Wie Richeza Reisinger vom Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) am vergangenen Donnerstag (10.2.) beim digitalen Haferforum Bayern berichtete, verarbeiteten die Mühlen 2020 mehr als 625.000 t Hafer zu Lebensmitteln; das war gegenüber 2014 ein Plus von mehr als 70 %.
Reisinger zufolge hat sich die Haferproduktion in Deutschland gemäß den Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) von 2019 bis 2021 um 60 % auf schätzungsweise 831.500 t erhöht. Allerdings gehe der EU-Dachverband der
Getreidehändler (COCERAL) in seiner jüngsten Prognose für die deutsche Haferernte 2022 von einem Rückgang auf 793.000 t aus.
Derweil werde die Nachfrage weiter beflügelt von neuen Verzehrideen für die klassischen Haferflocken, Produktinnovationen wie Haferdrinks und weiteren Milchersatzprodukte, hob Reisinger hervor. Zudem sei die gesundheitsfördernde Wirkung dieser Getreideart wissenschaftlich erwiesen. Deshalb dürfe in der EU zum Beispiel für Haferprodukte mit Health Claims geworben werden, die unter anderem die positiven Wirkungen des in den Körnen enthaltenden Ballaststoffs Beta-Glucan auf die Gesundheit von Magen und Darm sowie von Herz und Kreislauf herausstellten.
Finnland wichtigster Auslandslieferant
Nach Einschätzung von Martin Unterschütz, der bei der BayWa AG für den Getreidehandel verantwortlich ist, favorisieren die Landwirte im Hinblick auf die diesjährige Frühjahrsaussaat die Braugerste. Der Haferanbau dürfte deshalb im Süden Deutschlands „trotz attraktiver Erzeugerpreise“ etwas eingeschränkt werden. Bayern ist laut Unterschütz im Ländervergleich der wichtigste Haferproduzent.
Im Wettbewerb um die Fläche mit anderen Feldfrüchten stehe das Getreide gut da. Die lokale Vermarktung sei weiter zu unterstützen. Wichtigste Lieferländer für die deutschen Mühlen seien derzeit Finnland, Schweden und Polen. Indes ergebe der Transport von Hafer über mehr als 2.000 km keinen Sinn. Die
BayWa wolle die lokale Hafererfassung weiter vorantreiben, erklärte der Marktexperte. Allerdings wünscht er sich eine bessere Zusammenarbeit mit der Verarbeitungsindustrie bei der Preisbildung.
Der künftige Stellenwert des Hafers sei auch von den Extensivierungsbestrebungen in der
Agrarpolitik abhängig, denn diese Kultur sei extensiv zu führen, so Unterschütz. Vor diesem Hintergrund könnten sich noch Verschiebungen ergeben.
Hafer ergänzt vielfältige Fruchtfolgen
Dr. Lorenz Hartl von der Bayerischen
Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) rechnete vor, dass mit Hafer bei einem unterstellten Ertrag von 60 dt/ha und einem Erlös von 22,30 Euro/dt ein durchaus konkurrenzfähiger
Deckungsbeitrag von 615 Euro/ha erzielt werden könne.
Die Nährstoff- und Pflanzenschutzansprüche dieses extensiv angebauten Getreides seien relativ gering, gab der Experte dabei zu bedenken. Auch in Roten Gebieten ließen sich die Pflanzen angemessen mit Stickstoff versorgen. Der Vorsitzende des Landesfachausschusses für pflanzliche Erzeugung und Vermarktung des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), Hermann Greif, wies darauf hin, dass Hafer als hervorragende Ergänzung in vielfältigen Fruchtfolgen einzubauen sei.
Stabile Hektolitergewichte erforderlich
Laut Stefan Leitl, der bei der Bayernhof
Erzeugergemeinschaften Vertriebs-GmbH die Getreidevermarktung verantwortet, ist die Erfassung von Hafer in Bayern aufwendig, weil das dortige Aufkommen ziemlich ungleichmäßig verteilt ist. Deshalb seien beispielsweise viele einzelne Silozellen erforderlich. Außerdem sei der Lagerplatzbedarf schwer kalkulierbar, denn die Erntemengen in den vergangenen Wirtschaftsjahren hätten deutlich geschwankt.
Verbessern lassen sich die Perspektiven für bayerischen Hafer im Erfassungshandel nach Ansicht von Leitl unter anderem mit der Steigerung der Haferfläche pro
Betrieb und auch insgesamt, um die Lieferpartien zu homogenisieren und bereitgestellte Kapazitäten auszulasten.
Anzupeilen seien Lieferungen von 25 t bis 100 t homogene Ware pro Betrieb. Zudem forderte Leitl von den Züchtern Sorten, die auch unter schwierigen Bedingungen stabile hl-Gewichte lieferten. Derweil müsse die Marktleistung von Hafer, die von etwa 900 Euro/ha bis 1.200 Euro/ha reiche, auch zum Landwirtschaftsbetrieb passen. „Bei 1.000 Euro/ha
Pacht wirds schwierig“, warnte der Fachmann. Mittelfristig sei ein
Erzeugerpreis von 200 Euro/t Hafer vonnöten.
Anteil von Biohafer schon jetzt sehr hoch
Der Leiter des Einkaufs bei der Rubin Mühle GmbH, Thomas Staffen, erklärte mit Blick auf Qualitätsaspekte, es sei irrelevant, ob Gelb-, Weiß-, Winter- oder Sommerhafer geliefert werde. Letztlich müsse die Sorte zum Standort passen. Allerdings sei die Bandbreite der Hektolitergewichte in Süddeutschland sehr groß und das Ziel von mindestens 52 kg/hl schwer zu erreichen. Hafer mit sichtbarem Auswuchs könne nicht verwendet werden.
Der geschäftsführende Gesellschafter der SchapfenMühle GmbH & Co. KG, Ralph Seibold, verwies darauf, dass der Hafermarkt in Deutschland nicht vom Ausland abgekoppelt sei; in anderen Ländern entstünden unterdessen neue Mühlen. Sehr wettbewerbsfähig sei skandinavische Ware. Mit Blick auf Biohafer gaben sowohl Seibold als auch Staffen an, dass dessen Anteil in ihren Unternehmen den von der Politik angepeilten Prozentsatz von 30 % schon jetzt weit übertreffe.