Die Tiere kommen aus den Schneckenhäusern und strecken sich auf leckeren Salatblättern aus, in Zeitlupe natürlich. Salat bekommen sie sonst nie.
Normalerweise kommen bei Angelika Dickel nur tote Schnecken auf den Tisch. Gerade köcheln welche, stundenlang und mit Gemüse. Die 55-jährige Züchterin wird später davon eine Kostprobe nehmen, viel kauen und langsam essen. «Schnecken sind reines Muskelfleisch», sagt Dickel. Sie haben viel Eiweiß und Energie. «Erdig-nussig-pilzig im Geschmack.»
Dickel hat eine Schneckenfarm in Moers am Niederrhein: Wohl über 500.000 Weinbergschnecken mit dem wissenschaftlichen Namen
Helix Pomatia fressen, kriechen und kleben auf 18 eingezäunten Feldern. Dickels Betrieb sei einer der großen in Deutschland, sagt der Chef des Verbandes für artgerechte Schneckenzucht in Deutschland, Klaus Krebs.
Angesichts der Billig-Konkurrenz aus dem Osten sei die Schneckenzucht ein schwieriges Geschäft: Wer überhaupt noch was verdienen wolle, müsse ab Hof vermarkten. In Deutschland gebe es rund 20 Züchter. Klar, dass der Verbandschef deren Produkte schmackhafter findet als die Importware.
Auf Dickels Feldern stehen Brennnesseln. Anfangs, vor zehn Jahren, habe sie es mal übertrieben und tatsächlich Salat und Mangold für die Schnecken gepflanzt. Aber vor lauter Schnecken habe man nicht mehr treten und die Felder nicht pflegen können. Jetzt kriegen die Tiere nur noch Brennnesseln. Es gibt keinen Dünger, keine Zusätze, nur Brennnesseln. «Schnecken lieben Brennnesseln», sagt auch Schneckenzüchter-Verbandschef Krebs.
Angelika Dickel liebt Schnecken - nicht nur zwischen den Zähnen. Wenn ihr im Alltag mal alles zu bunt wird, geht sie «Schneckies gucken». Und ist dann ganz schnell wieder ruhig, wie sie sagt. Ihre Eltern hätten schon gern Schnecken gegessen, und sie sei selbst mit Schnecken auf dem Teller großgeworden. Vor zehn Jahren fing sie dann selbst mit der Zucht an, und hängte ihren Job als Bauführerin an den Nagel.
In der gehobenen Gastronomie sind ihre Schnecken angekommen, in Berlin, auf Sylt, auch in der feineren Küche der Region. Aber ihr Produkt habe es schwer: «Deutsche essen keine Schnecken.» In den 70er Jahren seien Schnecken in der feineren Küche noch «in» gewesen.
Da war Sternekoch Tristan Brandt aus Mannheim noch gar nicht geboren. Der 30-Jährige hat eine einfache Erklärung dafür, warum viele Deutsche keine Schnecken essen: «Es ist immer noch in den Köpfen der Leute, dass sie Schnecken in Verbindung mit schleimig und ekelig bringen.» Schnecken seien eher etwas für die Spitzenrestaurants mit drei Sternen, nicht fürs breitere Publikum. In Frankreich, da sei das ganz anders.
Dickels Schnecken brauchen lange drei bis vier Jahre, bis sie gegessen werden können. Im August und September ist es wieder so weit: Dann heißt es Sammeln, waschen, in heißem Wasser brühen, die Häuschen abnehmen, stundenlang köcheln, schockfrosten. Alles Handarbeit.
Zwar schauen sich die
Landfrauen aus der Region gerne mal die Schneckenzucht an, aber probieren wollen viele dann doch nicht. Ein Tässchen Kaffee und ein Stückchen Kuchen, das nehmen sie.