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26.06.2017 | 09:33 | Kinderschutz 

Kinder vor familiären Problemen schützen

Dresden - Angesichts der steigenden Zahl von Kindern, die in Obhut genommen werden, setzen sich Experten für eine bessere Vernetzung von Ärzten und anderen Akteuren des Kinderschutzes ein.

Kinder vor familiären Problemen schützen
Experten sprechen von einer neuen Morbidität: 20 Prozent der Kinder wachsen mit erheblichen psychosozialen Belastungen auf. Sie erleben mehr Unfälle, mehr Gewalt, mehr TV-Konsum und sind häufiger krank. Um ihnen zu helfen, sind nicht nur Ärzte gefragt. (c) proplanta
«Der Situation ist alarmierend, wenn wir bedenken, dass in unserer Wohlstandsgesellschaft Kinder vernachlässigt werden», sagte Simone Hartmann, Leiterin der Techniker Krankenkasse Sachsen. «Die Ursachen sind vielschichtig und verlangen nach interdisziplinären Netzwerken.»

Nach Angaben des Sozialministeriums wurden 2015 in Sachsen mehr als 4.100 gefährdete Kinder und Jugendliche in staatliche Obhut genommen - 1.300 mehr als im Jahr zuvor. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.

Zwar sei dieser deutliche Anstieg vor allem auf die 2015 eingereisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zurückzuführen, sagte eine Ministeriumssprecherin. Aber auch unabhängig davon sei in den vergangenen Jahren eine Zunahme der Inobhutnahmen zu verzeichnen.

«Die meisten Inobhutnahmen - abgesehen von denen unbegleiteter minderjähriger Ausländer - gehen mit Überforderung der Eltern beziehungsweise eines Elternteils einher.» Häufig gingen Vernachlässigungen und Misshandlungen voraus.

«Befördert werden können familiäre Eskalationen auch durch wirtschaftliche Probleme, Arbeitslosigkeit, Armut, Missbrauch von Alkohol und Drogen, psychische Auffälligkeiten, Dissozialität etcetera.» Die Fachwelt spreche auch von einer «Zunahme von multikomplexen Problemstellungen in Familien».

Das sieht auch Raimund Geene, Professor für angewandte Kindheitsforschung an der Hochschule Magdeburg-Stendal, so. Zwar seien die Kinder heute so gesund wie noch nie, sagte er jüngst bei einer Fachtagung in Dresden. «Aber das gilt nicht für 20 Prozent der Kinder mit den größten sozialen Schwierigkeiten.» Es gebe eine «neue Morbidität».

«Jedes fünfte Kind wächst mit erheblichen psychosozialen Belastungen auf. Kinder in schwieriger sozialer Lage erleben mehr Unfälle, mehr Gewalt, mehr TV-Konsum, haben weniger Bewegung und abwechslungsreiche Ernährung und daher Übergewicht, ADHS, Depressionen.»

Um auf Entwicklungsstörungen, emotionaler Unter- und Überforderung und auch Vernachlässigung oder Misshandlung möglichst früh aufmerksam zu werden, gelten seit dem vergangenen Jahr neue Regeln bei den sogenannten U-Untersuchungen der Kinderärzte. Wesentliches Element ist dabei die Beobachtung der Interaktionen des Kindes mit den Eltern.

Die Umsetzung der neuen Richtlinien war Thema der Fachtagung. «Es geht bei dem neuen Kinderschutzbegriff darum, die Eltern als Bündnispartner mit zu integrieren. Also nicht zu kontrollieren, sondern zusammen zu arbeiten», erklärte Geene.

Betroffenen Eltern müssten Angebote gemacht werden, doch dafür bräuchten die Ärzte erst einmal die entsprechenden Informationen, sagte Anja Zschieschang, Organisatorin des Dresdner Treffens. Ziel sei es, «die Kinderärzte mit ihren regionalen Netzwerken der frühen Hilfen zusammenzubringen und einzubinden.»

Die Fachtagung Ende Mai war deshalb auch nur als «Initialzündung» zu verstehen, sagte die Diplom-Psychologin. «Darauf folgend werden wir alle sächsischen Kinderärztestammtische besuchen, um die Vernetzung vor Ort direkt zu unterstützen.»
dpa/sn
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