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03.09.2010 | 20:00 | Atomstreit  

Die Knackpunkte in der Atomfrage

Berlin - Am Sonntag will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Atomdebatte abräumen.

Die Knackpunkte in der Atomfrage
In den Abendstunden könnte dann feststehen, wie groß die Laufzeitverlängerung ausfällt, wie stark die Konzerne zur Kasse gebeten werden und bis wann die Atommeiler nachgerüstet werden müssen. Ob es in der Praxis tatsächlich zu längeren Laufzeiten kommt, wird letztlich wohl das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Ein Überblick über die wichtigsten Knackpunkte in der Atomfrage.   


BUNDESRAT:
Egal, ob es ein Laufzeitplus von 10 oder 15 Jahren gibt - das Bundesverfassungsgericht dürfte das letzte Wort haben, da die schwarz-gelbe Regierung aufgrund ihrer fehlenden Mehrheit in der Länderkammer den «Ausstieg aus dem Atomausstieg» ohne den Bundesrat beschließen will. Aber die Länder sind es, die die Aufsicht über die Atomkraftwerke in ihrem Gebiet haben. Mehrere Landesregierungen wollen deshalb klagen. Letztlich könnte weniger die Frage der Jahre entscheidend sein, sondern inwiefern den Ländern durch massive Nachrüstungen der Akw neue Überprüfungs- und Genehmigungsaufgaben übertragen werden.


SICHERHEIT:
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verlangt, dass alle Kernkraftwerke Terrorattacken mit großen Passagierflugzeugen standhalten müssen. Das würde bei älteren Meiler wie Biblis oder Isar I erhebliche Nachrüstungen bei der Betonhülle bedeuten und Milliarden verschlingen. Bisher hatte die Politik trotz der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA noch keine Nachrüstung der Akw verfügt. Nach dpa-Informationen könnte die Frist für die Nachrüstung fünf bis sieben Jahre betragen. Das würde bedeuten, dass zunächst alle Akw länger laufen dürfen. Werden dann ältere Meiler wegen zu hoher Nachrüstkosten abgeschaltet, könnte deren Reststrommenge auf jüngere Meiler übertragen werden. Diese würden dann weit länger als zehn bis 15 Jahre laufen.


ATOMSTEUER:
Es zeichnet sich ab, dass die von den Konzernen heftig bekämpfte Steuer doch kommt. Allerdings könnte sie auf einige Jahre befristet sein. Das wäre ein Teilerfolg für die Atomlobby, die fürchtet, dass eine unbefristete Atomsteuer von SPD und Grünen nach einem möglich Sieg bei der Bundestagswahl 2013 angehoben werden könnte. Lässt sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf eine Befristung ein, sollen die Konzerne im Gegenzug in einem Vertrag weitere Milliardensummen zum Ausbau der erneuerbaren Energien verbindlich zusagen.


ÖKOENERGIEN:
Aus Sicht des Umweltministeriums muss man aufpassen, dass zu lange Laufzeiten nicht den notwendigen Ausbau der Stromnetze und -speicher behindern. Entstehen wie geplant große Offshore- Windparks an der Nordsee, muss der Strom in die Industrie- und Ballungszentren im Westen und Süden abtransportiert werden. Gibt es sehr lange Atomlaufzeiten, könnten die Konzerne sich ermutigt fühlen, wie bisher eher zögerlich zu investieren.


GUTACHTEN:
Die von Wissenschaftlern erarbeiteten Szenarien zu den Kosten der künftigen Stromversorgung mit und ohne Atomkraft ist selbst in der Regierung umstritten. Das Umweltministerium bewertet das für die Entscheidung maßgebliche Gutachten in einzelnen Punkten als fragwürdig und in den Berechnungsmethoden schwer nachvollziehbar. «Eine Laufzeitverlängerung hat nur wenige eindeutige Effekte», heißt es als Fazit. Opposition und Umweltschützer werfen der Regierung vor, die Szenarienberechnung längerer Laufzeiten sei tendenziös. So wurde bis 2020 nur ein Ökostrom-Anteil von 33,7 Prozent angenommen, obwohl das Bundeskabinett gerade selbst im Aktionsplan für erneuerbare Energien einen Anteil von 38,6 Prozent prognostiziert hat.


ENDLAGERUNG:
Nach Informationen von Greenpeace würden bei einer Laufzeitverlängerung von zehn Jahren noch mehr als 6.000 Tonnen hoch radioaktiven Atommülls anfallen; das entspräche 650 Castor- Behältern. Beim jetzt gültigen Atomausstieg wären es 2.000 Tonnen und damit zwei Drittel weniger. Röttgen hat die Wiederaufnahme der Prüfung des Salzstocks in Gorleben als Endlager verfügt. Sollte Gorleben zu unsicher sein, begönne die jahrzehntelange Suche fast von vorne. Bisher wird der Müll bei 13 Atomkraftwerken und in den Zwischenlagern Ahaus und Gorleben gelagert. Auf 27,5 Milliarden Euro beliefen sich zuletzt die Rückstellungen der Energiekonzerne für die Erblasten der Atomkraft. Ob das Geld reicht, ist unklar. Bei einem Umweltdebakel wie beim maroden Atommülllager Asse muss letztlich auch der Steuerzahler mit einspringen. (dpa)
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