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15.06.2020 | 02:07 | Vorgehen der Bundesländer 

Thüringen ohne Kontaktbegrenzung: Neue Corona-Fälle

Erfurt / Jena - Familienfeiern, Essen in größeren Runden, Anstoßen bei bestandenen Prüfungen: In Thüringen sind solche Zusammenkünfte seit Samstag wieder möglich.

Hygieneregeln
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Als erstes Bundesland hat Thüringen die Kontaktbeschränkungen aufgehoben. Daran gibt es Kritik, auch im Land selbst. Ab Montag zieht mit Brandenburg ein weiteres Land nach. Derweil wurden neue Corona-Fälle bekannt - etwa in einem Pflegeheim im Eichsfeld. (c) proplanta
Als erstes Bundesland hat der Freistaat seine Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie beendet und aufgehoben. Bislang durften sich im Freistaat nur Menschen von maximal zwei Haushalten treffen.

Nun gelten nur noch Empfehlungen: Man soll sich mit nicht mehr als einem weiteren Haushalt oder zehn weiteren Menschen treffen. Daran gibt es Kritik, auch in Thüringen selbst.

Als «verfrüht» kritisierte Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) das Ende der Kontaktbeschränkungen. Die Verordnung sei mutig, sagte er in einer Videobotschaft zum Wochenende. «Nur ist das eine Art Mut, dessen Nachbar der Leichtsinn ist.» Jena war in der Corona-Pandemie bundesweit Vorreiter in Sachen Maskenpflicht.

Es sei zwar gut, die Eigenverantwortung der Bürger zu stärken, betonte Nitzsche. Er befürchte aber, dass Corona-Leugner und Masken-Gegner die neuen Freiheiten ausnutzen werden. «Die Disziplin Vieler (...) kann durch die Nichtdisziplin einiger Weniger unterlaufen und am Ende komplett ausgehebelt werden. Und wir haben keine Handhabe dagegen.»

Zuvor hatte der thüringische Landkreistag die neue Grundverordnung sowie die Verordnung des Bildungsministeriums zu Kitas und Schulen kritisiert. Sie müssten schnellstens überarbeitet und den realen Bedingungen vor Ort angepasst werden, hieß es.

In anderen Bundesländern drohen bei Verstößen Bußgelder. Wer sich in Thüringen nicht an die Empfehlungen hält, muss mit keinerlei Konsequenzen rechnen. Bayern nannte den Weg des kleinen Nachbarlandes «unverantwortlich», auch Hessen reagierte skeptisch.

Brandenburg hingegen zog am Freitag nach: Ab Montag fallen auch in diesem Bundesland die Kontaktbeschränkungen. Abstands- und Hygieneregeln aber bleiben - wie in Thüringen auch. In vielen Bundesländern gelten Kontaktbeschränkungen dagegen noch bis mindestens Ende Juni.

Alle Freiheiten haben die Thüringer aber noch nicht zurück. Im öffentlichen Personenverkehr wie Bus, Bahn oder Tram müssen die Menschen weiterhin Masken tragen, genauso in Geschäften und Supermärkten. Diskotheken und Bordelle bleiben geschlossen.

Ausladende Familienfeiern mit mehr als 30 Menschen in geschlossenen Räumen oder mehr als 75 Menschen unter freiem Himmel müssen bei der jeweiligen Kommune zwei Tage im Voraus angemeldet werden.

Kritik gibt es in Thüringen auch daran, dass Kontaktdaten von Gästen in Gaststätten sowie von Besuchern öffentlicher Veranstaltungen und Einrichtungen erfasst werden müssen. Das bedeute sehr viel Bürokratie, monierte Dirk Ellinger, Hauptgeschäftsführer des Thüringer Hotel- und Gaststättenverbandes.

Noch immer sei deswegen die Unsicherheit bei Gästen und Wirten groß. «Hierzu erreichen uns sehr viele Rückfragen», sagte Ellinger. Berichtet werde zudem von einer Überlastung vieler Gesundheitsämter, so dass Hotels weiter auf die Freigabe ihrer Wellnessbereiche warten müssten.

Trotz der neuen Corona-Lockerungen habe die Gastronomie weiter mit Umsatzeinbußen zu kämpfen, sagte Ellinger am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. «Wir liegen immer noch bei nur 50 Prozent.» Immerhin verzeichneten die Wirte wieder mehr Anfragen für Familienfeiern. Nach den vielen coronabedingten Stornierungen bis in den Sommer hinein liege auch dieser Bereich weiter deutlich unter Vorjahresniveau.

Auch der Bauernverband sprach von einem enormen bürokratischen Aufwand für Hofläden und Fleischereien mit Imbissangebot wegen der Erfassung der Kundendaten. Das trifft auch kulturelle Einrichtungen. So haben die KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora vorerst ihre Ausstellungen und historischen Gebäude geschlossen, weil die Erfassung der Besucherdaten für die mehr als ein Dutzend zu besichtigenden Gebäude so schnell nicht zu organisieren gewesen sei.

Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) verteidigte die Regelung in einem Video auf Twitter. «Mehr Lockerung bedeutet, dass auch die Gefahr von Infektion steigt», erklärte sie. Deswegen sei es wichtig, dass im Ernstfall Infektionsketten schnell unterbrochen werden können. Dafür seien die Kontaktdaten nötig.

In Thüringen wurden nach Angaben der Staatskanzlei am Wochenende 17 neue Infektionen gemeldet. Ihre Zahl stieg damit seit Ausbruch der Pandemie auf 3.169. Die Infektionsrate pro 100.000 Einwohner wöchentlich wurde am Sonntag landesweit mit 3,6 angegeben.

In den Kreisen Sonneberg und Greiz ist die Rate zweistellig - in Sonneberg lag sie mit fast 33 nur knapp unter der in der Landesverordnung festgelegten kritischen Marke von 35. Im Eichsfeldkreis wurde nach einer Coronainfektion bei einer Mitarbeiterin eines Pflegeheimes am Wochenende der Krisenstab des Landratsamtes reaktiviert.
dpa/th
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