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07.10.2010 | 19:00

Erneut verheerende Korallenbleiche

Singapur - Erschreckende Bilder aus dem Meer alarmieren Korallenforscher: bis zu 90 Prozent ausgeblichene Korallenbänke in den Gewässern Thailands, bleiche Riffe vor der Küste Sumatras und jetzt auch in der Karibik.

Korallenriff
Die hohen Wassertemperaturen der vergangenen Monate sind die Ursache. Bleiche Korallen sind anfällig für Krankheiten und drohen abzusterben. Das hätte verheerende Folgen, weil die Korallenbänke vielen Fischarten als Kinderstube dienen.

«Korallen leben in Symbiose mit bestimmten Algen. Die Korallen halten die Algen wie Gefangene und zwingen sie, Zucker zu produzieren», sagt Clive Wilkinson vom Zentrum für Riff- und Regenwaldforschung in Townsville in Australien. «Wenn die Wassertemperaturen zu hoch sind, werden die Algen giftig. Dann spucken die Korallen sie praktisch aus. Die Korallen leben zwar noch, aber es fehlt ihnen der Zucker, sie werden anfällig für Krankheiten, haben keine Energie zum Laichen und sterben ab.» Die Algen sorgen auch für die leuchtenden Korallenfarben. Ohne Algen sind sie blass.

Wilkinson leitet ein Institut, das den Zustand der Korallen weltweit regelmäßig ermittelt - das Global Coral Reef Monitoring Network (GCRMN). Er ist alarmiert. «Das könnte so schlimm werden wie 1998», sagt er. Damals gingen 16 Prozent der Korallen weltweit verloren. In diesem Jahr lagen die Temperaturen wieder deutlich und vor allem über Wochen über dem Durchschnitt.

«Das hat in Südostasien zu extrem schwerer Bleiche geführt», sagte Mark Eakin, Direktor des Korallenprogramms der US-Ozeanbehörde NOAA Anfang September in einem Vortrag. «Es war schwer, dort überhaupt noch Korallen zu finden, die nicht geblichen sind.» Weltweit gesehen war es von Januar bis August dieses Jahres genauso heiß wie im Rekordjahr 1998 - 0,67 Grad über dem Mittel des 20. Jahrhunderts.

Noch Schlimmeres befürchtet er jetzt für die Karibik: «Da ist die Situation richtig ernst», sagte Eakin. «Nur ein paar schwere Stürme könnten noch dafür sorgen, dass unsere düstere Vorhersage nicht eintrifft.» Hurrikans kühlen das Wasser ab. Das Barrier Reef in Australien ist mit dem dort bevorstehenden Sommer auch in der Gefahrenzone. «Wir haben aber in diesem Jahr viel Regen und rechnen mit Zyklonen», sagt Wilkinson.

Korallen sind Nesseltiere, die fast ausschließlich in tropischen Gewässern leben. Die Kalkskelette der Steinkorallen bilden kilometerlange Riffe. In den Nischen und Mulden leben Krebse, Seesterne und andere Kleintiere. Viele Fische nutzen Korallenbänke als Kinderstube, weil ihre Kleinen sich dort vor Raubfischen verstecken können. «Die Riffe sind die Grundlage für komplexe Nahrungsmittelketten», sagt Wilkinson. «Fische, die an Korallenriffen leben, sind eine bedeutende Nahrungsmittelquelle für mehr als eine Milliarde Menschen», schätzt die US-Ozeanbehörde.

Es gebe viele Auslöser für eine Korallenbleiche, sagt Eakin. «Aber wenn das Phänomen so großflächig auftritt wie jetzt, kann das nur an höheren Wassertemperaturen liegen.» Seit 1979 gab es nach Angaben der NOAA sieben Bleichen - alle temperaturbedingt. Wilkinson hat auch keinen Zweifel am Einfluss des Klimawandels. «Bei der großen Korallenbleiche 1998 sprachen noch viele von einem Jahrtausend- Vorkommen, bei der Bleiche in der Karibik 2005 wieder - und jetzt schon wieder? Da kann doch etwas nicht stimmen.»

Schnelle Lösungen gibt es nicht. In Australien gab es Experimente mit Schattendächern für Korallenriffe. «Das kann ein Tauchbetrieb an einem kleinen Riff machen, wo es seine Gäste immer hinbringt», sagt Wilkinson. «Aber großflächig - unmöglich. Wer hat denn die vielen Milliarden Dollar, die dafür nötig wären?» Weil in Thailand in diesem Jahr aus so vielen Korallenbänken die Farbe gewichen ist, erkunden nun manche Tauchclubs mit ihren Gästen eher Wracks am Meeresboden.

Der konsequente Schutz des Meeres sei das einzige, was die Korallen retten kann. Ohne Reduzierung der Treibhausgase, die für die
Luft- und Meereserwärmung verantwortlich sind, gehe es nicht, sagt Wilkinson. Allerdings hat der Wissenschaftler einen
Hoffnungsschimmer: So wuchsen auf der Hälfte der Riffe, die ihre Korallen bei der Bleiche 1998 verloren hatten, wieder Korallen nach.

«Auf den Malediven waren praktisch alle Korallen tot», sagt er.
«Ein paar Jahre später siedelten sich dann doch wieder junge Korallen an - ein paar überlebende Korallen hatten erfolgreich Larven produziert», sagt er. «Aber das ist wie nach einem Waldbrand: Die schnell wachsenden Arten kommen als erste zurück und breiten sich aus. Die langsam wachsenden Arten, die aber oft robuster sind, haben es schwer. Es ist nachher nie mehr so wie vorher.»


Korallen in Zahlen

- Korallen bedecken etwa 284.800 Quadratkilometer Meeresboden, der größte Teil davon, 150.000 Quadratkilometer, liegt zwischen Südostasien und Australien. Insgesamt entspricht die Fläche 0,015 Prozent des Ozeans - oder einer Fläche so groß wie Deutschland ohne Bayern.  

- Es gibt mehr als 800 Steinkorallen-Arten und hunderte Weichkorallen.   - Die meisten Korallen leben in 18 bis 27 Meter tiefen Tropengewässern, die zwischen 21 und 29 Grad warm sind.  

- 27 Prozent der Steinkorallen sind nach Angaben der Internationalen Naturschutzunion (IUCN) vom Aussterben bedroht. 

- Rund 19 Prozent der Korallenriffe weltweit sind nach Schätzungen des Korallenriff-Überwachungsnetzwerks (GCRMN) abgestorben. 35 Prozent sind in Gefahr.

- 500 Millionen Menschen sind auf die Korallenriffe ganz oder teilweise angewiesen

- weil sie auf Atollen leben, Fische fangen, die an den Riffen aufwachsen oder vom Tauch-Tourismus leben. Das schätzt die US-Ozeanbehörde NOAA. 

- Als Wirtschaftsfaktor sind Korallenriffe nach Schätzung der NOAA jedes Jahr rund 375 Milliarden Dollar wert - wegen des Fisches, der an Korallenbänken lebt und wächst, als natürlicher Küstenschutz und für den Tourismus. (dpa)
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