Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
24.04.2011 | 10:47 | Benzinpreise 

Benzinpreise und Ostern - Marktwirtschaft oder Machtmissbrauch?

Hamburg - Alljährlich zu Ostern kritisieren Politiker und Automobilclubs die Mineralölwirtschaft wegen angeblich überhöhter Benzinpreise. Das ist populär; handfeste Beweise für illegale Preisabsprachen gibt es jedoch nicht.

Spritpreise
Wer bestimmt über die Benzinpreise?

Preise bilden sich durch Angebot und Nachfrage am Markt. Für die deutschen Tankstellen maßgeblich ist der europäische Großmarkt für Mineralölprodukte in Rotterdam. Eine Tankstellenfirma macht nichts anderes als ein Gemüsehändler: Er kauft sein Produkt am Großmarkt, schlägt seine Kosten und eine Handelsmarge auf und verkauft es. Die Marge verdient er durch seine Leistung, das Produkt an den Endkunden zu liefern.


Funktioniert das auch bei Benzin?

Die Mineralölfirmen sagen: Ja. Die häufigen Preisänderungen an den Tankstellen seien Ausdruck eines besonders intensiven Wettbewerbs auf dem Benzinmarkt in Deutschland. Daher handele es sich um Wettbewerbspreise. Beleg: Der statistische Zusammenhang zwischen den Großhandelspreisen und den Endverbraucherpreisen ist sehr eng. Die Kritiker wie der ADAC meinen dagegen, die Konzerne könnten willkürlich die Preise heraufsetzen, zum Beispiel vor Wochenenden und Ostern. Damit würden sie ungerechtfertigte Extra-Gewinne einstreichen. Konkrete Beweise gibt es nicht; die Kritiker berufen sich auf den Augenschein.


Aber ab Ostern steigen in jedem Jahr die Preise?

Im Sommer wird in Europa ungefähr 20 Prozent mehr Benzin verbraucht als im Winter. Zusätzlich gibt es in manchen Jahren im Sommer Nachfrage aus den USA, wenn die Leistung der dortigen Raffinerien zur Versorgung des Marktes nicht ausreicht. Die höhere Nachfrage wirkt tendenziell preissteigernd. Das macht sich in den Rotterdamer Großmarktpreisen für Benzin bemerkbar.


Wie wirken sich der Rohölpreis und der Dollarkurs aus?

Benzin und Diesel werden in Raffinerien aus Rohöl hergestellt. Das Rohöl ist der bedeutendste Kostenfaktor einer Raffinerie, aber nicht der einzige. Rohöl wird in Dollar bezahlt; so ist bei einem starken Euro das Rohöl tendenziell billiger. In diesem Jahr liegt der Benzinpreis zu Ostern bei 1,58 Euro je Liter, bei einem Rohölpreis von 123 Dollar je Barrel. Im vergangenen Jahr waren es 1,43 Euro je Liter, Rohöl kostete 83 Dollar. Ostern 2009 mussten die Autofahrer nur 1,27 Euro für das Benzin bezahlen, Rohöl stand bei 50 Dollar. Rohöl und Benzin sind zwei verschiedene Märkte, die sich ähnlich, aber nicht absolut gleich bewegen. Das eine ist ein Rohstoff, das andere ein Endprodukt.


Warum halbiert sich der Benzinpreis nicht, wenn der Ölpreis auf die Hälfte fällt?

Der Tankstellenpreis besteht überwiegend aus Steuern und Abgaben, die zum Teil fixiert sind und nicht schwanken. Bei einem Preis von
1,59 Euro entfallen 91 Cent auf Steuern und Abgaben. Den Einkaufspreis für den Sprit beziffert Aral aktuell auf 61 Cent je Liter. Nur dieser Teil schwankt. Wenn sich also die Einkaufskosten halbieren, sinkt der Preis nur um 30 Cent plus Mehrwertsteuer. Die Kosten für Transport, Miete, Pächterprovision und anderes beziffert Aral auf sieben Cent. Als Gewinn werde ein Cent je Liter angestrebt.


Wird das Benzin teurer, weil es nun auch E10 gibt?

Das ist ziemlich wahrscheinlich. Die Ölkonzerne haben für die Einführung von E10 bislang einen dreistelligen Millionenbetrag ausgegeben. Nachdem sich der Kraftstoff am Markt nicht durchsetzen konnte, werden nun abermals Umrüstungen an Raffinerien und Tankstellen notwendig. Das wird als Kostenfaktor in die Kalkulation der Preise eingerechnet. Zudem müssen die Konzerne mit Strafzahlungen rechnen, weil sie die Biosprit-Ziele der Bundesregierung nicht erreichen. Das wirkt wirtschaftlich wie eine höhere Mineralölsteuer.


Warum nimmt das Kartellamt die Branche so genau unter die Lupe?

Das Bundeskartellamt wird schon seit Jahrzehnten regelmäßig aufgefordert, härter gegen den vermeintlichen Machtmissbrauch der Ölkonzerne vorzugehen. Es ist aber bislang nur einmal eingeschritten, als bei einem Preiskampf im Jahr 2000 die Tankstellenpreise bei den großen Ölfirmen niedriger waren als die Abgabepreise der Raffinerien. Das ist verbotenes Dumping; damit kann man ungeliebte Wettbewerber aus dem Markt kegeln. Zu hohe Preise oder illegale Absprachen hat das Amt dagegen nie nachweisen können, im Gegensatz zu vielen anderen Branchen wie Kaffee, Einzelhandel oder Zement. Um Klarheit zu gewinnen, untersucht das Amt seit mehr als zwei Jahren intensiv die Preisbildungsprozesse an den Tankstellen. Die schon mehrfach verschobenen Ergebnisse der Untersuchung sollen im nächsten Monat vorliegen. (dpa)
Kommentieren Kommentare lesen ( 1 )
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


Kommentare 
skipper 1708 schrieb am 19.05.2011 11:09 Uhrzustimmen(38) widersprechen(29)
Ich lese immer etwas von 7 oder 8 Cent für den Deckungsbeitrag und Gewinn, seit ein paar Wochen verfolge ich die Rohölpreise, Dollarkurs, Benzinpreis und komm auf eine Marge von 17 Cent/ Liter Superbenzin. Vielleicht kann das ja jemand erklären, aber bitte nicht beim Mineralölverband oder den Multis nachlesen.
  Kommentierte Artikel

 Schutz vor Vogelfraß durch Vergrämung?

 Globale Rekord-Weizenernte erwartet

 Größere EU-Getreideernte erwartet

 Bedarf an hofeigenen KI-Wetterfröschen wächst rasant

 Was will die CDU in ihrem neuen Programm?

 Frankreichs Staatsrat schränkt Vogeljagd weiter ein

 LED-Lampen in Straßenlaternen sparen massiv Strom ein

 Zahl der Bäckereien weiter rückläufig

 Wundermittel und Jahrhundertgift PFAS: Derselbe Circus - andere Clowns

 Deutsche Verbraucher offen für abgelaufene Lebensmittel