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02.10.2007 | 07:59 | Weinqualität 

Es hat alles gepasst: Winzer erwarten "Wunschjahrgang"

Mainz - Er ist noch jung, hat aber schon ordentlich Aufsehen erregt: Der diesjährige Wein beeindruckte nicht nur mit einer extrem frühen Blüte, Fachleute zeigen sich auch von Qualität und Menge angetan.

Wunschjahrgang
(c) proplanta
Das warme Aprilwetter und der zurückhaltende Sommer ließen Trauben reifen, aus denen nach Ansicht von Experten fruchtige Weißweine mit frischer Säure und gehaltvolle Rotweine gewonnen werden können. Das Mostgewicht (Zuckergehalt) liegt stellenweise bei mehr als 100 Grad Oechsle. «Ein Wunschjahrgang», sagt der Sprecher des deutschen Weininstituts, Ernst Büscher in Mainz. Nach einer der ruhigsten Lesen aller Zeiten sind nun bereits zwei Drittel der Ernte im Keller. Der Präsident des größten deutschen Anbaugebietes Rheinhessen, Ingo Steitz, hofft auf «einen der besten Jahrgänge der letzten zehn Jahre».

Nach Büschers Angaben werden in diesem Jahr in den 13 deutschen Anbaugebieten schätzungsweise 10,2 Millionen Hektoliter Wein eingefahren, im Vorjahr waren es 9,1 Millionen Hektoliter. Das Plus erklärt er mit dem gesunden Zustand der Trauben und dem trockenen Erntewetter im September, das der Fäulnis kaum Angriffsfläche bot: Die Winzer hätten deshalb nicht viel wegschneiden müssen. «Der "goldene" September war auch für die Winzer Gold wert», sagt Büscher, der bereits von guter Nachfrage berichtet. 2006 hatte Regen mitunter für Fäulnis gesorgt und die Menge geschmälert. Für den Rest der diesjährigen Lese erhoffen sich die Winzer deshalb Trockenheit: «Wenn es einigermaßen trocken bleibt, sieht es sehr gut aus», sagt der Geschäftsführer der Bergsträßer Winzergenossenschaft, Otto Guthier.

Das Glück der Winzer, die derzeit spätreife Sorten ernten, begann nach Steitz' Darstellung im Frühjahr: Wegen der Wärme im April und Mai habe die Blüte sehr früh eingesetzt, die Trauben hätten deshalb etwa zehn Tage länger am Stock hängen können als sonst. «Das fördert die Ausprägung des Aromas.» Und auch die Ernte begann früher - im Anbaugebiet Baden Ende August und damit so früh wie seit mehr als 50 Jahren nicht. Der Badische Genossenschaftsverband rechnet deshalb mit einem entzerrten Verlauf der Lese und nicht mit einer «Blitzernte» wie 2006. Neben einem qualitativ hochwertigen Jahrgang soll es in Baden auch ein Mengenplus geben.

Von einer sehr guten Qualität gehen auch die Württemberger Winzer aus. «Wir hatten zuletzt aber auch bombiges Wetter, mit kühlen Nächten, in denen kein Pilz entstehen konnte, und Tagestemperaturen von 20 bis 25 Grad, die dann die letzte Süße in die Trauben gebracht haben», sagt der Direktor des Weinbauernverbandes Württemberg, Karl Heinz Hirsch.

Der Geschäftsführer des Weinbauverbandes Pfalz, Dirk Gerling, sagt, es sei mit «frischen, spritzigen» Weißweinen zu rechnen, weil der Säuregehalt verhältnismäßig hoch sei. «Die Harmonie zwischen Mostgewicht und Säure lässt auf einen sehr guten Jahrgang hoffen», meint auch der Vizepräsident des Weinbauverbandes Nahe, Hans-Willi Knodel.

