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25.02.2011 | 07:52 | Biogas-Boom 

Macht Biogas-Boom Deutschland zur "Mais-Wüste"?

Berlin - Überall im Land sprießen die Biogasanlagen. 6.800 sollen es im Laufe des Jahres werden, schätzt der Biogasverband.

Biogasanlage
Es ist eine Hoffnung für die grüne Energiewende, denn im Gegensatz zu Sonnen- und Windstrom liefert Biogas kontinuierlich Strom. Mit Mais und Gülle wird in kleinen Kraftwerken Gas erzeugt, das wiederum zum Stromerzeugen über Turbinen genutzt wird. In manchen Gegenden können kleine Bauernhöfe aber dadurch kaum noch mithalten. Investoren kaufen im großen Stil Ackerflächen, um Mais anzubauen. Pachtpreise steigen so massiv und Landstriche werden in Mais-Monokulturen verwandelt. Und die Investoren freuen sich über Renditen von bis zu 20 Prozent.

In einer Studie schlägt die Umweltstiftung WWF nun Alarm: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) belohne Strom aus Biogas mit umgerechnet jährlich rund 3.000 Euro pro Hektar Mais. «Das ist fast das Zehnfache dessen, was Bauern sonst pro Hektar durchschnittlich an EU-Förderungen erhalten», so der WWF. Durch die Solarkürzung um bis zu 15 Prozent im Juli kann es passieren, dass bestimmte Biogasformen, wo neben Mais auch noch Gülle verwendet wird, mit rund 20 Cent pro Kilowattstunde mehr Förderung bekommen als große Photovoltaikparks.

Andrea Horbelt vom Fachverband Biogas betont, auch Landwirte müssten gewinnorientiert arbeiten und würden daher auf die Dinge setzen, die für sie besonders lukrativ sind. Das Problem, dass Investoren von dem Boom angelockt werden, sei aber erkannt. Es gehe darum, kleine Landwirte zu schützen, die die Biogas-Pioniere sind.

Die Maismonokulturen entstehen vor allem dort, wo es viel Geflügel- und Viehzucht gibt, also etwa in Niedersachsen, wo es bereits mehr als 950 Anlagen gibt. Denn die anfallende Gülle wird zusammen mit Mais zur Biogasproduktion genutzt - denn dafür gibt es neben dem Nachwachsende-Rohstoffe-Bonus für Mais zusätzlich einen Güllebonus. «Das Erneuerbare Energien-Gesetz muss in dieser Hinsicht schnell und umfassend geändert werden», sagt WWF-Agrarreferentin Tanja Dräger de Teran. Der Energiemais vernichte die Artenvielfalt und belaste die Gewässer. Deutschland drohe daher zur «Mais-Wüste» zu verkommen.

Ganz so dramatisch sieht man es in der Regierung nicht, aber das Problem ist erkannt. In manchen Regionen steuere die Landwirtschaft auf Probleme zu, weil es eine wachsende Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energierohstoffproduktion gibt, sagt Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Zusammen mit Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) will sie noch in diesem Jahr die Förderung kappen - auch zum Schutz kleiner Landwirte. Besonders im Fokus steht der Mais-Bonus, der Investoren gerade elektrisiert und Bauern wegen unbezahlbarer Pacht von ihren angestammten Flächen vertreibt.

2010 wurden in Deutschland nach Angaben des Agrarministeriums bereits rund 530.000 Hektar Mais zur Energiegewinnung angebaut. Der Anteil von Energie-Mais erhöhte sich zwischen 2009 und 2010 um 40 Prozent. 2011 könnte der Stromanteil durch Biogas auf drei Prozent steigen und 4,9 Millionen Haushalte mit dem daraus produzierten Strom versorgt werden, schätzt der Biogasverband.

Unbestritten ist, dass Biomasse im grünen Energiemix unverzichtbar ist. In einer Studie der Agentur für Erneuerbare Energien wird darauf verwiesen, dass eine Ausweitung der Rohstoffpallette sinnvoll ist, um Maismonokulturen zu verhindern. Eine Biogasanlage könne schließlich vieles verdauen: Sowohl Mais und Getreide, Ernterückstände wie Rübenblätter oder eben Gülle, Mist, Kartoffelschalen und Klärschlamm.

Die Energiepolitikerin der Grünen-Fraktion, Sylvia Kotting-Uhl, betont, das Boni-System müsse überarbeitet werden, denn der Gülle-Bonus in Verbindung mit der Mais-Vergütung fördere letztlich auch die Massentierhaltung. «Die Entwicklung in Niedersachsen ist ein echtes Problem», sagt sie. «Die Idee einer Marktprämie für die gesteuerte Nutzung von Biomasse ist überlegenswert.» Statt kontuierlich Strom zu produzieren, könnten die Biogasanlagen in der grünen Energiezukunft als «Schattenkraftwerke» immmer dann Strom liefern, wenn gerade kein Wind wehr oder die Sonne nicht scheint, also anderweitig Strom gebraucht wird, sagt Kotting-Uhl. (dpa)
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Kommentare 
Harald von Canstein schrieb am 25.02.2011 15:49 Uhrzustimmen(128) widersprechen(74)
Jetzt auch noch der WWF... Die WWF-Studie zitiert falsch; statt "Biogas zur Bereitstellung von Strom, Wärme und Kraftstoff schneidet dann sehr ungünstig ab, wenn Silomais als Gärsubstrat zum Einsatz kommt." (WWF) heisst es in der Quelle "Biogas zur Bereitstellung von Strom, Wärme und Kraftstoff schneidet dann sehr ungünstig ab, wenn bei dem zum Zeitpunkt (2007) der Erstellung des WBA-Gutachtens vorherrschenden hohen Agrarpreisniveaus Silomais als Gärsubstrat zum Einsatz kommt." (Butterbach-Bahl et al.) Das bedeutet, dass bei höheren Agrarpreisen die CO2-Vermeidungskosten steigen würden. Butterbach-Bahl et al. sagen weiterhin, dass die Klimabilanz von Biogas nur dann schlecht sei, wenn u.a. Cross Compliance nicht beachtet und in veralteten Biogasanlagen (mit offenen Gärrestlagern) produziert wird. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bei Anwendung guter Praxis die Klimabilanz von Biogas gut ist. Dies wird auch vom Wuppertal-Institut (Arnold, Vetter 2010 Klima- und Umwelteffekte von Biomethan) bestätigt. Ich persönlich bezweifle allerdings, dass die CO2-Vermeidungskosten von Biogas von den Substratpreisen abhängen, denn die Kosten der kWh (elektrisch) sind ja per EEG fixiert. Wenn die Maispreise steigen, dann sinkt der Gewinn der Anlagenbetreiber, aber die CO2-Vermeidungskosten bleiben gleich. Ausserdem stützt die WWF-Studie sich im Bereich Humuszehrung auf uralte Daten, in der Mais noch als Hackfrucht angesehen wird. Es gibt meines Wissens noch gar keine Humuszehrungs-Daten zu Energiemais, der mit Gärresten gedüngt wird, aber es sieht ganz danach aus, dass die Humusbilanz von Energiemais und Gärresten ausgeglichen ist. Die Aussage, dass Biogas die Pachtpreise in die Höhe treibt, stimmt so auch nicht. Laut Dr. Gerd Höher vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft "führt der aktuelle agrastrukturelle Wachstumsdruck zwischen den Landwirten bereits unabhängig von der Bioenergieerzeugung zu einem intensiven Wettbewerb um Pachtflächen". (Höher 2010 in „Sündenbock Biogas?“, energiepflanzen 2010.4)
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