Das Anfang September vorgelegte Agrarpaket habe unter Landwirten Frust und Zukunftssorgen hervorgerufen. «Berlin scheint völlig ausgeblendet zu haben, dass diese Maßnahmen auch finanziert und praktisch auf der Fläche umgesetzt werden müssen», sagte Mecklenburg-Vorpommerns
Bauernpräsident Detlef Kurreck.
Er fordert im Namen der Verbandsmitglieder Korrekturen am Reformpapier und erwartet Unterstützung von der Landespolitik. Dies wollten die Bauern aus Mecklenburg-Vorpommern am Donnerstag bei einer großen Protestaktion vor dem Landtag in Schwerin deutlich machen.
Erste Adressaten dieser «Dialogdemo» seien die Abgeordneten. «Als Landespolitiker tragen sie Verantwortung für
MV und somit auch für unsere Landwirtschaft und den ländlichen Raum», betonte Kurreck.
Das von Bundes-Umweltministerin Svenja Schulze (
SPD) und -Agrarminsterin Julia Klöckner (
CDU) vorgelegte Papier sieht unter anderem Einschränkungen für den heftig umstrittenen Unkrautvernichter
Glyphosat vor, ein freiwilliges
Tierschutzlabel, mehr Geld für Umwelt- und
Klimaschutz und ein Aktionsprogramm für Insektenschutz.
Die Vorgaben durch die Politik gehen vielen Bauern aber deutlich zu weit, was sie nicht nur mit Demonstrationen, sondern auch mit dem Aufstellen grüner Kreuze auf Feldern bundesweit deutlich machen.
Laut Kurreck wären in Mecklenburg-Vorpommern aktuellen Schätzungen zufolge 46 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche von den neuen Vorgaben betroffen. «Jeder Hektar ist die Arbeits- und Einkommensgrundlage eines Landwirts. Wenn jedoch die Bundesregierung uns immer weitere Verbote vor die Nase setzt, ohne uns eine Einkommensalternative für die eingeschränkte Nutzbarkeit der Flächen zu geben, dann wird das den
Strukturwandel unaufhaltsam vorantreiben und viele
Betriebe zerstören», warnte Bauernpräsident Kurreck.
In der Folge finde immer weniger regionale
Lebensmittelproduktion statt. «Stattdessen wird die Herstellung von
Lebensmitteln ins Ausland verlagert. Dort haben wir dann keinen Einfluss mehr auf Tierwohl, Klima- und
Naturschutz oder die Lebensmittelqualität», nannte Kurreck als mögliche Folgen. Bauernvertreter hatten in der Vergangenheit immer wieder darauf verwiesen, dass es bei Verbrauchern in Deutschland zudem nur eine begrenzte Bereitschaft gebe, für höhere Umwelt- und Tierwohlstandards auch höhere Preise in Kauf zu nehmen.
Kurreck verwies aber auch auf schon laufende Initiativen der Bauern zum Klima- und Naturschutz, allerdings auf Basis von Kooperationen. Dazu gehörten das Anlegen von Blühflächen für Insekten, der Anbau von Zwischenfrüchten und der Ökolandbau. «Diesen Weg wollen wir weiter gehen, aber mit Verboten wird die Bundesregierung diesen Weg nicht ausbauen, sondern blockieren», warnte Kurreck.
Burkhard Roloff, Agrarexperte des Umweltschutzverbandes BUND, indes befürwortete schärfere Naturschutzvorgaben für die Landwirtschaft und erneuerte die Kritik an den industriellen Produktionsmethoden. «Es gibt genug Belege, dass die industrielle Tier- und
Pflanzenproduktion massiv zum
Artensterben in der Agrarlandschaft beiträgt», sagte er.
Das Bauernhof-Sterben komme nicht von Umweltauflagen. «Es ist markt- und politikgemacht. Jahrelang waren die Betriebe zur Intensivierung gezwungen, denn Wirtschaft, Wissenschaft und Beratung drängten darauf, dass Bäuer*innen möglichst günstige Agrarrohstoffe in großer Menge produzieren», argumentierte Roloff.
Die aktuellen
Bauernproteste gegen das Agrarpaket des Bundes seien Ausdruck der Wut und zugleich auch der Hilflosigkeit vieler Bauern. «Proteste sind in einer Demokratie legitim. Schwierig wird es, wenn der Protest ein Opfermythos transportiert und zu einer Verweigerungshaltung führt», sagte Roloff und forderte damit mehr Bereitschaft zu einem Kurswechsel.
Der
BUND unterstütze Bestrebungen, die EU-Agrarförderung prinzipiell umzustellen. Statt den Großteil der Milliarden-Zuwendungen pauschal als
Flächenprämie auszureichen, sollten Bauern honoriert werden, die mehr als vorgeschrieben für Klima, Boden,
Tierwohl und
Biodiversität machen. «Damit könnte gesellschaftlich gewollter Naturschutz ein wirtschaftlich attraktiver Betriebszweig werden», zeigte sich Roloff sicher.