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09.12.2018 | 10:00 | Zoonosen-Monitoring 

Keine Entwarnung bei Antibiotikaresistenzen

Berlin - Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist weiterhin besorgt über antibiotikaresistente Bakterien in der Lebensmittelkette.

Zoonosen-Monitoring 2017
Weiterhin hohe Keimbelastung von Rohwurst. (c) proplanta
Wie aus dem am vergangenen Donnerstag (6.12.) vom BVL veröffentlichten Zoonosen-Monitoring 2017 hervorgeht, hat sich von 2015 bis 2017 lediglich der Anteil resistenter Escherichia coli-Bakterien bei Mastschweinen verringert. Bei Bakterien, die von Mastkälbern und Jungrindern stammen, gab es dagegen keine Verbesserungen. Auch die Nachweisrate von ESBL/AmpC-bildenden Escherichia coli-Bakterien im Blinddarminhalt von Mastkälbern und Jungrindern am Schlachthof war laut BVL mit 68,0 % erneut sehr hoch und ist gegenüber dem Zoonosen-Monitoring 2015 sogar noch gestiegen; damals waren 60,6 % der Proben positiv für ESBL/AmpC-bildende Escherichia coli-Bakterien.

Bei Salmonella-Isolaten aus der Lebensmittelkette für Mastschweine traten vereinzelt Resistenzen gegenüber Fluorchinolonen wie Ciprofloxacin, Cephalosporinen der dritten Generation und Colistin auf. Dies müsse weiter beobachtet werden, da es sich dabei um kritische „wichtige Antibiotika mit höchster Priorität für die Humanmedizin“ handele, mahnte das BVL. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand sei davon auszugehen, dass diese resistenten Keime auch über Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden könnten.

Isolate von Rehen und aus Wildwiederkäuerfleisch wiesen nach Angaben des Bundesamtes eine geringe Resistenzrate von 2 % bis 3 % auf. Das spiegele den geringen antimikrobiellen Selektionsdruck wider, dem die Darmbakterien von Wild durch die fehlende Einwirkung von Antibiotika unterlägen.

Potentielle Gesundheitsgefahr

Die Ergebnisse des Zoonosen-Monitorings belegen außerdem, dass streichfähige Rohwürste sowie Tatar und Schabefleisch ein Vehikel für die Übertragung verschiedener Zoonoseerreger auf den Menschen darstellen. Bei jeder achten Probe streichfähiger Rohwurst, die für das Zoonosen-Monitoring 2017 untersucht wurde, fanden die Kontrolleure demnach Listerien, die schwere Erkrankungen auslösen können. Außerdem wurden 389 lebensmittelbedingte Krankheitsausbrüche an das Robert-Koch-Institut (RKI) und das BVL gemeldet, darunter 49 Ausbrüche, deren Ursache sicher bestimmt werden konnte. Neun dieser Ausbrüche betrafen Schulen, Kantinen und Pflegeheime.

Aufgrund der Häufigkeit positiver Befunde spricht sich das BVL dafür aus, diese Untersuchungen im Rahmen des Zoonosen-Monitorings in regelmäßigen Abständen zu wiederholen und im Rahmen der amtlichen Überwachung Betriebe, die solche Lebensmittel herstellen oder vermarkten, regelmäßig zu beproben.

Die Belastung von Geflügelfleisch mit Campylobacter-Bakterien blieb im vergangenen Jahr „im Wesentlichen gleich“. Frisches Hähnchenfleisch war demnach zu 30 % bis 54 % mit Campylobacter-Bakterien kontaminiert, wenn auch bei mehr als der Hälfte der belasteten Proben lediglich mit sehr geringen Keimzahlen von weniger als 10 KbE/g.

Handlungsempfehlungen zu wenig bekannt

BVL-Präsident Dr. Helmut Tschiersky kritisierte, dass risikobehaftete Lebensmittel wie Feinkostsalate, Rohwürste und Räucherfisch oft auf dem Speiseplan vieler Krankenhäuser sowie Alten- und Pflegeheime stünden. Nur 10 % der im Rahmen des Bundesweiten Überwachungsplans (BÜp) 2017 untersuchten Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhaus- und Kureinrichtungen verzichteten bei der Essensversorgung ihrer Patienten und Heimbewohner ganz auf solche Risikolebensmittel.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) habe bereits im Jahr 2011 Handlungsempfehlungen zum Schutz besonders empfindlicher Personengruppen vor Lebensmittelinfektionen herausgegeben, die es jährlich aktualisiere, betonte Tschiersky. Nur knapp die Hälfte der kontrollierten Einrichtungen habe diese Empfehlungen gekannt. Hier müsse das Bewusstsein für risikobehaftete Lebensmittel deutlich zunehmen, so der BVL-Präsident.

