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10.03.2024 | 12:43 | Milchkuhhaltung 
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Anbindehaltung: Verbände fordern längere Übergangszeit

Berlin - Sehr kritisch bewertet der Deutsche Bauernverband (DBV) den Referentenentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) zur Änderung des Tierschutzgesetzes.

Rinderhaltung
Das geplante Verbot der Anbindehaltung sorgt bei Verbänden weiter für Kritik. (c) proplanta
Es sei unverständlich, „warum ausgerechnet jetzt den Landwirten mit der Novelle des Tierschutzgesetzes weitere nationale Sonderwege aufgebürdet werden sollen“, sagte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken am Donnerstag (7.3.) gegenüber AGRA-EUROPE. Für ihn steht das im Widerspruch zu den Ankündigungen der Politik von Bürokratieabbau und Entlastungen der Landwirte.

Unverhältnismäßig ist dem Generalsekretär zufolge das Vorhaben, die Anbindehaltung von Milchkühen pauschal in fünf Jahren zu verbieten. Die Zahl der Betriebe mit dieser Haltungsform sinke seit Langem. Eine deutlich längere Übergangsfrist würde laut Krüsken dieser ohnehin auslaufenden Haltungsform wesentlich besser gerecht. Zudem dürfe das vor allem in Bayern und Baden-Württemberg entwickelte Modell der Kombinationshaltung nicht abgewürgt werden.

Betäubungspflicht fürs Enthornen nicht sachgerecht

Die Flexibilität der Kombinationshaltung benötigen dem DBV-Generalsekretär zufolge vor allem Betriebe in Ortslagen, wo es aus räumlichen Gründen nicht möglich ist, große Laufhöfe als Ersatz für Weideflächen zu errichten. Im Übrigen erfordere der Bau von Laufställen sehr hohe Investitionen, die viele kleine Milchviehbetriebe finanziell überfordern und zu weiteren Betriebsaufgaben führen würden. Auch nach der Übergangsfrist sollte diese Kombinationshaltung weiter möglich bleiben. Für nicht sachgerecht hält Krüsken zudem, beim Enthornen von Kälbern eine Betäubung durch den Tierarzt vorzuschreiben.

Mit dem Sedieren durch Beruhigungsmittel verfüge man über eine gut funktionierende und praktikable Alternative, die in vielen Qualitätsmanagement-Systemen auch vorgegeben werde. Schließlich moniert der Bauernverband offene Formulierungen des Referentenentwurfs zur Strafbewehrung. Dadurch könnten Landwirte für Verstöße gegen Tierschutznormen deutlich schärfer bestraft werden als andere Gruppen.

Tierwohlkennzeichnung für Milchkuhhaltung

Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist unzufrieden mit den Regelungen zur Anbindehaltung. Zwar stehe außer Frage, dass eine ganzjährige Anbindehaltung den Ansprüchen der Tiere nicht gerecht werde. Notwendig sei jedoch ein praxistaugliches Zeitfenster für Betriebe, damit diese umbauen könnten. Statt den Bauern zu suggerieren, dass die Anbindehaltung „Kulturgut“ sei und erhalten werden müsse, muss es aus Sicht der AbL darum gehen, den Betrieben durch Beratung Lösungswege aufzuzeigen und sie zu fördern, damit sie ihre Ställe weiterentwickeln können.

Die AbL bekräftigte ihre Forderung, umgehend eine staatliche Tierwohlkennzeichnung für die Milchkuhhaltung einzuführen, die Betriebe mit Weidehaltung stärkt. Außerdem müsse die Politik eine langfristige Tierwohlfinanzierung auf den Weg bringen, mit Verträgen zwischen Landwirt und Staat.

Zusätzliche Milliarde Euro an Kosten

Der Bundesverband Rind und Schwein (BRS) befürchtet, dass die vorgesehene Novelle des Tierschutzgesetzes vor allem für Schweinehalter erhebliche Mehrkosten mit sich bringen wird. „Allein durch die vorgesehene Kennzeichnungspflicht verendeter Ferkel kommt auf einen Sauenbetrieb mittlerer Größe zusätzlich zu den bisherigen Aufzeichnungspflichten eine Arbeitsmehrbelastung von 70 Arbeitsstunden pro Jahr zu“, monierte BRS-Geschäftsführerin Dr. Nora Hammer.

Weitere Mehrkosten in Höhe von rund 1 Mrd. Euro entstünden Schätzungen zufolge durch geplante Verschärfungen beim Kupierverbot. Bedauerlich sei zudem, dass der vorliegende Referentenentwurf aktuelle Erkenntnisse bei der Schwanzbeißproblematik unberücksichtigt lasse. Teilergebnisse des vom BMEL selbst finanzierten Konsortialprojekts zum Verzicht auf Schwanzkupieren beim Schwein (KoVeSch) zeigten, dass mehr Platz und die Haltungsform allein das Schwanzbeißen nicht verhinderten.

