17.01.2008 | 00:07 | Gentechnikgesetz
Streit über Kennzeichnung gentechnikfreier LebensmittelBerlin - Die Pläne zur Kennzeichnung gentechnikfreier Produkte haben einen Streit zwischen Politik, Wirtschaft und Verbänden ausgelöst. |
(c) Remar - fotolia.com Die Lebensmittelindustrie warf Agrarminister Horst Seehofer (CSU) und der großen Koalition am Mittwoch Etikettenschwindel vor. «Es ist schwer, den Verbrauchern zu sagen, dass ohne Gentechnik draufsteht und ein bisschen Gentechnik drin ist», sagte der Geschäftsführer beim Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, Marcus Girnau, bei einer Anhörung im Bundestags- Agrarausschuss in Berlin. Dies sei Verbrauchertäuschung. Die Umweltorganisation Greenpeace verteidigte die Pläne. Vor dem Reichstag demonstrierten Bio- und Umweltverbände gegen Gentechnik. «Die Verbraucher konnten bisher nicht erkennen, wo gentechnisch veränderte Pflanzen bei tierischen Produkten verfüttert wurden», sagte Greenpeace-Gentechnikexpertin Stephanie Töwe. «Der Großteil der angebauten Genpflanzen landet im Futtertrog.» Die neue Kennzeichnung sei deshalb ein «großer Gewinn» für Verbraucher. Die Kritik der Futtermittelindustrie bezeichnete sie als verlogen. Deren Sorge sei, Genfutter wegen der Kennzeichnung nicht mehr verkaufen zu können. Die Verbraucherzentralen begrüßten die Pläne, weil es mehr Wahlfreiheit beim Einkaufen gebe. Der schleichende Anteil von Gentechnik nehme zu, sagte Vorstand Gerd Billen. Der Deutsche Raiffeisenverband nannte die Pläne jedoch eine Irreführung.
Fleisch, Milch und Eier sollen künftig mit der Aufschrift «ohne Gentechnik» gekennzeichnet werden - auch dann, wenn Futtermittel mit Enzymen oder Zusätzen angereichert wurden, die durch gentechnische Verfahren hergestellt worden sind. Bisher gelten strenge Anforderungen für die Kennzeichnung. Deshalb tragen oder trugen laut Bundesforschungsanstalt für Ernährung nur bis zu sechs Lebensmittel die Bezeichnung «ohne Gentechnik», darunter Sojamilch. Die strengen Regeln sollen für andere außer tierische Lebensmitteln weiter gelten.
Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn machte sich für die neue Kennzeichnung stark. Wer ein Ei oder Milch kaufe, wisse oft nicht, «dass die meisten Tiere in Deutschland mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert werden», sagte sie dem Nachrichtensender n-tv. Die FDP-Agrarpolitikerin Christel Happach-Kasan sagte, die Koalition wolle die Menschen darüber hinwegtäuschen, dass Gentechnikprodukte seit langem «in aller Munde» seien. Die CDU-Politiker Peter Bleser und Julia Klöckner wiesen die Kritik zurück. Die Verbraucher würden künftig «ehrlich informiert».
Bio- und Umweltverbände protestierten in Berlin gegen Gentechnik in der Landwirtschaft. Mehrere Demonstranten hielten vor dem Reichstag Transparente mit Aufschriften wie «Gentechnik: Einmal freigesetzt, immer freigesetzt!» oder «Mit dem Essen spielt man nicht!» hoch. Der Naturschutzbund NABU forderte ein Anbauverbot für Genmais, bis alle Zweifel ausgeräumt seien. Kritiker befürchten Risiken für die Umwelt.
Der Bundestag will Gentechnikgesetz und Lebensmittelkennzeichnung in der kommenden Woche verabschieden. Geplant sind schärfere Regeln zum Anbau von Genmais mit Abständen zwischen 150 und 300 Meter. Nachbarn können dies allerdings durch Absprachen umgehen. Genmais soll gegen den Schädling Maiszünsler resistent sein. (dpa)
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