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27.12.2014 | 00:38 | Mindesthaltbarkeitsdatum 

Europa kämpft mühsam gegen Lebensmittelverschwendung

Brüssel - Die Weihnachtstage sind keine Zeit kulinarischer Enthaltsamkeit: Gans und Ente, Kuchen und Kekse, dazu ein Glas Wein - viele schlemmen unterm Baum.

Lebensmittelverschwendung
Zur Produktion von Nahrungsmitteln wird ein ziemlicher Aufwand getrieben. Landwirte bestellen Felder, Maschinen kneten, backen und verpacken. Doch vieles landet am Ende nicht im Magen, sondern in der Tonne. (c) proplanta
Doch viele gute Dinge sind am Ende wohl auch in der Tonne gelandet. 82 Kilo Lebensmittel wirft allein jeder Deutsche nach einer Studie der Universität Stuttgart jedes Jahr weg.

Das Problem beschäftigt auch die EU. Doch Brüssel tut sich trotz vereinzelter Vorstöße schwer mit konkreten Schritten im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung. Ob neue Regeln zum Mindesthaltbarkeitsdatum helfen könnten, ist besonders umstritten.

Dabei machten erst im Mai Schweden und die Niederlande die Lebensmittelverschwendung zum Thema. Der Vorschlag: die Liste jener Produkte auszuweiten, bei denen kein Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Packung stehen muss. Denn viele Waren sind viel länger brauchbar.

Schon heute ist die Angabe für viele Lebensmittel gar nicht vorgeschrieben - etwa für Wein, Kaugummi oder frisches Obst und Gemüse. «Wir möchten beginnen mit Produkten, die man wirklich lange zu Hause haben kann, wie zum Beispiel Nudeln, Reis oder Kaffee», sagte die niederländische Agrarministerin Sharon Dijksma damals.

Denn das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) gibt nur an, bis wann Waren bei guter Lagerung in Top-Zustand bleiben, was Konsistenz und Geschmack angeht. «Nach Ablauf des Datums ist das Lebensmittel aber nicht automatisch schlecht, sondern häufig noch genießbar, da die Hersteller bei der Berechnung des MHD in der Regel einen «Sicherheitszuschlag» geben», schreibt der Lebensmittelwirtschaftsverband BLL.

Der Vorstoß der Minister hatte in Brüssel bisher überschaubare Folgen: Eine schleunigst einberufene Arbeitsgruppe mit nationalen Experten traf sich bisher nach Angaben von EU-Diplomaten nur ein einziges Mal. Und Infokampagnen gibt es sowohl auf EU-Ebene als auch in Deutschland schon.

Der frühere EU-Umweltkommissar Janez Potocnik schlug im Sommer ein Ziel vor: Bis 2025 solle der anfallende Müllberg aus Lebensmitteln und Futter um 30 Prozent verkleinert werden, forderte er im Juli. Details auch zum Thema Haltbarkeitsdatum sollte ein Strategiepapier liefern - doch das lässt bislang auf sich warten.

Die europäische Verbraucherorganisation BEUC zweifelt ohnehin am Sinn neuer Regeln für die Angabe. «Sollte das Mindesthaltbarkeitsdatum von Packungen für Hartkäse oder Kaffee verschwinden, hätten Verbraucher keinen Schimmer mehr von der Qualität des Essens, das sie oft mehr als ein Jahr zuvor gekauft haben», sagt Camille Perrin, die sich bei BEUC um Lebensmittelthemen kümmert. Am Ende würden sie aus Vorsicht wohl noch mehr Waren wegwerfen als bisher.

Ohnehin werde ein Großteil der Lebensmittel schon vor Ankunft im Supermarktregal verschwendet. «Allzu oft stehen nur die Verbraucher in der Kritik.» Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) gibt allerdings an, dass nach Studien nur fünf Prozent der Lebensmittel im Handel weggeworfen werden, das meiste davon Gemüse, Obst und frische Backwaren.

Um die Zahl weiter zu drücken, versuche der Handel, bei Bestellungen besser zu planen oder Ware zum Beispiel durch Preisreduzierungen loszuwerden. Außerdem arbeite der Großteil der Geschäfte mit Tafeln zusammen, die Lebensmittel an Bedürftige weitergeben.

Viel geht auch schon in der Nahrungsmittelindustrie verloren - 17 Prozent, nach einer EU-Studie sogar fast 40 Prozent der Abfälle macht dies etwa aus. Wie hoch die Verluste in der Landwirtschaft sind, ist den Forschern zufolge schwer zu ermitteln.

Verbrauchern bleibt angesichts dieser Zahlen das Naheliegende: gezielter einkaufen, gut lagern, mit Resten kochen und den Waren nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums einen zweiten Blick gönnen. Denn fast die Hälfte der Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten wäre noch genießbar - und damit vermeidbar.
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