Große Anstrengungen der Zuchtverbände

Der stellvertretende BRS-Geschäftsführer Stephan Schneider warnte zudem vor schwerwiegenden Eingriffen in die Tierzucht. Zwar sei die angestrebte Regulierung der Qualzucht grundsätzlich ein gutes Ziel. Allerdings seien die im Entwurf getroffenen Formulierungen derart offen gestaltet, dass selbst zu 100% gesunde Tiere von der Zucht ausgeschlossen werden könnten, gab Schneider zu bedenken. Die vom Staat anerkannten Zuchtbücher arbeiteten grundsätzlich mit dem Ziel, genetische Auffälligkeiten aus den in den Zuchtbüchern geführten Populationen zu eliminieren.

Die Rinderzucht- und Schweinezuchtverbände hätten schon in der Vergangenheit große Anstrengungen unternommen, Gesundheits- und Tierschutzaspekte als zentrale Eckpfeiler ihrer Zuchtprogramme zu etablieren und dabei enorme Fortschritte im Sinne des Tierwohls erzielt. „Genau diese Züchter und vom Staat anerkannte Zuchtverbände, die durch ihren hohen Organisationsgrad sehr viele tierschutzrelevante Untersuchungen vornehmen, würden nun benachteiligt“, beklagte der stellvertretende BRS-Geschäftsführer.
AgE
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Kommentare 
maximilian schrieb am 15.03.2024 16:04 Uhrzustimmen(1) widersprechen(0)
Landwirte sind Wirtschaftsbeteiligte wie andere Unternehmer. Verträge zwischen Landwirten und Staat sind kontraproduktiv und erdrücken das freie Unternehmertum. Wer einen Mehrfachantrag stellt, schließt einen Vertrag mit der EU. Auch Landwirte müssen sich auf dem Markt bewähren oder untergehen. Verträge mit dem Staat würde zu kolchoseartigen Strukturen führen. Verträge mit dem Staat enthalten die große Gefahr der erhöhten Vorgabenbelastung der Landwirte.
maximilian schrieb am 13.03.2024 18:40 Uhrzustimmen(3) widersprechen(0)
Krüsken liegt falsch, wenn er nationale Sonderwege befürchtet. Die Anbindehaltung erfüllt nicht die Anforderungen von Art. 3 und Art. 4 Nr. 1 und 2 des Europäischen Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen vom 10. März 1976. Ebenso wenig Nr. 1 und 2 des Anhanges Nr. 7 iVm Art. 4 der RL 98/58/EU des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 20. Juli 1998 zum Schutze landwirtschaftlicher Nutztiere. Sie verletzt auch die Zentrale Tierhaltervorschrift in § 2 Nr. 1 und 2 unseres Tierschutzgesetzes.
Das routinemäßige Verstümmeln von Kälber durch das Ausbrennen der Hornknospen ist rechtswidrig, also kriminell. Erlaubt ist dieser nicht-kurative Eingriff nur im Einzelfall und unter Anwendung aller Möglichkeiten die Schmerzen so gering wie möglich zu halten (§ 5 TierSchG). Letztere gesetzliche Anforderung wird nur mit einer lokalen Betäubung erfüllt. Für diesen komplizierten Eingriff ist der Tierarzt fachlich zuständig. Wer das nicht will, kann ganz auf das Enthornen verzichten. Es gibt mildere Alternativen wie z.B. die Verwendung genetisch hornlos vererbender Besamungsbullen. Es gibt bei der SVLGF Lehrgänge, die Wissen und Fähigkeit im tierfreundlichen Umgang mit Rindern vermitteln.
Auch das routinemäßige Schwanzkupieren bei Ferkeln und Lämmern ist rechtswidrig. Bei Lämmern gibt es mildere Alternativen durch Futtermanagement und Parasitenbekämpfung die Verdauungsstörungen der Lämmer zu verhindern. Auch bei den Ferkeln gibt es die Möglichkeit durch gezielte Maßnahmen Schwanzbeißen zu reduzieren. Freilich ist das pauschale Abschneiden der Schwänze, auch jener, die nie gebissen worden wären einfacher. Es verstößt jedoch auch gegen europäisches Recht in der RICHTLINIE 2008/120/EG DES RATES vom 18. Dezember 2008 über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen.
Alle Forderungen der konventionellen Landwirtschaft im Bereich der Tierhaltung sind darauf angelegt rechtswidriges, kriminelles Zuschneiden von Tieren auf ihre Haltungsbedingungen zu legitimieren. Das darf die Bundesregierung nicht tun ohne ihren Staatsauftrag aus Art. 20a GG den Tierschutz voranzubringen zu vernachlässigen. Die Landwirtschaft verlangt also von der Bundesregierung, geltendes Verfassungsrecht zu brechen, um ihre zweifelhaften Wünsche zu erfüllen. Mögen sich Christian Schmidt und Julia Klöckner dem Druck der Landwirtschaftslobby gebeugt haben, Herr Özdemir hat soviel Rückgrat und Verfassungstreue, dass er widersteht. Bauern, die weiterhin geltendes Tierschutzrecht brechen müssen, um existieren zu können, werden zwangsläufig das Handtuch werfen. Ohne dass sie von unserer Gesellschaft vermisst werden.
Bereits 2019 führen die Bayerischen Landwirtschaftsämter verstärkt Beratungen von Anbindehaltern hinsichtlich Neu- oder Umbau durch. % Jahre sind eine ausreichende Übergangsfrist. Eine noch längere Frist wäre hochgradig tierschutzwidrig.
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