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04.06.2011 | 06:35 | EHEC-Krise 

"Handelskrieg" um Gurken: Spanier sauer auf Deutschland

Madrid - Die Angst vor Infektionen mit EHEC-Erregern hat Spaniens Landwirtschaft in die schlimmste Krise der jüngeren Geschichte gestürzt.

Gemüseanbau Spanien
(c) proplanta
Der Sektor der Gemüseexporte ist praktisch lahmgelegt. Ein Land in Europa nach dem anderen schließt seine Grenzen für spanisches Gemüse, seit in Hamburg EHEC-Erreger auf Gurken aus dem Süden Spaniens entdeckt wurden. Auf den Lebensmittelmärkten scheint eine Panik zu herrschen wie an den Börsen bei einem plötzlichen Einbruch der Aktienkurse.

Die Spanier geben dem deutschen Krisenmanagement die Schuld dafür, dass der Absatz spanischer Gurken und Tomaten in vielen EU-Ländern fast zum Erliegen gekommen ist. «Deutschland trägt die Verantwortung für die Gurkenkrise», schrieb die Zeitung «El Mundo» am Dienstag. «Es verstieß (beim Kampf gegen den Keim) gegen alle EU-Protokolle, ergriff einseitige Maßnahmen und schürte eine ungerechtfertigte Alarmstimmung.» Das Konkurrenzblatt «El País» stößt ins gleiche Horn: «Die deutsche Regierung agierte überstürzt, als sie die Infektionen auf den Verzehr von spanischem Gemüse zurückführte.»

Die Journalisten könnten Recht haben: Am Dienstag gab Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) bekannt, dass die auf spanischen Gurken entdeckten EHEC-Erreger offenbar nicht die Erkrankungswelle im Norden Deutschlands ausgelöst haben. Dies habe eine Laboruntersuchung bei zwei von drei sichergestellten spanischen Gurken ergeben.

In Spanien hält man den «Boykott» spanischer Gurken und Tomaten nicht nur für ungerechtfertigt, sondern auch für einen Verstoß gegen EU-Regeln. «Deutschland ist das stärkste Land in der EU, aber es darf nicht nach Lust und Laune vorgehen», meint der Ministerpräsident von Andalusien, José Antonio Griñán.

Die «Gurkenkrise» löste nicht nur einen diplomatischen Zwist aus, sondern auch einen Handelsstreit. Spanien wirft anderen EU-Staaten vor, die Krise dazu zu nutzen, die eigenen Bauern vor unliebsamer Konkurrenz aus Spanien zu schützen. «Wir haben erfahren, dass Frankreich auch spanische Pfirsiche an der Grenze zurückweist», berichtete die andalusische Agrarministerin Clara Aguilera. Der Export von Pflaumen, Heidel- und Himbeeren aus Spanien stoße ebenfalls auf Hindernisse.

Spanische Branchenkreise beziffern die Verluste der Bauern auf 200 Millionen Euro pro Woche. «Wir sind total ruiniert», sagte der Landwirt Juan Luis Cervilla in der Gegend von Almería. «Das Schlimmste daran ist, dass wir nicht die geringste Schuld daran haben.» Aguilera unterstrich mit einer demonstrativen Geste ihr Vertrauen in spanisches Gemüse: Die Ministerin verzehrte vor laufenden TV-Kameras eine Gurke.

Damit erweckte sie Erinnerungen an eine unvergessene Aktion der Franco-Diktatur: Im Jahr 1966 ließ der damalige Tourismusminister Manuel Fraga sich in der Gegend von Almería beim Bad im Meer ablichten. Der Minister wollte damit zeigen, dass Spanien-Urlauber nichts zu befürchten haben, obwohl in der Provinz damals ein US-Flugzeug mit vier Atombomben an Bord abgestürzt war. Die Bomben waren bei dem Unglück nicht explodiert. Eine von ihnen wurde erst Wochen nach dem Absturz aus dem Meer geborgen. (dpa)
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