Nitratgehalt beachten

„Erfreulicher“ nannte das BVL die Untersuchungsergebnisse für Smoothies. Unter 158 untersuchten Proben wurden nur in einer Probe verotoxinbildende Escherichia coli-Bakterien beziehungsweise Listerien nachgewiesen; Salmonellen wurden gar nicht gefunden. „Trotzdem sollten Verbraucher darauf achten, dass sie frisch hergestellte Smoothies bis zum Verzehr gekühlt bei maximal 7 Grad lagern und am gleichen Tag verbrauchen“, sagte der stellvertretender Abteilungsleiter Lebensmittelsicherheit im BVL, Dr. Georg Schreiber.

Des Weiteren wurde speziell bei grünen Smoothies der Nitratgehalt untersucht. Für ihre Herstellung werden verschiedene Gemüsesorten wie Blattsalate, Rucola, Spinat und Grünkohl verwendet. Diese Gemüsesorten können laut BVL hohe Gehalte an Nitrat aufweisen, das sich bereits im Lebensmittel oder im Körper zu gesundheitlich bedenklichem Nitrit umwandelt.

In den meisten der untersuchten Proben lag der Nitratgehalt laut BVL-Bericht bei unter 200 mg/l. Lediglich bei 12 % der Proben wurden höhere Nitratgehalte bestimmt. Für Erwachsene stellen alle gemessenen Werte keine Gesundheitsgefahr dar, betonte Schreiber. Bei einem Kind mit 25 kg Köpergewicht würde mit dem höchsten gemessenen Wert jedoch die täglich duldbare Aufnahmemenge überschritten.

Betriebszahl konstant

Im Jahr 2017 hatten die Lebensmittelüberwachungsämter der Bundesländer dem BVL zufolge insgesamt 504.794 Betriebe kontrolliert sowie 370.492 Proben von Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen mit Lebensmittelkontakt untersucht. Die Beanstandungsquote bei den Betriebskontrollen lag insgesamt bei 13,6 %. Aufgrund einer EDV-Anpassung ist der Anteil nicht mit den Vorjahren vergleichbar. Insbesondere die mündlichen Belehrungen und Verwarnungen werden nicht mehr in der Statistik erfasst. Die Beanstandungsquote bei den untersuchten Proben stieg leicht auf 12,9 %. Die Quote der Beanstandungen bei Gegenständen und Materialien mit Lebensmittelkontakt erhöhte sich deutlich auf 15,4 %.

Die Zahl der registrierten Betriebe in Deutschland, die Lebensmittel herstellen, verarbeiten oder verkaufen, blieb mit 1,2 Millionen auf vergleichbarem Niveau konstant. Die Überwachungsämter kontrollierten 41,5 % aller registrierten Betriebe mindestens einmal. Bei einigen Betrieben wurden jedoch - je nach Risikoklasse beziehungsweise aufgrund von Nachkontrollen - häufiger Kontrollbesuche durchgeführt.

Schlachthofhygiene weiter verbessern

Unterdessen erwartet die Bundesregierung größere hygienische Anstrengungen der Schlachtbetriebe zur Verringerung der Campylobacter-Belastung von Geflügelfleisch. In der Antwort des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf eine entsprechende schriftliche Frage von Grünen-Fraktionschef Dr. Anton Hofreiter erinnert das Ressort an die Anstrengungen Deutschlands, auf europäischer Ebene ein Prozesshygienekriterium für Campylobacter bei der Schlachtung von Masthähnchen in der entsprechenden EU-Verordnung zu verankern. Diese sei nun seit dem 1. Januar 2018 in Kraft; Ergebnisse lägen aber noch nicht vor. Im Agrarressort ist man jedoch zuversichtlich, dass die Kontamination sinken wird.

Darüber hinaus fördere die Bundesregierung im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung neue Ansätze zur Minimierung der Übertragung von mikrobiellen Kontaminationen im Rahmen der Fleischgewinnung und der Fleischverarbeitung, heißt es weiter. Zudem prüfe man alternative Kontrolloptionen und -kombinationen zur Reduktion von Campylobacter-Bakterien auf Geflügelfleisch. Nicht zuletzt verweist das Bundeslandwirtschaftsministerium auf die Verantwortung des Verbrauchers bei der Zubereitung von Geflügelfleisch und dem Unterbinden der Keimübertragung auf andere Lebensmittel.
AgE
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