Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
07.06.2014 | 14:18 | Internationaler Währungsfonds 

IWF als Retter in Krisenländern nicht gerne gesehen

Lissabon / Kapstadt / Buenos Aires - Als Fallschirm und als Rettungsboot für notleidende Länder sieht sich der Internationale Währungsfonds (IWF) - und sein Selbstbild liest sich als Erfolgsgeschichte.

Hilfe für Krisenstaaten
(c) proplanta
Viele der ärmsten Länder hätten - auch dank IWF-Hilfen - große ökonomische Fortschritte gemacht und Zugang zu Investoren und Finanzmärkten gefunden. In den Krisenländern selbst sind die Helfer aus Washington indes selten willkommen.

Denn der Preis für Finanzhilfen ist hoch: Geld fließt nur gegen die Erfüllung strenger Sparauflagen, verbunden mit steigender Arbeitslosigkeit und Sozialkürzungen.

Beispiel Portugal, das in der Euroschuldenkrise neben Griechenland und anderen Krisenländern mit IWF-Hilfe vor der Pleite gerettet wurde. In Lissabon geht inzwischen nicht nur die Linke nach jahrelangem Sparkurs hart mit dem IWF ins Gericht.

Antonio Saraiva, Chef des Industrieverbandes CPI, warnte, die Kürzungen könnten zu einer sozialen Explosion führen. Und die frühere Spitzenkandidatin der liberal orientierten PSD von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho kritisierte vor wenigen Monaten, das Land habe «verfehlte Anweisungen wie die Lehren der Bibel» befolgen müssen. Es sei an der Zeit, dass der IWF seine Schuld für die negativen Folgen zugebe.

Beispiel Afrika: Von Anfang an hatte der IWF gemeinsam mit der Weltbank eine überragende Bedeutung für die wirtschaftlich rückständigen Staaten dort. Massenarmut, Kriege, Bürgerkriege, wuchernde Korruption, Riesenprobleme auf allen Gebieten, angefangen vom Bildungs- und Gesundheitssystem bis hin zu Landwirtschaft, Energieversorgung und Industrialisierung führten zu tausenden von Krediten, Projekten und Interventionen in Afrika. Die Bilanz ist durchwachsen: Nur auf Druck aus Washington fanden viele Staaten zu einer soliden Entwicklungspolitik. In anderen Staaten scheiterten die Konzepte aus dem Westen.

Vor diesem Hintergrund hatte Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz schon vor langer Zeit gerügt, der IWF habe bei der Aufbauhilfe «jämmerlich versagt». In seinem Bestseller «Die Schatten der Globalisierung» kritisiert der frühere Weltbank-Chefökonom, die Hilfsaktionen im Geiste des «Washington Consensus» seien antidemokratisch und undurchsichtig und widersprächen den Interessen derer, denen geholfen werden solle.

Als Beispiel für Misserfolge der Vorgaben aus Washington gilt Senegal. Dort gerieten Millionen Kleinbauern und Landarbeiter in staatlichen Betrieben in den Ruin.

Die nach Vorgaben der Weltbank in den 1980er Jahren beschlossene Liberalisierung der Märkte und Privatisierung von Betrieben führte letztlich dazu, dass Erdnüsse und andere wichtige Agrar-Exportgüter nicht mehr konkurrenzfähig waren. Denn Senegals Erdnussfarmer oder Tomatenpflanzer mussten mit den stark subventionierten Erdnüssen und Erdnussprodukten aus den USA oder den ebenfalls subventionierten Tomaten aus der EU konkurrieren. Senegals Landwirtschaft erlebte einen dramatischen Niedergang, der bis heute nicht ausreichend kompensiert werden konnte.

Ghana gilt dagegen dank politischer Stabilität und starkem Wachstum als Hoffnungsträger in Afrika. Zu verdanken ist das auch der Weltbank und dem IWF: Nach der Unabhängigkeit 1957 geriet das westafrikanische Land in den Strudel von Machtkämpfen, Korruption und Misswirtschaft.

