So 20 bis 25 Kundenanfragen seien es in den letzten Tagen gewesen, berichtet Owen Langridge zufrieden. Seit das Ölleck im
Golf von Mexiko zumindest provisorisch gestopft ist, erwacht wieder das Interesse an den Angeltouren des massigen Charterkapitäns aus Venice ganz im Süden Louisianas. Und dass die Operation «Static Kill» schließlich den Sieg über das Bohrloch bringen wird, bezweifelt der graubärtige 64-Jährige nicht.
«Ich bin absolut zuversichtlich, dass sie es stopfen.» Tropenschwüle lastet schwer auf der Cypress Cove Marina von Venice, der Himmel ist bleigrau. Langridge wartet auf BP-Leute, um sie mit seinem Boot umherzufahren. Seit die
Ölpest sein Geschäft brutal und über Nacht abwürgte, steht «Big "O"» vorübergehend auf der Gehaltsliste des britischen Konzerns. Unter den Charterkapitänen und Fischern von Venice ist Optimismus angesichts der Erfolge im Kampf gegen das Ölleck zu spüren - aber auch eine kräftige Portion Skepsis.
Allen ist klar: Die Sache ist noch nicht vorbei. Zu viel Öl ist noch da draußen, die Folgen der größten Ölpest überhaupt wie auch der eingesetzten Chemikalien sind ziemlich unklar. «Das Öl sitzt im Marschland und wird dort so schnell nicht verschwinden», meint schulterzuckend Gerard Barrois, pensionierter Polizist, dessen Boot an der Cypress Cove Marina liegt. Hafenmeister Mike Ballay machen die chemischen Bindemittel arge Sorgen: «Vielleicht haben wir in zwei, drei Jahren Fische mit nur einem Auge», meint er, nur halb im Scherz.
«Die Meeresfrüchte müssen anständig getestet werden. Wenn sie unbedenklich sind, werden die Leute auch wieder hierher zurückkommen.» Immerhin: Am Wochenende ist er rausgefahren aufs Meer, nachdem die Behörden die Gewässer wieder für die Fischerei freigegeben hatten. Und der Fang war gut.
«Ob die Chemikalien die Fische belasten? Das ist eine Frage, auf die im Moment keiner eine Antwort hat», meint Kapitän Langridge. In der Tat rätseln Wissenschaftler, welche Langezeitfolgen die größte Ölpest überhaupt haben wird. Ein ranghoher Experte des US-Innenministeriums, der zu Medienauskünften nicht autorisiert ist, sieht in dem Chemie-Einsatz keine riesengroße Katastrophe. Man rede hier von einer Menge, die ein paar Schwimmbecken von olympischem Format fülle. Eine Menge, die sich im Golf verteile.
Was die eigene Geldbörse angeht, hält sich der Schaden durch die Ölpest für die Leute von der Cypress Cove Marina anscheinend in Grenzen. Als Kundschaft sprangen Helfer, Einsatzkräfte und Medien ein. «Das Hotel hier ist seit drei Monaten voll, das Restaurant ist seit drei Monaten voll», weiß Hafenmeister Ballay und schiebt sich die Kappe zurecht. Ein Stück die Straße rauf steht auf einem Schild: «Ölpest-Camper sind hier willkommen.» Wer von außerhalb kommt, wird erzählt, bekommt derzeit kaum eine Unterkunft.
In einem sind sich die Kapitäne und Fischer von Venice aber einig: Die Ölindustrie darf sich nicht zurückziehen. Seit jeher, betonen alle, lebt man friedlich zusammen, hilft einander. In der Tat: Entlang des Highway 23, der von New Orleans nach Venice führt, reihen sich Raffinerien und Filialen von Ölfeld-Ausrüstern.
Die allgegenwärtigen wohnwagenähnlichen Kunststoffhäuschen entlang der Straße machen klar: Hier lebt man nur vorübergehend. «Venice wäre nicht Venice ohne das Öl», sagt Hafenmeister Ballay. «Auf keinen Fall dürfen sie aufhören, nach Öl zu bohren», sekundiert Kapitän Langridge. «Sie müssen einfach weiterbohren. Ein Bohr-Moratorium wäre das Schlimmste, was passieren könnte.» (dpa)