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31.03.2024 | 06:57 | Agrareinfuhren 

Handelsrestriktionen gegen Ukraine: EU-Mitgliedstaaten wollen nachverhandeln

Brüssel - Die EU-Mitgliedstaaten pochen auf Nachbesserungen beim Verordnungsvorschlag zu den autonomen Handelsmaßnahmen für die Ukraine.

Getreidehandel
Die EU-Botschafter wollen das Vorkriegsniveau stärker heranziehen. Zölle auf ukrainische Agrareinfuhren könnten damit früher greifen. (c) proplanta
Im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (COREPER) wurde am Mittwoch (27.3.) in Brüssel gefordert, dass in dem Bezugszeitraum  das Vorkriegsniveau der Agrarimporte aus der Ukraine stärker miteinbezogen werden sollte, um die sogenannte Notbremse zu aktivieren. Nach der zuletzt getroffenen Trilog-Übereinkunft zwischen Rat, EU-Parlament und Kommission sollen Lieferungen vorerst für ein Jahr über eine „Notbremse“ auf dem Niveau der durchschnittlichen Importmengen der Jahre 2022 und 2023 gedeckelt werden. Darüber hinausgehende Einfuhren sollen mit Zöllen belegt werden.

Die Mitgliedstaaten sprachen sich nun dafür aus, den Bezugszeitraum zusätzlich um die zweite Jahreshälfte 2021 zu verlängern. Dies ist deshalb wichtig, da die Agrarimporte vor Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 noch deutlich unter denen im Durchschnitt der Jahre 2022 und 2023 lagen. Genaue Zahlen dazu will die Kommission allerdings nicht preisgeben. Angewendet werden soll diese „Notbremse“ für ukrainische Einfuhren von Eiern, Geflügelfleisch, Zucker, Mais, Hafer, Getreideschrot beziehungsweise Grütze sowie Honig.

Ein knapper Zeitplan

Das Europaparlament ist nun gefordert, diesen Änderungen zeitnah nachzukommen. Dem Vernehmen nach soll dies in der Woche zum 22. April geschehen. Dies wäre der letztmögliche Termin vor den Europawahlen Anfang Juni. Bekanntlich drängt hier die Zeit, den die Maßnahmen laufen am 5. Juni aus. Sollte es bis dahin keinen Beschluss der EU-Gesetzgeber geben, droht der Ukraine, dass viele Agrarprodukte nicht mehr zollfrei eingeführt werden können.

Die autonomen Handelsmaßnahmen betreffen im besonderen Produkte, für die im Rahmen des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens der EU mit der Ukraine (DCFTA) bisher noch keine vollständige Zollfreiheit galt. Dies gilt unter anderem für Geflügelfleisch. Zudem können unverarbeitete und verarbeitete Agrarprodukte, für die regulär Zollkontingente vorgesehen sind, profitieren. Gleiches gilt für Obst und Gemüse, die im Normalfall dem Einfuhrpreissystem unterliegen würden.

„Das höchste der Gefühle“

Verschiedene Teilnehmerkreise aus dem COREPER berichten gegenüber AGRA-EUROPE, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten diese Entscheidung trotzdem „für das höchste der Gefühle“ halten, um den Kritikern - darunter Polen und Frankreich - entgegenzukommen und eine Mehrheit zu organisieren. Insbesondere Deutschland, Portugal und die Niederlande sollen mit Nachdruck davor gewarnt haben, der Ukraine in den Rücken zu fallen.

Die Europäische Kommission hält die Sorgen einzelner Mitgliedstaaten vor Marktverwerfungen in der EU durch Agrarimporte aus der Ukraine wiederum für weitgehend unbegründet. „Aktuell besteht hierfür kein akutes Risiko“, soll ein Vertreter der Brüsseler Behörde am Mittwochmorgen (27.3.) dem Vernehmen nach während der Beratungen im COREPER klargestellt haben.

Deutschland stimmt dagegen

Der deutsche Vertreter soll dem Vernehmen nach daher sogar gegen ein erneutes Aufschnüren der Trilog-Einigung vom Mittwoch (20.3.) votiert haben. Frankreich sprach sich ebenso gegen den Beschluss aus, allerdings aus gegensätzlichen Gründen: Paris beklagt nach wie vor, dass Weizen und Gerste nicht Teil der „Notbremse“ sein sollen.

Für Kopfschütteln unter vielen Beobachtern sorgt, dass die EU-Botschafter - inklusive Frankreich - dem Kommissionsvorschlag im Februar noch mit großer Mehrheit zugestimmt hatten. Die Kommission hatte lediglich für Eier, Zucker und Geflügelfleisch eine „Notbremse“ vorgeschlagen. Auch der beschriebene Bezugszeitraum lag lediglich zwischen 2022 und 2023. Im darauffolgenden Trilog machte sich das Europaparlament wiederum für deutliche Verschärfungen stark.

Agrarverbände machen Druck

Das Umschwenken Frankreichs erklären sich Beobachter mit der gestiegenen Einflussnahme verschiedener Verbände gegen die Kommissionspläne. So hatten jüngst der französische Bauernverband (FNSEA) sowie die Verbände der Erzeuger von Getreide (AGPB), Mais (AGPM), Zuckerrüben (CGB) und Geflügel (CFA) die Regierung in Paris öffentlich zum Einlenken aufgefordert.

Gegenwind kommt nach der Entscheidung der Mitgliedstaaten, das Paket neu aufschnüren zu wollen, auch von Seiten der EU-Agrarbranche. Sieben EU-Dachverbände, darunter die EU-Ausschüsse der Bauernverbände (Copa) und ländlichen Genossenschaften (Cogeca), die Europäische Geflügelfleischwirtschaft (AVEC) sowie die Europäische Zuckerindustrie (CEFS), bezeichnen den neuen Ansatz als „halbherzig“.

Die von den EU-Staaten geforderte Verlängerung des Bezugszeitraums um lediglich ein halbes Jahr sei keine wirkliche Antwort auf die Sorgen der Landwirte und Hersteller und würde nur eine sehr begrenzte Entlastung für die EU-Erzeuger bringen. „Ohne die Einbeziehung von Weizen und Gerste in die automatische Auslösung der Schutzmaßnahmen und ohne die Einbeziehung des gesamten Jahres 2021 in den Bezugszeitraum bleibt sie für Landwirte und Hersteller unhaltbar“, so die Dachverbände.
AgE
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