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14.08.2023 | 12:17 | Cannabis-Legalisierung 

Aufklärung und reiner Stoff: Cannabis-Clubs in den Startlöchern

Dresden - Bald kann es losgehen: Von der Decke des Hanfladens «Sanaleo» in der Dresdner Neustadt baumeln diverse Hängepflanzen.

Cannabis-Club
Der Cannabiskonsum boomt. Seitdem Gesundheitsminister Lauterbach die Eckpunkte für die Freigabe vorgelegt hat, sprießen überall Cannabis-Clubs aus dem Boden. Die Industrieproduzenten fordern mehr Einfluss. c) proplanta
Auf einem Regal an der Wand sind mehrere kleine Glasbehälter aufgereiht, in denen getrocknete Cannabisblüten zu sehen sind. Der Ladenbesitzer, Martin Reuter, gibt Entwarnung. Der Verkauf von CBD (Cannabidiol) ist völlig legal. Denn der berauschende Cannabis-Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) liegt bei unter 0,2 Prozent. Mit dem geplanten Cannabis-Gesetz der Ampel-Regierung soll sich das jedoch bald ändern. Dann könnte auch Stoff verkauft werden, das «high macht» - also die Wahrnehmung verändert.

Cannabis für den medizinischen Gebrauch gibt es in Deutschland bereits seit 2017. Die Bundesregierung will einen Schritt weitergehen und den Anbau und die Abgabe von Cannabis innerhalb von Vereinen mit bis zu 500 Mitgliedern unter womöglich strengen Regeln erlauben. Zudem sollen Erwachsene 25 Gramm des Rauschmittels besitzen sowie maximal drei Pflanzen für den Eigenbedarf anbauen dürfen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rechnete zuletzt damit, dass sich das Kabinett diese Woche mit dem Gesetzentwurf befasst. Es werde «noch kleine Änderungen geben». Viele Cannabis-Enthusiasten sitzen für die Freigabe bereits in den Startlöchern. Allein in Dresden gebe es schon einige Vereine, erzählt Reuter. Auch er habe zusammen mit Freunden einen Club gegründet.

Einer Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums zufolge hat etwa jeder vierte erwachsene EU-Bürger Cannabis schon einmal in irgendeiner Form ausprobiert. Und es würden immer mehr Menschen, sagt der Suchtexperte Jakob Manthey vom Universitätsklinikum Leipzig: «Die Zahl der Konsumenten ist in den letzten Jahren stark gestiegen. 2010 haben rund drei Millionen Menschen in Deutschland angegeben, dass sie im letzten Jahr mindestens einmal Cannabis konsumiert haben.»

Diese Zahl sei um 70 Prozent angestiegen. «In den Jahren 2020 beziehungsweise 2021 lag die Konsumentenzahl bei rund fünf Millionen Menschen.» Zwar sei der Konsum vor allem bei jungen Menschen verbreitet. «Der Anstieg ist aber nicht durch Jugendliche, sondern vor allem durch Menschen über 30 Jahren zustande gekommen», erklärt Manthey. Der Konsum bei Jugendlichen sei in den vergangenen Jahren nicht signifikant gestiegen.

Gleichzeitig melden Ärzte und Psychotherapeuten eine Verdreifachung der Diagnosen für cannabisbezogene Störungen. Der Konsum kann etwa zu Halluzinationen oder Stimmungsveränderungen führen. Während der Trend bei Alkohol langfristig eher nach unten gehe, nehmen Manthey zufolge die Probleme durch den Cannabiskonsum zu. «Jetzt müssen wir überlegen, wie begleiten wir das als Gesellschaft, damit es nicht weiter zunimmt und damit den Leuten geholfen wird.»

Die Legalisierung sei dennoch ein Schritt in die richtige Richtung, findet Manthey. «Gut finde ich, dass sich die Bundesregierung Gedanken darüber macht, wie mit Cannabiskonsum in der Gesellschaft umzugehen ist, weil das ein Phänomen ist, welches uns schon seit einer Weile begleitet.»

Auch der CBD-Ladenbesitzer Reuter begrüßt die Pläne der Ampel-Koalition. Ihm sei vor allem wichtig, «dass man über die Thematik aufklärt und das auch mit einem gewissen moralischen Kompass macht». Eine Entkriminalisierung bedeute eine wesentliche Verbesserung der Konsumbedingungen ohne Angst vor Strafverfolgung und eine Minimierung der gesundheitlichen Risiken. Für ihn sei zunächst wichtig, mit anderen Clubs im Dresdner Umland zu netzwerken. Im September sei deshalb eine Veranstaltung geplant. Bis dahin werde hoffentlich auch klar sein, wie genau die Freigabe ablaufen werde.

«Wenn sich eine Cannabis-Industrie in Deutschland etablieren sollte, dann wird es sicherlich auch viele engagierte Menschen geben, die darauf Lust haben und darin eine Perspektive für sich finden», meint Reuter. Zudem könne er sich gut vorstellen, künftig mit etablierten industriellen Cannabis-Produzenten zusammenzuarbeiten. Bislang sehen die Pläne der Bundesregierung allerdings keinen freien Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften vor. Dies soll erst in einem zweiten Schritt in Modellregionen mit wissenschaftlicher Begleitung erprobt werden.

Dass industrielle Produzenten in den Plänen der Regierung aktuell nicht vorgesehen sind, sei ein Fehler, meint das Pharmaunternehmen Demecan im sächsischen Ebersbach. Der Konzern hofft weiterhin auf eine Einbindung in die Produktion von Genuss-Cannabis. Bislang darf das Unternehmen ausschließlich medizinisches Cannabis produzieren.

«Eigenanbau ist in Ordnung. Aber wenn man die Ziele des Gesetzes, nämlich Produktqualität, Gesundheitsschutz oder eine sichere Versorgung gewährleisten will, dann muss man auch den Anbau ein Stück weit professionalisieren», sagt Co-Gründer Constantin von der Groeben. Sonst gehe das Gesetz an der eigentlichen Intention vorbei.

«Man sollte die Zusammenarbeit zwischen den Anbauern, den Club-Mitgliedern und einem professionellen Anbauer auf jeden Fall zulassen und sogar fördern.» Indem die Bundesregierung große Wirtschaftsunternehmen aus der Produktion von Genuss-Cannabis ausschließe, werde «die massive Diskriminierung der deutschen Anbauer von medizinischem Cannabis fortgesetzt». Der Wirtschaftsfaktor für Deutschland dürfe bei den Plänen der Bundesregierung nicht vergessen werden.
dpa/sn
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