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29.12.2013 | 08:46 | Schwere Bakterien-Infektion 

Ursprung der Legionellen-Infektionswelle nach wie vor unklar

Warstein - Man kann sie nicht sehen, nicht riechen, nicht schmecken - aber Legionellen können lebensbedrohliche Erkrankungen auslösen.

Schwere Bakterien-Infektion
(c) gunnar assmy - fotolia.com
In Warstein erkrankten im August und September mehr als 160 Menschen an einer durch die Bakterien ausgelösten Lungenentzündung, zwei Infizierte starben.

Auch nach mehr als einem Vierteljahr ist die Ursache der Erkrankungswelle noch nicht geklärt. Die Bakterien, die gefährlich werden können, wenn sie in winzigen Wassertröpfchen eingeatmet werden, wurden in Kläranlagen, in einem Fluss und in einer Industrie-Kühlanlage nachgewiesen. Die Experten wissen zwar, wie sich die Krankheit verbreitete, wo die Legionellen aber erstmals auftauchten, weiß niemand.

Glücklicherweise hatten die Ärzte des städtischen Krankenhauses schnell den richtigen Verdacht und damit auch die richtigen Medikamente verabreicht, so dass im Vergleich zu anderen Legionellen-Ausbrüchen verhältnismäßig wenig Menschen starben.

Schnell stand die Industrie-Kühlanlage im Verdacht, die Krankheitserreger in winzigen Wassertröpfchen über der Stadt zu verbreiten. Nach dem Abschalten der Anlage dauerte es wegen der Inkubationszeit noch zwei Wochen, bis die Neuerkrankungen abflauten.

Klar scheint derzeit lediglich, dass niemand fahrlässig oder vorsätzlich für das Entstehen und die Verbreitung der Krankheitserreger verantwortlich ist. Die Staatsanwaltschaft in Arnsberg hat bei ihren Ermittlungen bisher keine Hinweise darauf gefunden, dass jemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann.

Die Menschen in Warstein blieben trotz der Erkrankungswelle, die auch eine Reisewarnung für ihre Stadt zur Folge hatte, gelassen. «Die wollen da nichts mehr von hören», sagt Warsteins Bürgermeister Manfred Gödde. Aber dem Image der Stadt hätten die Legionellen nachhaltig geschadet. «Man wird noch immer überall bedauert», sagt der Bürgermeister. Nun allerdings profitiere er auch davon: «Wenn ich irgendwo ein Anliegen habe, stehen die Türen offen. Alle wollen helfen, dass wir wieder nach vorn kommen.»

Denn auch der wirtschaftliche Schaden war immens. Gödde schätzt, dass er sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag summiert - durch Ausfälle in vielen Bereichen, bei Geschäften, Tourismus und Industrie etwa. «Hier war ja überall tote Hose», sagt er. Ausrechnen könne man das gar nicht genau. «Man weiß ja nicht, wie viele paar Schuhe ein Laden verkauft hätte oder wie viele Würstchen am Imbiss über die Theke gegangen wären», sagt Gödde.

Im September war die Montgolfiade, das größte Ballonfahrerfest Europas mit mehr als 100.000 erwarteten Besuchern wegen der Ansteckungsgefahr abgesagt worden. Auch die Warsteiner Brauerei litt unter der Infektionswelle. Nachdem auch im Klärbecken der Brauerei die Bakterien nachgewiesen worden waren, ging der Verkauf spürbar zurück.

Mittlerweile soll sich das Geschäft wieder erholt haben, Angaben zum aktuellen Geschäft oder zu den Umsatz-Einbußen durch die Legionellen macht das Unternehmen aber nicht. Man gehe davon aus, dass die Bakterien nicht in der Brauerei-eigenen Kläranlage entstanden sind, sondern sehe sich als eines der vielen Opfer, teilte die Brauerei mit.

Auch wenn noch unklar ist, wo die gefährlichen Bakterien ihre erste Brutstätte hatten, haben die Experten durch die Krankheitswelle in Warstein wichtige Erkenntnisse gewonnen. «Wir hatten bisher die Kläranlagen nicht so sehr im Blick», sagt der Wasser-Experte Martin Exner vom Bonner Hygiene-Institut. Außerdem seien nun endlich deutlich verbesserte Vorschriften für die Wartung und Registrierung von industriellen Rückkühl-Anlagen auf dem Weg. «Diese Anlagen sind zumindest bei der Verbreitung der Bakterien beteiligt», sagt Exner.

Nach dem Legionellen-Ausbruch in Warstein und dem Fund der Bakterien in den Kläranlagen der Stadt ließ das Land auch andere Kläranlagen untersuchen. Dabei wurden zeitweise auch in Kreuztal und Herford erhöhte Werte gemessen. Exner geht davon aus, dass die zum Teil explosionsartige Vermehrung der Bakterien mit den Temperaturen und organischen Rückständen im Abwasser zu tun hat. «Das scheinen Faktoren zu sein, die das begünstigen. Das muss man im Auge behalten», sagt Exner.

Im kommenden Jahr will das Umweltministerium in Düsseldorf eine Expertenkommission einberufen, die sich noch einmal mit dem Legionellen-Ausbruch in Warstein befassen soll. Dabei sollen dann auch ähnliche Vorfälle in Deutschland und Europa aufgearbeitet werden, um solche Krankheitswellen künftig besser verhindern zu können. Exner begrüßt die Anstrengungen. Er habe schon seit Jahren bessere Vorschriften angemahnt.

«Aber bis zum Erkennen eines gesundheitlichen Problems und der kompletten Aufarbeitung und einer gesetzlichen Regelung vergehen erfahrungsgemäß immer mindestens 20 Jahre.» (dpa)
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