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13.11.2009 | 15:33 | Gesundheitsforschung  

Kohlenhydrate schädigen Insulin-produzierende Zellen durch oxidativen Stress

Potsdam-Rehbrücke - Eine kohlenhydrathaltige, fettreiche Kost macht nicht nur dick, sondern begünstigt auch Diabetes.

Kohlenhydrate schädigen Insulin-produzierende Zellen durch oxidativen Stress
Wie ein Forscherteam um Hadi Al-Hasani vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) nun erstmalig zeigt, sind es jedoch die Kohlenhydrate und nicht die Fette, welche die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse schädigen. In Verbindung mit einer fettreichen Ernährung erhöhen Kohlenhydrate den oxidativen Stress in den Zellen, lassen sie so schneller altern und damit auch früher sterben. Die neuen Daten tragen wesentlich dazu bei, die bisher nur wenig verstandenen molekularen Zusammenhänge zwischen Ernährung und Diabetesentstehung aufzuklären.

Bereits vor zwei Jahren beobachtete eine Forschergruppe um Hans-Georg Joost, wissenschaftlicher Direktor des DIfE, dass eine kohlenhydratfreie Diät zumindest dicke Mäuse vor Diabetes schützt. Al-Hasani und sein Team führten nun die Studie fort und untersuchten die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen. Zunächst fütterten sie Tiere eines zu Übergewicht neigenden Mausstamms mit unterschiedlichen Diäten: Die erste Gruppe erhielt ein fettreiches Futter mit Kohlenhydraten. Die zweite Gruppe erhielt ein fettreiches Futter ohne Kohlenhydrate. Dabei durften die Tiere so viel fressen und trinken wie sie wollten. Unabhängig von der Diät nahmen die Mäuse in beiden Gruppen deutlich zu und waren nach 17 Wochen in gleichem Maße übergewichtig. Hinsichtlich des Gesundheitsstatus unterschieden sich die Tiere jedoch deutlich.

Die meisten Mäuse, welche gleichzeitig viel Fett und Kohlenhydrate fraßen, wiesen bereits nach acht Wochen übermäßig hohe Blutzuckerwerte auf - ein Anzeichen für einen beginnenden Diabetes. In der 17. Woche waren etwa zwei Drittel dieser Tiere an einem Diabetes erkrankt. Dagegen blieben die kohlenhydratfrei ernährten Nager von hohen Blutzuckerwerten und der Erkrankung verschont. Wie Untersuchungen der Insulin-produzierenden Zellen beider Maus-Gruppen zeigen, beeinflussen die aufgenommenen Kohlenhydrate die Aktivierung von 39 erst kürzlich entdeckten Genen, die auch beim Menschen mit der Diabetesentstehung in Zusammenhang gebracht werden. Etwa 80 Prozent dieser Gene wurden stärker exprimiert, d.h. verstärkt abgelesen. Dabei handelt es sich besonders um solche, die den oxidativen Stoffwechsel in den Mitochondrien stimulieren. Mitochondrien sind die „Energiekraftwerke“ der Zellen.

„Die Stimulation des oxidativen Stoffwechsels führt zu einer übermäßigen Bildung von reaktiven Sauerstoffverbindungen, so genannten reactive oxygen species (ROS) und damit zu oxidativem Stress“, erklärt Studienleiter Al-Hasani. „Der Stress lässt die Zellen schneller altern und damit auch früher sterben. Damit zeigen unsere Daten, dass Kohlenhydrate besonders in Zusammenhang mit einer fettreichen Ernährung kritisch zu sehen sind. Sie schädigen die Insulin-produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse und begünstigen so Diabetes.“

„Die Ergebnisse können sicher nicht direkt in Ernährungsempfehlungen umgewandelt werden, da eine kohlenhydratfreie, fettreiche Ernährungsweise für Menschen nachteilig und auch nicht praktikabel ist“, sagt Koautor Joost. „Dennoch sollten wir in unseren Ernährungsempfehlungen ein größeres Gewicht auf die Effekte der Kohlenhydrate legen. Mit anderen Worten: Personen mit erhöhtem Diabetes-Risiko sollten Vollkornbrot statt Weißbrot essen, da hierdurch ein schneller und übermäßiger Anstieg der Blutzuckerwerte vermieden werden kann.“


Hintergrundinformationen:


Typ-2-Diabetes:

Nach Angaben der International Diabetes Federation (IDF) sind knapp 7,5 Millionen Menschen in Deutschland an einem Diabetes erkrankt, wobei etwa 85-95 Prozent der Menschen an einem Typ-2-Diabetes leiden. Der Typ-2-Diabetes verläuft zu Beginn meist ohne Anzeichen und wird häufig erst mit jahrelanger Verzögerung erkannt. Er führt oft zu schwerwiegenden Komplikationen, wie Erblinden, Nierenversagen und Amputation von Gliedmaßen. Zudem sterben Menschen mit Diabetes früher, vor allem an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.


Kohlenhydrate und glykämischer Index (GI):

Kohlenhydrate zählen zu den Grundnährstoffen. Zu ihnen gehören alle Zucker- und Stärkearten und die meisten Ballaststoffe. Die Aufnahme von Kohlenhydraten erhöht vorübergehend den Blutzuckerspiegel. Besonders Traubenzucker oder Lebensmittel wie Weißbrot lassen den Blutzuckerspiegel rasch ansteigen. Ein Maß für die Blutzuckererhöhung, die durch ein Nahrungsmittel ausgelöst wird, ist der glykämische Index (GI). Die bisherigen Daten lassen annehmen, dass eine Diät mit niedrigem GI das Risiko für Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen senken kann.

Ernährungsempfehlungen: In den bisherigen allgemeinen Ernährungsempfehlungen ist der GI zwar nicht explizit enthalten, aber z. T. durch die Empfehlung zu Vollkornprodukten und der Reduktion von Zucker und Süßigkeiten indirekt berücksichtigt. Eine Intensivierung dieser Empfehlungen würde bedeuten, dass alle Kohlenhydrate kategorisiert werden müssten, und dass dann z.B. Kartoffeln den „schlechten“ Kohlenhydraten zugeordnet würden. Diese Intensivierung und Komplizierung der Empfehlungen kann deshalb allenfalls für Risikopersonen (z.B. mit hohem Typ-2-Diabetes-Risiko) diskutiert werden. Ernährungsempfehlungen anderer Länder und Fachgesellschaften haben deshalb den GI bislang nicht als Kriterium genannt, empfehlen allerdings eine ballaststoffreiche Kost und zielen damit indirekt auf eine Reduktion der glykämischen Last.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes und Krebs.

Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 86 Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen etwa 14.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon sind ca. 6.500 Wissenschaftler, davon wiederum 2.500 Nachwuchswissenschaftler. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de (DifE)
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