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04.09.2016 | 10:58 | Milchpolitik 

Milchmengendrosselung: Windhundverfahren oder doch nicht?

Brüssel - Milchbauern, die ihre Milcherzeugung reduzieren und im Rahmen des EU-Programms über 150 Mio. Euro einen Antrag auf Ausgleich stellen, müssen möglicherweise mit einem niedrigeren Auszahlungsbetrag kalkulieren.

EU-Milchpolitik
Wird die beantragte Menge bei Überschreitung der 150 Millionen Euro anteilig gekürzt? (c) proplanta
Zumindest schloss der stellvertretende Leiter der Landwirtschaftsabteilung der EU-Kommission, Joost Korte, dies bei der Vorstellung des neuen Hilfspakets für die Milchbauern am Dienstag (30.8.) im Landwirtschaftsausschuss des Europaparlaments nicht aus. Wie Korte berichtete, sollen die insgesamt für die Verringerung der Milchproduktion vorgesehenen 150 Mio. Euro im Windhundverfahren gewährt werden. Das Geld könne also schon kurz nach dem Start am 21. September und vor dem Ende der Laufzeit, Ende Marz 2017, ausgeschöpft sein, sagte der Niederländer gegenüber den EU-Agrarpolitikern. Landwirte, die zwischen Oktober und Dezember die Milchmenge im Vergleich zum Vorjahr drosselten, würden bei Genehmigung ihres Antrages spätestens 90 Tage nach Abschluss der Kürzungsperiode das Geld erhalten.

Korte erklärte jedoch auch, dass die Kommission einen Koeffizient zur Reduzierung der Mengen nutzen werde, sollten die Anträge das Fördervolumen insgesamt übersteigen. Die 14 Cent/kg seien fest, aber der Landwirt erhalte dieses Geld möglicherweise für eine geringere Menge als beantragt. Im Ausschuss stieß dies auf scharfe Kritik: Mehrere Europaabgeordnete monierten, dass dann für die Landwirte keine Planungssicherheit mehr bestehe. Die Landwirte wüssten nicht, mit welchen Mitteln sie genau aus dem Topf rechnen könnten.

Nur ein Fünftel des jüngsten Zuwachses

Wie Korte außerdem im Ausschuss berichtete, wird die Kommission die insgesamt sieben Rechtsakte zu demMilchpaket - drei delegierte Rechtsakte und vier Durchführungsvorschriften - voraussichtlich im Eilverfahren kommende Woche am Donnerstag (8.9.) oder Freitag (9.9.) annehmen. Von den EU-Abgeordneten im Landwirtschaftsausschuss wurden indes erneut auch grundsätzlich Zweifel darüber geäußert, ob das Paket überhaupt greifen und zu einer tatsächlichen Verbesserung der Lage der Milchbauern führen wird.

Der agrarpolitische Sprecher derGrünen/EFA im Europaparlament, Martin Häusling, gab zu bedenken, dass mit dem 150-Mio.-Euro-Programm lediglich etwas mehr als 1 Mio. t Rohmilch aus dem Markt genommen werde, was nur etwa einem Fünftel der Milchmengensteigerung der jüngsten Zeit entspreche. Dies sei ungenügend für eine substantielle Erhöhung der Milchpreise, so Häusling.

Wendepunkt

Aus Sicht des European Milk Board (EMB) markiert das zweite EU-Hilfspaket indes einen wichtigen Wendepunkt in der EU-Milchpolitik. Mit den Maßnahmen zum freiwilligen Lieferverzicht werde nach vielen Fehlschüssen nun endlich an der Produktionsseite angesetzt, betonte EMB-Präsident Romuald Schaber am vergangenen Montag (29.8.) in Brüssel. Der Lieferverzicht, eine Forderung des EMB, sei ein Grundstein-Element, um Überproduktion und Preisverfall entgegen zu steuern.

„Wir begrüßen den Vorstoß der EU-Kommission und Agrarminister“, so Schaber. Die Ausgestaltung der Maßnahmen sei zwar verbesserungsfähig, aber die Milcherzeuger seien einen Schritt vorwärts gekommen. Laut Schaber fehlt es vor allem an einer konsequenten europäischen Umsetzung der Mengenreduzierung und einem angemessenen Budget. Ein Hemmschuh sei, dass die Produktion aller EU-Länder während der Reduktionsperiode nicht gedeckelt und die Entschädigungszahlungen sehr niedrig angesetzt seien. Umso wichtiger sei es, dass die Mitgliedstaaten auch Geld aus dem 350-Mio.-Euro-Paket für zusätzliche Mengenreduzierungen einsetzten. „Eine schnelle Erholung der Milchpreise ist für das Überleben der europäischen Betriebe unerlässlich“, betonte der EMB-Präsident.
AgE
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