiten».

Doch die Musa paradisiaca sapientum ist mehr als nur eine hochempfindliche Importware. Die süße Frucht ist auch zum Symbol für die Ausbeutung einheimischer Arbeiter geworden, die die schweren Stauden auf ihren Rücken durch die Plantagen schleppen und an Chemikalien erkranken, die Bananen gesund halten sollen. Um die Wende zum 20. Jahrhundert begann das lukrative Exportgeschäft mit Bananen. US-Unternehmen wie die United Fruit Company (heute Chiquita) und die Standard Fruit and Steamship Company (heute Dole) bauten in Mittelamerika nicht nur Plantagen, sondern auch Eisenbahnstrecken, Häfen, Post-, Telefon- und Stromnetze auf. Schnell verdrängten sie in den «Bananenrepubliken» lokale Bauern und erlangten mehr Macht als die dortigen Regierungen.

Auch heute noch haben die drei Großkonzerne Chiquita, Dole und Del Monte den weltweiten Bananenhandel fest im Griff. Kleinbauern haben es schwer, da Fuß zu fassen. «Sie haben oft keinen direkten Marktzugang», sagt Rudi Pfeifer, Geschäftsführer des Vereins BanaFair e.V., der Bananen von Kleinbauern importiert. «Die Logistik muss stimmen, man braucht viel Technologie, der Kostendruck ist hoch... Es macht keinen Sinn, nur einen Container nach Deutschland zu schicken.»

Auf konventionellen Plantagen stehen Tausende Pflanzen auf jedem Hektar dicht beisammen. Der Anbau in riesigen Monokulturen ist dem Bananenexport schon einmal fast zum Verhängnis geworden. Die Panamakrankheit - ausgelöst von einem Pilz - raffte Bananenpflanzen der Sorte Gros Michel epidemieartig dahin. Inzwischen hat die Industrie umgestellt: Was heute in der Supermarktregalen landet, sind fast nur Bananen der in mancher Hinsicht resistenteren Sorte Cavendish. Davon isst Fruchtkaufmann Stefan Worm jeden Morgen eine. Aber nur als «Naturfrucht», nicht etwa mit Quark oder Müsli. Es klingt so, als hätte das was mit Respekt zu tun. Nur braun-gelbe «Tigerbananen» - die schmeißt auch er schon mal mit Milch in den Mixer. (dpa)
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