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15.09.2009 | 14:18 | Agrarpolitik 

Schindler: Landwirte stehen mit dem Rücken an der Wand

Bad Dürkheim - Anlässlich der 19. Ordentlichen Delegiertentagung des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd e. V., die am 14. September 2009 in Bad Dürkheim stattfand, forderte der Präsident des BWV, Norbert Schindler, MdB, eine drastische Entlastung der landwirtschaftlichen Betriebe.

Valtra Schlepper
(c) proplanta
Nahezu alle Produktsparten von Gemüse über Obst, Kartoffeln, Milch, Getreide bis hin zu Vieh- und Fleisch hätten in diesem Jahr unter extrem niedrigen Erzeugerpreisen zu leiden, so Schindler. Es sei für die heimischen Landwirte existenzbedrohend, dass sich die Produktionskosten im vergangenen Jahr verdoppelt, die Erzeugerpreise jedoch halbiert hätten. Die neu eingeleitete Runde im Preiskampf der Discounter in der vergangenen Woche sei für die gesamte Agrarwirtschaft ruinös.

Schindler forderte daher ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Entlastung der landwirtschaftlichen Unternehmen. Die Finanzkrise hätte die Landwirte bereits vor Monaten "mit voller Wucht" erreicht, erläuterte der BWV-Präsident. Darüber hinaus sei der Preiskampf des Lebensmitteleinzelhandels, der vor weinigen Tagen in eine neue Runde gegangen sei, ruinös für die heimischen Betriebe. Es sei katastrophal, dass die Landwirte als „letztes Glied in der Kette" die Zeche für diesen Preiskampf zahlen müssten.

Im Rahmen seiner agrarpolitischen Rede forderte der BWV-Präsident daher strukturelle Anpassungen der Vermarktung von Obst- und Gemüse, um dem Lebensmitteleinzelhandel im Rahmen der Verhandlungen endlich auf Augenhöhe begegnen zu können. Gleichzeitig forderte Schindler den Lebensmitteleinzelhandel massiv und mit Nachdruck auf, seinen Preiskampf aufzugeben und stattdessen gewinnbringende Preise an die Erzeuger zu zahlen. „Die Handelsketten bekämpfen sich nicht nur gegenseitig sondern die gesamte Landwirtschaft gleich mit", stellte der BWV-Präsident fest.

Auch im Milchbereich sei die Lage weiterhin katastrophal. Es sei unumgänglich, dass die EU-Kommission endlich die Forderungen des Bauernverbandes nach Maßnahmen, die einen absatzfördernden Effekt mit sich bringen, aufgreife. Hierzu gehöre die Wiedereinführung der Beihilfe für Bäckerbutter, Speiseeis und der Verfütterungsbeihilfe für Milchpulver ebenso wie die Verstärkung der Exportaktivitäten und eine deutlichen Anhebung der Exportbeihilfen. Zudem seien auch im Molkereibereich strukturelle Anpassungen erforderlich, um den Handelskonzernen nicht länger schutzlos ausgeliefert zu sein. Von einer Beteiligung am Milchstreik der französischen Milchbauern müsse jedoch abgeraten werden. Durch den Milchstreik im vergangenen Jahr hätte der Preisrückgang nicht gestoppt werden können, den Betrieben sei jedoch ein großer finanzieller Schaden entstanden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf habe zudem in der vergangenen Woche entschieden, dass der Milchstreik im vergangenen Jahr gegen das Kartellrecht verstoßen hat.

Im Durchschnitt liege der Anteil, den Landwirte von jedem Euro der Verbraucherausgaben erhalten, bei rund 23 % und bei Brotgetreideerzeugnissen sogar nur bei 4 %, erläuterte BWV-Präsident Schindler. Noch in den 70er Jahren hätten die Landwirte hiervon einen Anteil in Höhe von 47,5 % erhalten. Für die Verbraucher sei der Einkauf hochwertiger Nahrungsmittel derzeit günstig wie nie. Im Jahr 1975 hätten Verbraucher rund 23 % ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen. Heute liege dieser Anteil nur noch bei 12-14 %. Im gleichen Zeitraum seien die Landwirte in den vergangenen  Jahren jedoch mit immer höheren Kosten für Produktions- und Umweltauflagen belastet worden, so Schindler.

Darüber hinaus forderte Präsident Schindler, das vor wenigen Monaten zur Verfügung gestellte Liquiditätsprogramm müsse für alle Betriebszweige gleichermaßen mit einer Zinsverbilligung in Höhe von 2 % angeboten werden, da nahezu alle landwirtschaftlichen Bereiche von der aktuellen Preismisere betroffen seien. Derzeit werde das Programm für Viehhalter mit 2 %, für alle anderen Bereiche mit 1 % Zinsverbilligung angeboten. Auch für die seit Monaten vom gesamten Berufsstand geforderte Risikoausgleichsrücklage müsse endlich der Weg geebnet werden, so BWV-Präsident Schindler.  

In der Frage der Hektarhöchsterträge im Weinbau, die im Rahmen der Reform der Europäischen Weinmarktordnung novelliert werden mussten, begrüßte der BWV-Präsident, dass mit der Veröffentlichung der Regelung am 11. September Rechtssicherheit vor der diesjährigen Hauptlese geschaffen wurde. Die Festlegung der Hektarhöchsterträge sei in vielen Gremien und Ortsvorsitzendentagungen des BWV intensiv diskutiert worden. Mit dem gefundenen Kompromiss, wonach für QbA und Prädikate künftig ein Hektarhöchstertrag von 105 Hektoliter je Hektar, für Landwein und Wein mit Rebsorte und Jahrgang in Höhe von 125 Hektoliter je Hektar, für Wein ohne Rebsorte und Jahrgang 150 Hektoliter je Hektar und für Grundwein ein Hektarhöchstertrag in Höhe von 200 Hektoliter je Hektar gelte, könne man zufrieden sein.

Darüber hinaus sei aufgrund der zufriedenstellenden Witterungsbedingungen im Jahresverlauf ein sehr guter Jahrgang 2009 zu erwarten, so Schindler. Der Ertrag werde nach aktuellen Schätzungen von Weinbausachverständigen um etwa 9,3 % unter dem Vorjahr liegen. Der BWV-Präsident forderte daher die Winzer auf, im diesjährigen Herbstverlauf Ruhe zu bewahren und nicht auf Dumpingangebote der Kellereien einzugehen. "Wir erwarten einen ruhigen Herbstverlauf und gehen von einer entspannten Marktlage aus", so Schindler. (bwv)
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