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10.09.2010 | 02:00 | Agrar- und Finanzmärkte im Fokus der Podiumsdiskussion auf den DLG-Unternehmertagen in Hannover 

Getreide und Fleisch sind am Exportmarkt gefragt

Hannover - Die volkswirtschaftliche Seite der Weltmarktentwicklung hält die Daumen nach oben.

Getreide und Fleisch sind am Exportmarkt gefragt
Das Weltwirtschaftsklima wird laut ifo-Befragung weltweit positiv beurteilt. Danach stehen vor allem die asiatischen Staaten in der Erwartung einer weiteren Erholung. Für Thorsten Windels, den Chefvolkswirt von der Nord/LB blieb auf dem Podium der DLG-Unternehmertage zum Thema „Agrar- und Finanzmärkte im Fokus" dennoch die Frage bestehen, wie groß die Gefahr ist, dass die USA wieder abkippen und welche Auswirkungen das auf die EU hätte. Grundsätzlich bestätigte Windels, dass der Energiemarkt und damit vor allem der Ölpreis relevanter für den Agrarmarkt werde. Hier sei ein direkter Maßstab für die Entwicklung der Kostenseite entstanden. Windels sieht für den weiteren Saisonverlauf einen Anstieg der Rohölpreise parallel zur Konjunkturentwicklung. Wenn die Stabilisierung anhält wäre ein Rohölpreis von 90 USD/Barrel bis Ende 2011 nicht unwahrscheinlich. Für den Volkswirt muss die Abhängigkeit der Agrarrohstoffe vom Rohölmarkt allerdings nicht zwangsläufig linear verlaufen. Neue Einflussgrößen auf die Agrarmärkte, die zunehmend global agieren, seien die Weltkonjunktur, die Energiepreise und die Finanzmärkte. Die jüngste Explosion der Agrarmarktpreise gelte es vor diesem Hintergrund zu hinterfragen. Denn die aktuelle Preisentwicklung sei nicht Nachfrage gesteuert, sondern ein Effekt der Kaufkraft.


Preisentwicklung ist Kaufkraft gesteuert

Dabei entfalle ein nicht kleiner Anteil der Kaufkraft auf institutionelle Anleger und Investoren. Das beweise das steigende Anlageinteresse an Indexprodukten auf Agrarrohstoffe. Ein großer Teil der Engagements auf der Anlegerseite entstehe allerdings ohne Marktverständnis. Durch die Hebelwirkung der Produkte steige die Volatilität an den Börsen für Agrarrohstoffe, die auf die physischen Märkte übertragen werde. In der Folge steige auch das Risiko. Betrachte man den Finanzmarkt als Investor, werde jetzt ein historisch niedriges Zinsniveau für Kreditverträge geboten, das auch von der Landwirtschaft genutzt werden könne, empfahl Windels. Er geht davon aus, dass diese Sondersituation mit einem Zinsanstieg in den Vereinigten Staaten Mitte des nächsten Jahres zu Ende gehen könne. Denn das „Euroland" werde den US-Vorgaben in der Regel folgen. Für kreditfinanzierte Investitionen in der Landwirtschaft sei jetzt ein günstiger Zeitpunkt.


Wettbewerbsfähigkeit für EU-Getreide steigt am Weltmarkt

Aus der Sicht des internationalen Getreidehandels stellte Dr. Martina Garlin, Leiterin Getreidehandel bei der Cargill GmbH, Salzgitter, fest, dass für diese Saison die Exportmöglichkeiten in Drittländer gestiegen seien, das würde sich mittelfristig auch in der Preisentwicklung niederschlagen. Durch eine schwache Getreideernte in Russland, könnten Exportverträge in einem Volumen von 10 Mio. t nicht beliefert werden und würden in andere Exportländer verlagert. Aktuell zeige sich, dass die Weizenexporte aus Frankreich und den norddeutschen Häfen ansteigen. Im internationalen Handel stehe EU-Standardweizen nur noch 10 USD/t unter der US-Weizennotierung an der Chicagoer Terminbörse und sei damit in seiner Wettbewerbsfähigkeit gestiegen. Garling ging für ihre mittelfristige Tendenz davon aus, dass die Preislücke sich noch schließen müsse.


Nur die Ernten der Südhalbkugel können uns noch in die Suppe spucken

Carsten Rollwage, Leiter der Niederlassung Magdeburg des Handelshauses Beiselen GmbH, war für die Entwicklung am Getreidemarkt ebenfalls optimistisch gestimmt. Die nächste Widerstandslinie für die hinteren Termine an der Warenterminbörse Matif in Paris sieht er bei 220 EUR/t. Diese Linie wurde bereits in den Schlussnotierungen am Mittwoch erreicht. Risiken für den europäischen Markt und die Preisbildung vor Ort, könnten noch in den bevorstehenden Ernten der Südhalbkugel lauern. Große Ernten mit hohem Exportvolumen in Australien und Argentinien könnten uns noch in die Suppe spucken, bemerkte der Experte lakonisch. Aktuell geht Rollwage von normalen Warenströmen aus und einer Marktentwicklung, die bis zum Jahresende fest und stabil verläuft. „Bis Weihnachten sehe ich einen Getreidemarkt, der seitwärts laufen wird mit einer leichten Steigerungstendenz", so Rollwage.