Das Ende der sogenannten «schwarzen Jahre» kam Mitte der 1980er Jahre. Präsident Jerry Rawlings folgte den Empfehlungen der Weltbank: Die mehrfache Abwertung der Landeswährung, Steuer- und Zollsenkungen, die Privatisierung von Minen und Öl-Unternehmen lockten ausländische Investoren.

Allerdings verschuldete sich Ghana enorm, folgte dann 2004 aber erneut und erfolgreich dem Entschuldungsprogramm von Weltbank und IWF. Inzwischen hat Ghana deutliche Exportüberschüsse (Kakao, Gold) und ein jährliches Wachstum von durchschnittlich über fünf Prozent. Die Zahl der Armen hat sich halbiert.

Beispiel Argentinien: Das südamerikanische Land hat jahrzehntelange Erfahrungen mit dem IWF. Die vom Weltwährungsfonds zur Kreditbewilligung erforderten Wirtschaftspläne hatten stets zwei grundsätzliche Probleme: Sie ignorierten, wie die soziale und politische Gegenwehr ausfallen würde.

Und sie waren vorwiegend darauf ausgerichtet, die Zahlung der Auslandsverpflichtungen zu garantieren - mit vermeintlichen Sanierungsprogrammen, die mit reduzierten Staatsausgaben und anderen Maßnahmen am Ende aber auch die Steuereinnahmen drückten und so die erhoffte Zahlungsfähigkeit beeinträchtigten.

Unter der Präsidentschaft von Carlos Menem (1989-99) galt Argentinien als Musterschüler des IWF. Und doch kam es erst zur Krise und dann sogar zum Staatsbankrott. 2001 musste die Regierung die Bankkonten einfrieren, um die Kapitalflucht zu stoppen, Staatschef Fernando de la Rúa flüchtete in einem Hubschrauber. Wenige Tage später erklärte Buenos Aires die Einstellung der Zahlungen der milliardenschweren Auslandsschuld.

Nach der Staatspleite setzte das Land vergleichsweise schnell zur Erholung an. Sie wurde gegen den Rat des IWF vorangetrieben. Argentinien hielt dem Weltwährungsfonds vor, er habe das Debakel nicht rechtzeitig vorhergesehen und unwirksame Maßnahmen in Gang gesetzt. Zudem habe der IWF nach dem Zusammenbruch wieder eine - diesmal nicht befolgte - Wirtschaftspolitik angeraten, die die gespannte soziale Lage zur Explosion gebracht hätte.

Die Regierungen von Néstor Kirchner (2003-2007) und Cristina Fernández de Kirchner zahlten dem IWF alle Kredite zurück und erreichten einen Schuldenschnitt mit hohen Verlusten für die privaten Gläubiger. Fällig blieben Schulden bei anderen Staaten («Pariser Club»).

Nach zehnjähriger Isolierung sucht die Regierung jetzt über eine Vereinbarung über diese knapp 10 Milliarden Dollar einen neuen Anschluss an die internationalen Finanzmärkte - soweit möglich ohne Hilfe des IWF. (dpa)
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Strom ist Menschenrecht - Weltbank will besseren Zugang in Afrika

  Kommentierte Artikel

 Wut und Wahlen 2024: Die zunehmend mächtige Gruppe der Nichtwähler

 NRW-OVG verhandelt Streit um ein paar Gramm Wurst zu wenig

 Ruf nach Unterstützung der Imker

 Kein kräftiger Aufschwung in Sicht - Wirtschaftsweise für Pkw-Maut

 Schutz vor Vogelfraß durch Vergrämung?

 Globale Rekord-Weizenernte erwartet

 Immer mehr Tierarten sorgen in Thüringen für Ärger

 Größere EU-Getreideernte erwartet

 Bedarf an hofeigenen KI-Wetterfröschen wächst rasant

 Was will die CDU in ihrem neuen Programm?