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13.06.2018 | 08:27

Abgas-Skandal: Härteres Durchgreifen gegen Konzerne gefordert

Dieselkrise
Das Ausmaß von Diesel-Manipulationen in der deutschen Autoindustrie wird immer größer - und der Ton gegen die Konzerne schärfer. Auch das Krisenmanagement der Politik im jüngsten Fall gerät in die Kritik. (c) proplanta

Betrogen und manipuliert - Die Diesel-Krise im Überblick



Allmählich müsste diese Diesel-Sache doch mal durch sein, denkt man - und liegt ein ums andere Mal daneben. Immer neue Details bei deutschen Autobauern kommen ans Licht. Und der Skandal nimmt immer größere Ausmaße an.

Stuttgart - Es begann mit VW, dann kippte ein Steinchen nach dem anderen um. Mittlerweile sind viele deutsche Autohersteller in den Abgas-Skandal verwickelt, es gibt Ermittlungen und unzählige Klagen. Volkswagen-Anleger werfen dem Konzern vor, zu spät über den sich anbahnenden Skandal in den USA informiert zu haben. Zudem verlangen Autobesitzer - nicht nur von VW - Schadenersatz oder Geld zurück, da sie sich getäuscht fühlen. Und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat massenhaft Rückrufe verordnet. Ein Überblick:

VW

Die Abgas-Affäre bleibt für Volkswagen ein juristischer Großkampf. Der Konzern hatte im September 2015 eingeräumt, bei Millionen Dieselautos Abgastests manipuliert zu haben. Etwa 1,5 Millionen Autos der Marke VW mit Manipulations-Software musste der Konzern hierzulande zurückrufen. Inklusive anderer Konzern-Marken waren es ursprünglich fast 2,5 Millionen in Deutschland und weltweit knapp 11.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen fast 50 mutmaßlich Beteiligte. Anklagen gibt es bisher nicht. Gegen Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn laufen - wie auch gegen den neuen VW-Chef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch - Untersuchungen wegen möglicher Marktmanipulation. Sie sollen Anleger zu spät über die drohenden Konsequenzen des Diesel-Skandals informiert haben.

Gegen Winterkorn wird zusätzlich wegen Betrugs ermittelt. Zudem will ihn die US-Justiz wegen Betrugs in der Abgasaffäre zur Rechenschaft ziehen und hat einen Haftbefehl gegen ihn erwirkt. Ferner werfen ihm die Ankläger Verschwörung zum Verstoß gegen Umweltgesetze und zur Täuschung der Behörden vor.

Audi

Die VW-Tochter lieferte am Montag den jüngsten Höhepunkt im Diesel-Skandal. Die Münchner Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren gegen Chef Rupert Stadler ein und durchsuchte seine Wohnung. Sie legt ihm und einem namentlich nicht genannten Audi-Vorstand «Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung» zur Last. Die beiden hätten Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung in Europa in den Verkehr gebracht.

Die Zahl der Beschuldigten bei Audi ist damit laut Staatsanwaltschaft auf 20 gestiegen. Als einziger von ihnen sitzt ein ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand in Untersuchungshaft. Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten Untersuchungshaft freigekommen.

Das KBA hat für 216.000 Audi-Diesel einen Rückruf angeordnet, zuletzt ging um rund 60.000 Exemplare der Oberklasse-Typen A6 und A7.

Porsche

Seit knapp einem Jahr ermittelt Staatsanwaltschaft Stuttgart auch bei der VW-Tochter. Es geht um den Verdacht von Betrug und strafbarer Werbung im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Manipulation der Abgasnachbehandlung.

Richteten sich die Ermittlungen zunächst gegen unbekannte Mitarbeiter, gerieten später ein aktueller Vorstand, ein leitender Mitarbeiter und ein früherer Porsche-Beschäftigter ins Visier. Vor knapp zwei Monaten durchsuchten Ermittler die Konzernzentrale sowie weitere Standorte und nahmen den leitenden Mitarbeiter wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr in U-Haft.

Im Sommer 2017 hatte Porsche 21.500 Geländewagen vom Typ Cayenne mit 3-Liter-Motor wegen einer vom KBA beanstandeten Abschalteinrichtung zurückrufen müssen. Vor knapp einem Monat folgte ein Zwangsrückruf für weitere gut 6.750 Cayenne mit 4,2-Liter-Motor sowie für gut 52.800 Exemplare des kleineren Geländewagen-Bruders Macan mit 3-Liter-Motor.

Daimler

Chef Dieter Zetsche musste sich am Montag eine bittere Pille bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) abholen: 774.000 Mercedes-Benz-Diesel muss Daimler europaweit zurückrufen. Justiz und Behörden haben den Konzern schon länger im Visier. Erst vor zwei Wochen aber erhob das KBA erstmals offiziell den Vorwurf, auch die Stuttgarter hätten eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet.

Von nur 5.000 Exemplaren des Kleintransporters Vito war zunächst die Rede - dann legte Scheuer nach. Daimler hat Widersprüche angekündigt und will die Frage, ob es sich bei den entdeckten Programmierungen um unzulässige Funktionen handelt, notfalls vor Gericht klären lassen.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt schon seit über einem Jahr wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung gegen Daimler-Mitarbeiter. Im Mai 2017 durchsuchten Ermittler diverse Standorte des Autobauers und stellten Unterlagen sicher.

BMW

Die Staatsanwaltschaft München verdächtigt BMW, in 11.000 Dieselautos eine falsche Abgas-Software eingebaut zu haben. Betrug mit einer «prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtung», so der Anfangsverdacht.

Chef Harald Krüger hatte auf der Hauptversammlung gesagt, bei 11.700 Autos der 5er- und 7er-Baureihen sei irrtümlich die Software einer anderen Baureihe aufgespielt worden. Mit gezielter Manipulation von Motorsteuerung und Abgasreinigung habe das nichts zu tun. Nach KBA-Genehmigung will BMW die richtige Software installieren.

Opel

Opel hat bisher weder mit Ermittlungen der Justiz noch mit einem Pflicht-Rückruf zu tun. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte Vorermittlungen eingestellt. Wie die anderen Hersteller lehnt Opel Hardware-Nachrüstungen als nicht praktikabel ab. Das freiwillige Update der Software an 90.000 Dieselfahrzeugen der Typen Insignia, Cascada und Zafira mit Harnstoff-Katalysatoren verzögerte sich bis ins Jahr 2017. Die Wagen seien je nach Modell bereits zu bis zu 80 Prozent umgerüstet, erklärte ein Opel-Sprecher am Dienstag. Neue Autos werden seit August 2016 mit der neuen Software ausgerüstet.

Und in den USA?

Dort steckt die deutsche Autobranche schon länger im Abgas-Sumpf. Es begann mit dem Geständnis des Volkswagen-Konzerns 2015. Inzwischen hat VW über 25 Milliarden Euro an Rechtskosten für die Manipulationen verbucht. Weiter bangen müssen der Zulieferer Bosch, dem US-Anwälte eine Schlüsselrolle im «Dieselgate»-Skandal zuschreiben, sowie Daimler und BMW, gegen die ebenfalls Sammelklagen wegen angeblicher Abgas-Manipulationen laufen. Beschuldigt werden aber nicht nur Deutsche: Die US-Branchengrößen General Motors, Ford und Fiat Chrysler müssen sich mit ähnlichen Vorwürfen auseinandersetzen.
dpa
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