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14.01.2023 | 01:19 | Speisepilze 

Hochsaison für Winterpilze

Drebkau - «Das könnte eine Mahlzeit werden, von der man satt wird», sagt Lutz Helbig.

Pilze im Wonter?
Für echte Pilzfans ist die Saison im Herbst noch nicht vorbei. Im Winter verbirgt sich im Laubwald für Kenner so manche schmackhafte Pilzart. Unkundige sollten allerdings Berater zur Seite haben. (c) proplanta
Der Pilzsachverständige steht an diesem Wintertag in einem Waldstück bei Drebkau in Südbrandenburg und zeigt auf Austernseitling, Samtfußrübling und Judasohr. Für manchen Laien sind diese Winterpilze nicht sofort zu erkennen - für den Fachmann ist das kein Problem. Pilzsaison sei eigentlich das ganze Jahr, auch in den Wintermonaten, von November bis Februar zum Beispiel, können Kenner den Korb für schmackhafte Gerichte füllen.

Die essbaren Winterpilzarten sind derzeit in Laubwäldern auf Totholz zu finden, etwa an Birken, Buchen, Linden oder Robinien. Sie brauchen zum Wachsen einen Kältereiz mit Temperaturen um den Gefrierpunkt und Niederschlag, Sammler können durchaus fündig werden. Voraussetzung ist allerdings, dass sich Interessierte auskennen, denn beispielsweise der schmackhafte gelb-orange Samtfußrübling könnte auch mit dem Trompetenschnitzling oder dem tödlich wirkenden Gift-Häubling verwechselt werden, warnt Helbig.

«In diesem Wald mit viel Totholz würde niemand auf die Idee kommen, Pilze zu suchen, das sind typische Winterhabitate», freut sich der Pilzfachmann, in dessen Küche Austernseitlinge gern gesehen werden, etwa bei der Zubereitung von Gulasch. Er gibt den Tipp, sie wegen des Aromas vorher anzubraten. Laut Experten macht der hohe Proteingehalt Austernpilze für Vegetarier und Veganer interessant. Zudem wird ihnen eine heilende Wirkung nachgesagt.

Helbig zeigt auf seinem Gang durch den Wald auf ein anderes totes Holzstück, an dem Pilze wachsen, die wie Ohrmuscheln aussehen. Judasohren sind Ohrlappenpilze, die häufig auf Schwarzem Holunder zu finden sind, aber auch auf anderen etwa 20 toten Laubgehölzen. Wegen ihrer knackigen Konsistenz sind sie beliebt. Die Pilzart stammt aus dem asiatischen Raum und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals in Deutschland nachgewiesen. In der asiatischen Küche wird der Pilz auch als China-Morchel oder Mu-Err-Pilz bezeichnet.

Der Pilzsachverständige erzählt in diesem Zusammenhang auch gern die bekannte Geschichte des einprägsamen Namens. Nachdem Judas den Verrat an Jesus begangen hatte, soll er sich an einem Holunderstrauch aufgehängt haben. Als Zeichen Gottes sollen die Ohren von Judas anschließend aus dem Stamm des Strauches gewachsen sein.

Die von ihm genannten Arten sind Saprophyten - sogenannte Zersetzerpilze. Helbig nennt sie auch die «Recycler der Natur». Sie ernähren sich von abgestorbenen pflanzlichen oder tierischen Überresten. Gemeinsam mit Bakterien zersetzen sie diese und sorgen dafür, dass die organischen Ausgangsstoffe dem Naturkreislauf wieder zurückgeführt werden.

«Sie zerbasteln das, was an Holz und organischer Substanz da ist, wieder in Humusbestandteile, davon profitieren Pflanzen und Tiere», weiß Helbig, der auch Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V. ist. (DGfM). Nach DGfM-Angaben gibt es über 13.600 Großpilze in Deutschland, ungefähr 200 davon sind essbar, etwa 150 von ihnen giftig, circa 10 davon können tödlich enden.

Auch der Goldgelbe Zitterling ist im Winter zu finden - ein essbarer Pilz, der sich parasitisch ernährt. Er fresse andere holzzersetzende Pilze auf, erklärt Helbig. Zudem ist er geruch- und geschmacklos und wird dem Experten zufolge eher für Soßen verwendet.

Auch nicht essbare oder ungenießbare Winterpilze haben derzeit Hochsaison. In einem Waldstück könnte er derzeit bis zu 50 Arten ausmachen, schätzt der Pilzsachverständige. Darunter seien ungenießbare wie die Schmetterlingstramete oder der Zunderschwamm.

Auch der nicht essbare Gestreifte Teuerling kann als Herbstvertreter im Winter noch entdeckt werden. Hinter dem Namen verbirgt sich laut Helbig wieder eine Sage. Der Überlieferung zufolge befürchteten Menschen im Mittelalter bei einem vermehrtem Auftreten des Pilzes - dessen Sporenbehälter an Geldmünzen erinnern - Teuerungen.

Beim Pilzsammeln sollten sich Neugierige nicht selbst überschätzen, warnt der Fachmann. Bei Unkenntnis oder Zweifeln sollte immer eine der Pilzberatungsstellen im Land aufgesucht werden. Von einer App zur Pilzbestimmung rät der Experte ab. Hilfe für Anfänger biete eher ein neueres Pilzbuch. «Wir reden über Nahrungsmittel, bei dem es um Leben und Tod gehen kann.»
dpa/bb
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