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29.04.2016 | 11:25 | EG-Nitratrichtlinie 

Habeck fordert nach EU-Klage schärfere Regeln im Düngerecht

Kiel - Angesichts der Klage der EU-Kommission gegen Deutschland hat Schleswig-Holsteins Umwelt- und Landwirtschaftsminister Robert Habeck ein strengeres Düngerecht gefordert.

Robert Habeck
Robert Habeck (c) robert-habeck.de
„Wir wissen seit Jahren, dass die Einträge von Nitrat in die Gewässer insbesondere aus der Landwirtschaft viel zu hoch sind. Der Bund hat aber die erforderliche Reform der Düngeverordnung erst verschleppt und dann einen Entwurf vorgelegt, der hinten und vorne nicht ausreicht. Die Klage ist jetzt die Quittung“, sagte Habeck heute (29. April 2016). 

Die EU-Kommission hat gestern beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen Deutschland eingereicht, weil die EG-Nitratrichtlinie nicht umgesetzt werde und zu hohe Nährstoffeinträge in die Gewässer gelangen. „Sollte die EU Deutschland zwingen, radikalere Schritte zu unternehmen, bleibt den Landwirten kein Spielraum mehr, sich anzupassen. Dann kann das Pokerspiel der Bundesregierung zu Lasten der Landwirte ausgehen“, betonte der Minister. Er forderte den Bund auf, jetzt mit Hochdruck ernsthafte Nachbesserungen der Düngeverordnung ohne Schlupflöcher vorzulegen. Das diene auch der Rechtssicherheit der Landwirte.

Schleswig-Holstein setzt sich vor allem für kürzere Übergangsfristen zur Einführung bodennaher Ausbringungstechnik, ambitionierte Sperrfristen zur Ausbringung und erhöhte Lagerkapazitäten für flüssige Wirtschaftsdünger ein. Des Weiteren wäre eine generelle Nährstoffuntersuchungspflicht für Wirtschaftsdünger notwendig, da nur so die Landwirte wissen, welche Nährstoffmengen sie auf ihre Felder ausbringen. Zudem hält die Landesregierung eine Hoftorbilanz für notwendig, damit klar wird, wie viele Nährstoffe in einem Betrieb anfallen, dort verwendet werden können und wo Überschüsse anfallen.

In einem offenen Brief an die Bundesregierung hatten der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik (jetzt WBAE) und der Wissenschaftliche Beirat für Düngungsfragen (WBD) im Februar nochmals betont, dass eine deutliche Reduktion von Nährstoffeinträgen aus der Landwirtschaft zum Erreichen verschiedener, auch europäischer Umweltziele dringend erforderlich ist.

Die deutlich oberhalb des Zielwertes bei etwa 100 Kilogramm stagnierenden Nitratüberschüsse, die Belastungen des Grundwassers, die Eutrophierung von Oberflächengewässern und damit die Verfehlung der Ziele von Wasserrahmenrichtlinie und Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sowie auch der NE(R)C-Richtlinie zeigten, dass der Handlungsbedarf erheblich ist. Das kommt auch in der von der EU-Kommission jetzt angekündigten Klagschrift gegen Deutschland zum Ausdruck. „Die Bundesregierung sollte die Aussagen der von ihr selbst eingesetzten wissenschaftlichen Gremien endlich ernst nehmen und umsetzen“, so Minister Habeck.

Wie hoch die Nährstoffüberschüsse in Schleswig-Holstein sind, macht der Anfang des Jahres vorgestellte erste Nährstoffbericht deutlich. Besonders betroffen sind Gebiete mit intensiver Tierhaltung und einer großen Anzahl an Biogasanlagen. Insgesamt sind 22 von 55 Grundwasserkörpern in Schleswig-Holstein wegen diffuser Einträge und Belastungen durch Nitrat in einem schlechten Zustand.

Von den insgesamt 181 in diesen Grundwasserkörpern liegenden Grundwassermessstellen weisen 61 Nitratgehalte über dem Schwellenwert der Grundwasserverordnung von 50 Milligramm pro Liter auf. Natürlich bedingte Konzentrationen von Nitrat liegen in der Regel unterhalb von 10 mg/l. „Schleswig-Holstein bezieht sein Trinkwasser zu 100 Prozent aus dem Grundwasser. Wenn wir das Trinkwasser der künftigen Generationen schützen wollen, ist klar, dass an einer Reduzierung der Nährstoffeinträge nichts vorbeiführt“, sagte Habeck.

Hintergrund

Die europäische Wasserrahmenrichtlinie fordert für alle Gewässer den guten ökologischen Zustand, das heißt Grundwasser und Oberflächengewässer sollen frei sein von Schadstoffen und zu vielen Nährstoffen. Auch die Nitratrichtlinie der EU macht strenge Vorgaben. Als nationales Aktionsprogramm setzt die Düngeverordnung die Vorgaben der EG-Nitratrichtlinie um.

Weil Deutschland damit aber die Ziele verfehlt, hat die EU-Kommission 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. In mehreren Mahnschreiben hat sie mitgeteilt, dass nach ihrer Auffassung Deutschland seinen Verpflichtungen aus dem Aktionsprogramm zur Umsetzung der o.a. Richtlinie nicht ausreichend nachkommt und die bisher vorgesehenen Maßnahmen zur Verringerung diffuser N-Einträge aus der Landwirtschaft nicht ausreichen.

Für einige der in der Neufassung der Düngeverordnung vorgesehenen Regelungen müssen die Rechtsgrundlagen im Düngegesetz erweitert werden, so dass quasi parallel auch die Beratungen im Bundestag aufgenommen werden müssen. Hierfür liegt seit Ende 2015 ein Entwurf der Bundesregierung vor, der im Januar vom Bundesrat mit Änderungen beschlossen wurde.

Auch die Wissenschaft hält die Maßnahmen der Bundesregierung nicht für ausreichend. Alle drei für Fragen der Agrar- und Umweltpolitik zuständigen wissenschaftlichen Beiräte der Bundesregierung haben in einem gemeinsamen Gutachten schon im August 2013 die Probleme deutlich offengelegt und realisierbare Lösungsansätze aufgezeigt.
melur.landsh
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