Auch in der Lieferkette müsse mehr Fairness einkehren gegenüber der Leistung der Landwirte, sagte Merkel am Mittwoch beim Deutschen Landfrauentag in Erfurt. Niedrige Milchpreise und die damit niedrigeren Ertragsaussichten gefährdeten die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe «sehr elementar», sagte sie. Der Bundesregierung sei das bewusst.
Bundesagrarminister Christian Schmidt «arbeitet auf allen Ebenen buchstäblich - von Brüssel bis zu unserem Finanzminister», sagte Merkel. Schmidt habe ihre «ganze Unterstützung». Der CSU-Politiker hatte den unter Preisverfall leidenden Bauern ein Hilfspaket von «100 Millionen Euro plus X» in Aussicht gestellt. Eine genaue Summe wurde bislang nicht genannt. Die Hilfsgelder müssen noch mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (
CDU) besiegelt werden.
Politik könne den Markt nicht ersetzen, gab Merkel zu bedenken. Das Markenzeichen ländlicher Räume seien bäuerliche Betriebe. «Dann müssen wir uns um deren Erhalt auch kümmern.» Es gehe «im wahrsten Sinne des Wortes um unser tägliches Brot», sagte die Kanzlerin. Nach ihren Worten ist die Landwirtschaft ein wesentlicher Faktor für die Anziehungskraft des ländlichen Raums. «Davon hängt ab, ob Familien für sich eine Zukunft auf dem Land sehen oder mehr Menschen in die Städte ziehen».
Einen kleinen Lichtblick in der tiefen Milchmarktkrise gibt es. Sowohl an den Großhandelsplätzen als auch im deutschen Einzelhandel tendiere der Butterpreis von einem sehr niedrigen Niveau aus wieder nach oben, teilte die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW am Mittwoch mit. Selbst im Discountbereich sei ein Anstieg von 70 auf 90 Cent für das 250-Gramm-Stück Deutsche Markenbutter zu beobachten. Auch der Preis für Käse steige leicht.
Da die Lieferverträge für Butter und Käse jedoch meist nur eine kurze Laufzeit hätten, und der Export eine wichtige Rolle spiele, sei eine Prognose schwierig. «Es lässt sich nicht absehen, wie sich der Markt im Herbst darstellen wird», sagte Vorstandsmitglied Wilhelm Brüggemeier. Bei Trinkmilch, die derzeit im Lebensmittelhandel ab 42 Cent je Liter angeboten wird, gelten in der Regel Halbjahresverträge. Neue Kontrakte greifen damit erfahrungsgemäß erst ab November.
Die Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes, Brigitte Scherb, sagte, die Mitglieder sorgten sich nicht nur um die Zukunft der Milchbauern, sondern auch um die anderer Landwirte. «Die entscheidende Frage ist die nach der Akzeptanz einer vielseitigen Landwirtschaft.» Es brauche dringend neue Lösungen zwischen Erzeugern, Molkereien, Handel und Verbrauchern, forderte Scherb. Zwar sagten die Menschen bei Umfragen, sie würden mehr für einen Liter Milch und andere Produkte zahlen. «Aber der Spruch: Am Regal endet die Moral, trifft leider noch zu oft zu.»
Am Rande des Merkel-Besuchs gab es Proteste. Auf Plakaten wurde die Bundeskanzlerin unter anderem aufgefordert, das Freihandelsabkommen TTIP zu stoppen.