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14.01.2010 | 04:18 | Zuckermarktordnung  

Wlodkowski: Agrarreform muss allen Marktteilnehmern etwas bringen

Wien - "Nicht überall, wo Reform draufsteht, ist ein Nutzen für alle Teilnehmer am Markt drinnen.

Zuckermarktordnung
(c) proplanta
Die Reform der EU-Zuckermarktordnung hat gezeigt, dass die selbst gesteckten Ziele weit verfehlt worden sind: Bauern und Konsumenten haben nicht, wie angekündigt, davon profitiert, sondern sogar verloren. Einzig die Nahrungsmittelindustrie freut sich über zusätzliche Euro-Milliarden. Angesichts dieser negativen Erfahrungen appelliert die Interessenvertretung an alle, die derzeit die neue EU-Agrarpolitik 2014 bis 2020 vorbereiten, an jedes einzelne Reformvorhaben strenge Maßstäbe anzulegen. Eine Reform muss allen Marktteilnehmern etwas bringen. Wenn Lasten und Nutzen grob ungleich verteilt sind, ist der Reformplan untauglich und deshalb zu verwerfen. Im Nachhinein festzustellen, wie das die scheidende Agrarkommissarin kürzlich getan hat, dass die Landwirtschaft in der Lebensmittelkette benachteiligt sei, ist hingegen nur ein sehr schwacher Trost und hilft den Bauern gar nichts", erklärte Gerhard Wlodkowski, Präsident der LK Österreich. 


Zuerst definieren, dann fixieren

"Als ersten Schritt für eine Weiterentwicklung von Agrarpolitik und Agrarbudget gilt es zu definieren, welche Aufgaben auf welche Art und Weise die Landwirte in Europa im Auftrag der Gesellschaft erfüllen sollen. Danach lässt sich erst über einen intelligenten Einsatz von Budgetgeldern diskutieren, nicht umgekehrt" stellte Wlodkowski weiter fest und ergänzte: "Wir sind jedenfalls bereit, der Bevölkerung ausreichend nachhaltig erzeugte Lebensmittel, klimafreundliche erneuerbare Energie und Rohstoffe sowie eine vielfältige Kultur- und Erholungslandschaft anzubieten. Da viele dieser Leistungen mit hohen Auflagen verbunden sind, an die sich die Konkurrenten auf den Weltmärkten nicht halten müssen, oder gar nicht marktfähig sind, wie die Landschaft als Basis für die Tourismuswirtschaft, brauchen wir nach wie vor einen Ausgleich aus öffentlichen Mitteln. Nur das kann ein Maßstab für das künftige EU-Agrarbudget sein."

In diesem Zusammenhang gab Wlodkowski seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dass sowohl auf europäischer, als auch auf österreichischer Ebene trotz wiederholter gegenteiliger Beschwörungen, der Weg in Richtung erneuerbare Energie und Rohstoffe nur äußerst zögerlich und missmutig beschritten wird.

Wörtlich: "Haben denn manche Verantwortliche die Erdgaskrise des Vorjahres bereits vergessen? Sind ihnen die Milliarden, mit denen wir jährlich klimaschädliche fossile Rohstoffe von Regimen kaufen, die mit unserem Gesellschaftssystem rein gar nichts am Hut haben, egal? Sind tausende Arbeitsplätze und zusätzliche Wertschöpfung im Inland plötzlich kein Argument mehr, nur weil es offenbar von der falschen Seite kommt? Hier ist die EU gefordert, die vielfältigen Chancen zu nutzen, indem sie in einer Zusammenschau von Agrar-, Regional-, Energie- und Industriepolitik die richtigen Weichen stellt und umsetzbare Angebote macht", so Wlodkowski weiter.


Weiterhin Marktordnungsinstrumente

"Die Konsumenten verlangen Versorgungssicherheit und erstklassige Qualität zu leistbaren Preisen. Das alles kann jedoch nur dann garantiert werden, wenn nicht völlig ungezügelte Märkte ein ständiges Auf und Ab der Preise zur Folge haben. Ein Gegensteuern funktioniert aber nur mit EU-weit gültigen Marktregeln. Wir brauchen daher weiterhin Marktordnungsinstrumente, die an den Grenzen, bei den Ausfuhren oder bei der Lagerhaltung wirken. Nur so kann man ganz im Sinne der Konsumenten, aber auch der Verarbeiter und der Bauern, extreme Schwankungen des Angebots und der Preise, seien sie nun durch Missernten oder durch Rohstoffspekulationen verursacht, abfedern", meinte Wlodkowski abschließend. 