An der Ahr wird die erwartete Menge wohl nicht erzielt. «Der Ertrag ist gut, aber nicht so gut wie erwartet», sagt Weinbaupräsident Ernst Bender. «Wir hatten 50 Prozent mehr Regen als im Bundesdurchschnitt.» Deshalb gebe es vereinzelt auch Probleme mit Fäulnis. Die gab es stellenweise auch im sächsischen Elbtal, mit 470 Hektar Deutschlands kleinstes Anbaugebiet. Der Weinbauverband Sachsen rechnet in der Summe aber dennoch mit einem etwas besseren Ertrag als 2006. Es werde ein guter Jahrgang, wenn auch kein herausragender, sagt Verbandschef Christoph Hesse.

Im hessischen Rheingau wird die Menge nach Angaben des Weinbauverbandes wohl etwas über der des Vorjahres liegen. «Das brauchen wir auch», sagt Geschäftsführer Harald Sperling. «Die Keller waren vor der Lese leer. Jetzt freuen sich alle Winzer, Kommissionäre und Kellereien auf eine etwas größere Erntemenge», sagt der Geschäftsführer der Verbände Mittelrhein und Mosel, Gerd Knebel. Er sieht die Voraussetzungen für einen «sehr guten Qualitätsjahrgang» gegeben, erinnert jedoch an eine alte Winzerweisheit: «Der Winzer beurteilt einen Weinjahrgang erst, wenn der Wein im Keller liegt.»

In den meisten Gebieten Frankens sind die Sorten Müller-Thurgau, Bacchus und Kerner schon eingebracht. «Vor allem der Müller-Thurgau ist als frischer und fruchtiger Wein optimal gelungen», sagt der Chef des Weinbauverbands, Hermann Schmitt. Auch im Saale-Unstrut-Tal haben die Weinbauern der Winzervereinigung Freyburg eG bereits einen großen Teil der Trauben gelesen. «Mit der Qualität kann man zufrieden sein», meint der Geschäftsführer der Winzervereinigung, Gerald Lange. (dpa)


Hintergrundinformationen:
In Deutschland werden nach Zahlen des Deutschen Weininstituts rund 140 Rebsorten angepflanzt. Große Bedeutung für den Markt besitzen etwa zwei Dutzend, allen voran Riesling und Müller-Thurgau. Auf beide Sorten zusammen entfallen rund 54 Prozent der Rebfläche bei den Weißweinen (Stand: 2006). Bei den Roten sind rund ein Drittel der Weinberge mit Spätburgunder bepflanzt. Insgesamt stehen in Deutschland von der Elbe bis zum Bodensee auf knapp 102.000 Hektar Reben, davon auf rund 63 Prozent Weißwein und auf 37 Prozent Rotwein.

Zu den klassischen Weißweingebieten zählen Mosel und Rheingau. Südlich gelegenere Regionen wie Württemberg und Baden haben dagegen eine beachtenswerte Rotweintradition. Weitere wichtige Rebsorten: Silvaner, Grauburgunder, Kerner und Weißburgunder (alle weiß) sowie Portugieser, Trollinger, Regent, Lemberger (alle rot).

Qualitätsweine müssen zu 100 Prozent aus einem der 13 deutschen Anbaugebiete stammen. Das Mindestmostgewicht liegt zwischen 50 und 72 Grad Oechsle. Für Prädikatsweine (früher: Qualitätswein mit Prädikat) gelten höhere Anforderungen. Bei diesen Weinen darf etwa dem Most kein Zucker zur Erhöhung des Alkoholgehaltes zugesetzt werden. Es gibt sechs Prädikatsstufen in aufsteigender Reihenfolge: Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein. Maßstab sind wiederum unterschiedliche Mindestmostgewichte. Das Mostgewicht kennzeichnet das Gewichtsverhältnis von einem Liter Most zu einem Liter Wasser bei 20 Grad Celsius. Daraus lässt sich der maximal mögliche Alkoholgehalt des späteren Weines ableiten.

> Traubensorten im Überblick
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