Die Handelsexperten rieten, das derzeit interessante Preisniveau für die Ernte 2011 zu nutzen und schon 20 % bis ein Drittel der zu erwartenden Weizenmenge zu verkaufen. Für den Raps hingegen sehen sie noch keinen Grundfür frühe Abschlüsse. Denn die Aussaatbedingungen sind in dieser Saison nicht optimal und verspätete Aussaattermine dürften zu einer erneut sinkenden Rapsernte 2011 in Deutschland führen, prognostizierte Rollwage und sieht Deutschland im kommenden Jahr als Nettoimporteur bei Rapssaat. Für die alte Ernte wären Kurse zum Jahresende um 400 EUR/t möglich, schätzte der Handelsexperte. Für die neue Ernte wurde ein Spielraum nach oben von 360 bis 370 EUR/gesehen.


Markt für Futtermittel wächst

Von Seiten der Futtermittelhersteller vertrat Harald Schaar, Leiter Futtermittel bei der BayWa AG, München, die Einstellung, dass innerhalb der EU aus der Ernte 2010 ausreichend Getreide vorhanden sei, lediglich beim Qualitätsspektrum müsse man genauer hinsehen. „Die Branche hat die drittgrößte Ernte aller Zeiten eingefahren und wartet auf fallende Preise", so charakterisierte Schaar den Markt. Er ging allerdings auch davon aus, dass Warten könne noch anhalten. Aus der Sicht der Futtermittelindustrie befindet sich die aufnehmende Hand Anfang September noch bei der Phase der Bonitierung und die Mühlen befinden sich in der Phase der Neuorientierung, was die Verfügbarkeit und Verarbeitung der Qualitäten angehe. Für Schaar ist sicher, dass die Nachfrage nach Futtermitteln global steigen wird. Die Futtermittelindustrie müsse jetzt die Kontinuität der Versorgung sicher stellen. Mit Blick auf die heterogene Ernte 2010 betonte er, dass die Verarbeiter in dieser Situation auf die Erfüllung ihrer Rohstoffkontrakte angewiesen seien. Denn anders als in anderen Jahren, stünden in dieser Saison Substitute für die heimischen Futtergetreidearten nur begrenzt zur Verfügung. Durch die hohe Sojanachfrage am internationalen Markt habe zudem der Preis für Sojaschrot historische Hochs erreicht, die den Wettbewerb verstärken.


Veredelung wächst und positioniert sich am Exportmarkt

Für den Veredelungsmarkt waren sich die Experten Dr. Heinz Schweer, Direktor Landwirtschaft (Deutschland) der Vion GmbH und Dr. Frank Greshake, Geschäftsführender Vorstand der Erzeugergemeinschaft Rheinland w.V., Moers, einig, dass der Schlachtschweinemarkt sich weiter exportorientiert ausrichten werde. Für die Handelsbilanz bedeute dies, dass die Schweineproduktion weiter ansteigen werde. Durch die damit steigende Exportabhängigkeit werden auch neue Marktrisiken zu bewältigen sein. Für Schweer ist die deutsche Schweinefleischerzeugung trotz niedrigerem Inlandsverbrauch ein Gewinner in der Wirtschaftskrise in Europa. Denn die Schlachtungen seien erneut angestiegen und dürften in diesem Jahr auf 59 Mio. Stück zulegen. Für das kommende Jahr rechnet Greshake sogar nochmals mit einer Steigerung. Allerdings machte der Erzeugervertreter auch deutlich, dass die Vermarktung der wachsenden Mengen in der Regel über den Preis erfolge, davon könne der Schweinemarkt sich nicht ausnehmen, gerade was den wichtiger werdenden Absatz Richtung Osteuropa betreffe.

Neue Exportchancen entstehen durch den Abschluss von Veterinärabkommen für die asiatischen Märkte. Es wurde deutlich gemacht, dass es sich dabei um sehr volatile Märkte handle, die das Preisrisiko für die Mäster und die Verarbeitungsstufe auf dem deutschen Markt erhöhe. Für den weiteren Jahresverlauf sieht Greshake noch Preiskorrekturen von 3 bis 5 cts/kg SG gegenüber dem Vorjahr auf die Mäster zukommen, bei gleichzeitig steigenden Futterkosten. Die Margen würden dann auch für die Mäster enger, obwohl die Ferkelerzeuger bereits einen großen Teil der Verluste durch ihre Stellung als Vorlieferanten übernehmen müssten. Die Folge sei, dass sich der Strukturwandel mit der Produktionssteigerung im Veredelungsbereich beschleunigen wird. (DLG)

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