Karpfinger: EU darf solche Fehler in Zukunft nicht mehr wiederholen

"Die Reform der EU-Zuckermarktordnung ist ein klassisches Beispiel für eine fehlgeleitete Reform. Denn eines der Hauptargumente der Europäische Kommission für die Reform im Jahr 2006 war ja die Verbilligung des Zuckers für die Konsumenten. Doch diese haben bis jetzt von der knapp 40-prozentigen Zuckerpreissenkung kaum etwas gemerkt.

Etwa 80 Prozent des Zuckers geht nämlich in die weiterverarbeitende Industrie, die den Preisvorteil minimal bis gar nicht an die Endkonsumenten weiter gab. Mehr noch, deren oberster Interessenvertreter auf EU-Ebene freute sich über Einsparungen von jährlich zwei Milliarden Euro. Die EU hingegen wurde durch die Reform vom zweitgrößten Netto-Exporteur zum Netto-Importeur von Zucker. Die europäische Zuckerwirtschaft hat sich bei der Versorgung mit dem Grundnahrungsmittel Zucker in die Abhängigkeit des Weltmarktes begeben. Dieses Negativ-Beispiel soll verhindern, dass für die nächste Finanzplanungsperiode 2014 bis 2020 derart gravierenden Fehler wiederholt werden", warnte Ernst Karpfinger, Präsident der Vereinigung "Die Rübenbauern" die Verantwortlichen für die Weiterentwicklung der Europäischen Agrarpolitik. 


Negative Spur der Reform

Die Lebensmittelindustrie profitiert als einziger Marktteilnehmer von dieser Reform. Tatsächlich bestätigte der Präsident der Europäischen Vereinigung der Ernährungsindustrie (CIAA), Jesus Serafin Pérez, in einer Aussendung am 28. September 2009, dass die Reform der Zuckermarktordung den Unternehmen der EU-Ernährungs- und Getränkeindustrie jährlich eine Einsparung von bis zu zwei Mrd. Euro bringt.

"Auf der anderen Seite hat die Reform deutlich negative Spuren hinterlassen: Von den ehemals gut 180 Zuckerfabriken in der EU mussten knapp 80 geschlossen werden, was einen Verlust inklusive den vor- und nachgelagerten Bereichen von rund 25.000 Arbeitsplätzen bewirkte. Fast 140.000 landwirtschaftliche Betriebe sahen sich angesichts der massiven Rübenpreissenkung gezwungen, den Rübenanbau aufzugeben. In fünf EU-Ländern wurde die Zuckerproduktion sogar zur Gänze eingestellt. Insgesamt werden nun in der EU 700.000 Hektar weniger Rüben angebaut als vor der Reform", erläuterte Karpfinger die Negativfolgen. 


Klare Forderungen

"Wir brauchen auch in Zukunft ein Mengensystem für die Zuckerproduktion, um ein Mindestmaß an Mengenregulierung am Markt zu gewährleisten und eine Abgrenzung zwischen Zucker und Isoglucose zu ermöglichen. Bei der Weiterentwicklung der Ausgleichszahlungen muss darüber hinaus darauf geachtet werden, dass diese auf den Rübenbaubetrieben erhalten bleiben. Und wir fordern schließlich, dass der Außenschutz-Abbau keine weiteren Existenzen bedroht und auch keine anderen internationalen Abkommen mit Zugeständnissen für Zuckerimporte abgeschlossen werden", verlangte Karpfinger, der befürchtet, "dass die Agrarreform für die Zeit nach 2013 dazu benutzt wird, den Rübenbauern weitere Erlöseinbußen zuzumuten, in dem die Europäische Kommission erneut die Welthandelsorganisation WTO als Vorwand hernimmt, um abermals in den Zuckermarkt einzugreifen". Er erinnerte daran, dass "bereits 2008 von der Kommission in den WTO-Verhandlungen ein 70%-iger Zollabbau angeboten worden ist. Allein dadurch würde der derzeitige Außenschutz für Zucker unterlaufen und Billigimporten ohne Rücksicht auf Sozial- und Umweltstandards Tür und Tor geöffnet." (lk-oe)
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