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26.04.2015 | 13:41 | Mindestlohn und Ukraine-Krise 
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Streit in der großen Koalition

Berlin - Selbst in der Heimat führender Genossen dominiert Angela Merkel.

Angela Merkel steht vor großen Aufgaben
Es soll ein «Frühjahr der Entscheidungen» werden. Die große Koalition muss bis zum Sommer noch dicke Bretter bohren. Aber es gibt Reibereien und gegenseitiges Misstrauen. Bei der SPD fordern sie ein Machtwort der Kanzlerin. (c) proplanta
So musste SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann letztes Jahr bei einer Besteigung des 1.141 Meter hohen Brocken feststellen, dass oben beim Brockenwirt ein Bild der Kanzlerin hängt.

«Ich bringe Ihnen mal ein Bild von Sigmar Gabriel mit», versprach Oppermann, damit auch der SPD-Chef, der ebenfalls in der Nähe wohnt, dort vertreten ist. Eine sinnbildliche Szene. Die Sozialdemokraten machen und tun, rackern sich ab, aber Merkels Ansehen steht ihnen im Wege.

«Sie wird - weil sie muss. Denn ohne Merkel geht die Union unter», sagte Oppermann vor wenigen Tagen der «Bild»-Zeitung mit Blick auf eine erneute Kandidatur Merkels bei der Bundestagswahl 2017. Doch bis dahin muss noch etwas Politik von Union und SPD gemeinsam gemacht werden. Vor dem Koalitionsgipfel am Sonntagabend im Kanzleramt war es mal wieder CSU-Chef Horst Seehofer, der die Latte verbal hoch hängte - und den Koalitionspartner an einer empfindlichen Stelle kitzelte.

Hinter dem sperrigen Wort «Bund/Länder-Finanzbeziehungen» verbirgt sich eine der größten Reformen, die die Koalition noch schaffen will. Was soll etwa aus dem ungeliebten Solidaritätszuschlag werden, wenn er 2019 erst einmal ausläuft? Die SPD würde ihn gerne danach in die Einkommensteuer integrieren, damit die klammen Länder auch etwas von den bisher dem Bund zustehenden Milliardeneinnahmen bekommen. Die Union will ihn zwar auch nicht gleich beerdigen, aber schrittweise abschaffen. Spätestens bis 2029. Seehofer spricht vollmundig von der «größten Steuersenkung aller Zeiten» mit 20 Milliarden Euro Volumen.

Er droht, das «Soli»-Thema ohne Einlenken der SPD 2017 zum großen Wahlkampfthema zu machen - und die Union als Steuersenkungspartei zu profilieren. Zudem will Bayern den Länderfinanzausgleich um zwei Milliarden Euro reduzieren. Dass Seehofer parteiintern unter Druck steht, macht die Verhandlungen nicht einfacher. Zu dem geplanten Paket gehört auch die Frage, ob der Bund sich stärker als bisher an den Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen beteiligen muss.

Dieses Thema - das zeigen die Katastrophen im Mittelmeer - wird noch eine enorme Herausforderung, auch was die Verteilung von Flüchtlingen in Deutschland anbelangt und die Toleranz der deutschen Bevölkerung ihnen gegenüber. Anders als Gabriel hat Merkel aber in letzter Zeit kein Flüchtlingsheim besucht, um vor Ort ein Zeichen zu setzen.

Fast klein wirkt dagegen der Streit über die Bürokratie beim seit Januar geltenden Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde - die Union hätte es gern, wenn die Lohngrenze für die Dokumentation von Anfang, Dauer und Ende der Arbeitszeit von 2.958 Euro auf 1.900 Euro gesenkt würde. Dabei geht es um für Schwarzarbeit anfällige Branchen, wie Bau und Gastronomie. Zudem wird seit Wochen um mehr Flexibilität etwa für Gastwirte, Schausteller, Landwirte und Ehrenamtliche gerungen.

Vieles muss in diesem Frühjahr gelöst werden. Aber die Einigungs- und Kompromissbereitschaft wird aus Seehofers Sicht nicht dadurch erhöht, dass Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) auf ein juristisches Scheitern des CSU-Projektes Betreuungsgeld für Eltern setzt, die ihr Kind nicht in die Kita geben. Zwar mag vieles aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet sein, aber es war schon bei der großen Koalition von 2005 bis 2009 so, dass äußere Krisen den Handlungsdruck erhöhten. Heute weiß keiner, wie sich das Flüchtlingsthema entwickelt und ob Griechenland in der Eurozone gehalten werden kann. Und wie sich der Konflikt im Osten der Ukraine entwickelt? Die Lage ist fragil.

Laut ARD-Deutschlandtrend sind 56 Prozent der Bürger mit der Arbeit der Koalition zufrieden. Das liegt auch am Zusammenspiel von Merkel, Gabriel und Seehofer. Aus ihrem Kreis dringt kaum etwas nach draußen. Doch es zeigen sich auch feine Risse. «Dies ist eine Regierung. Jedes Projekt jedes einzelnen Ministers ist auch ein Projekt unserer gesamten Regierung», hatte Merkel im Januar 2014 bei der Kabinettsklausur in Meseberg als Leitmotiv ausgegeben.

Dazu gehört das Projekt, den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Um das Klimaziel zu schaffen, schlug Wirtschaftsminister Gabriel eine Abgabe für alte Kohlekraftwerke vor. Aber die Union kämpft an Seite der Gewerkschaften und der Wirtschaft dagegen. «Es wäre praktisch, wenn Merkel jetzt mal Stellung beziehen würde», heißt es bei der SPD genervt, und dass sie Gabriel im Regen stehen lasse. Wenngleich es auch bei der SPD Widerstände gibt.

Der Kohle-oder-Klima-Streit soll auch bis zum Sommer irgendwie gelöst werden, genauso wie der von Seehofer bekämpfte Bau von Stromtrassen nach Bayern. Es sind strukturelle Weichenstellungen von großer Tragweite. Und alle wissen: Dieses Jahr ist wegen der vielen Landtagswahlen im kommenden Jahr wohl das letzte Jahr, in dem diese übergroße Koalition noch einmal richtig Politik machen könnte. (dpa)
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Kommentare 
Neanderthaler schrieb am 26.04.2015 19:58 Uhrzustimmen(148) widersprechen(43)
Man kann nur hoffen, dass diese Koalition des 4. Reichs bald beendet sein wird........
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