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06.03.2021 | 13:19 | Corona-Lockerungen 

Woche der Wahrheit: Öffnungsschritte und Tests auf Bewährungsprobe

Berlin / Mainz / Dresden / Potsdam - An diesem Freitag sitzt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nicht wie viele Male zuvor vor allem zur Aufklärung über die Corona-Lage auf dem Podium der Bundespressekonferenz. Heute geht es auch um ihn persönlich und das Krisenmanagement der Regierung.

Coronatest
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Mehr Freiheiten und mehr Tests - ab Montag soll für die Menschen in Deutschland eine neue Phase der Pandemie anbrechen. Ob die flächendeckenden Corona-Tests klappen, ist auch ein Test für die Regierungen von Bund und Ländern. (c) proplanta
Der Koalitionspartner SPD hat sich längst auf Spahn eingeschossen. Seit knapp zwei Wochen häufen sich auch an vielen anderen Stellen die Negativkommentare. Die Unterstützung und Akzeptanz der Bevölkerung für die Krisenbewältigung des Staats sinkt, Spahns Popularitätswerte sind im Keller. Nun kommt ab Montag also die nächste Pandemiephase.

Das Land lockert sich ein bisschen. Es öffnen Blumen- und Buchläden, Gartencenter und Kosmetikstudios. Bei Letzteren soll man vielfach einen Test haben müssen. Auch der weitere Einzelhandel macht vielfach wieder zaghaft auf, mit Begrenzungen auf wenige Kunden und teils nach Terminvergabe. Dafür sollen flächendeckend Tests anlaufen - klappt das?

Spahn wird von seinen Kritikern vorgeworfen, nicht für genug Tests gesorgt zu haben. Selbsttests werden am Samstag nun zuerst bei Aldi angeboten. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagt im «Spiegel»: «Ich habe kein Verständnis, warum die Bundesregierung nicht dafür gesorgt hat, dass wir die Lieferungen von Selbsttests für Kitas und Schulen bekommen, bevor Aldi versorgt wird.» Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wirft dem Bund «schwere Versäumnisse» vor.

Dabei ist beim Testen - wie beim Impfen - Tempo und ein Einsatz in der Breite gefragt. Die ansteckendere und laut RKI-Chef Lothar Wieler auch gefährlichere Corona-Variante B.1.1.7 ist jetzt dabei, die Oberhand im Land zu gewinnen. Die Inzidenz steigt trotz Lockdowns. Mit weiterer Verbreitung werde es «noch schwieriger, das Virus im Zaum zu halten», mahnt Wieler.

Spahn stellt die Sache so dar: Bei den Schnelltests gibt es einen Rahmenvertrag des Bundes mit den Herstellern über 50 Millionen Stück pro Woche für Deutschland. Von denen hätten Länder und Kommunen bisher um die 10 Millionen abgerufen. Der Vertrag soll sicherstellen, dass Deutschland von weltweit begehrten Tests genug bekommt. Dazu kommen Tests aus einem EU-Kontingent. Und es kommen eben die Selbsttests zum Eigengebrauch hinzu - wohl rund 20 Millionen Stück pro Woche.

Ab Montag also sollen die Schnelltests - mit geschultem Personal und Wattestäbchen tief in Mund und Nase - in Apotheken, bei Testzentren, in Praxen kostenlos durchführbar sein. Das ist der Starttag für die Kostenübernahme durch den Bund. Doch in vielen Ländern gibt es dann nicht sofort die Tests. Wie lang werden Schlangen vor Apotheken? Werden Schuldirektoren händeringend auf Tests warten?

«Wir sind doch Logistikweltmeister», sagt Spahn. «Wenn ein Land sagt, wir haben 1.000 Schulen, (.), bitte liefert an jede Schule in den nächsten drei Wochen so und so viele Selbsttests, dann kriegt das jeder deutscher Logistiker und Hersteller miteinander hin.» Und dann? Wenn es einmal genügend Tests gibt? Wie das genau ablaufen soll, steht in keinem der Beschlüsse der Regierung.

Da ist etwa die Frage, ob denn die Testergebnisse digital erfasst werden. Schließlich soll es nur ein bis zwei Schnelltests pro Woche auf Staatskosten geben. «Wir sollten doch gemeinsam positiv wahrnehmen, was da vor Ort alles pragmatisch, kreativ, agil, innovativ schon längst entstanden ist», meint Spahn. «Das gibt es doch alles. Die meisten Testzentrenanbieter, die ich erlebe, haben doch die digitale Möglichkeit, das Testergebnis zu dokumentieren.»

Immer wieder versucht der Minister, dem Versagensvorwurf an Verwaltung und Politik etwas entgegenzusetzen. Ein Test als Eintrittsbedingung zum Essengehen zum Beispiel - wie soll das gehen?

«Es wird doch so sein irgendwann», meint Spahn, «dass vor dem Restaurantbesuch da eine Stelle ist vor dem Restaurant.» Dann kämen also zum Beispiel die für Tisch 15 um 19.15 Uhr angemeldeten fünf Personen. «Da ist vielleicht draußen ein kleines Zelt aufgebaut», so Spahn. Die Leute machten dort eventuell bei einem kleinen Getränk, aber durchaus unter Aufsicht den Selbsttest. «Das muss doch nicht alles der Bund, noch nicht einmal die Länder en détail regeln.»

Es mag sein, dass Spahn gerade jetzt leicht klingen will - angesichts der schlechten Laune, die sich in den Äußerungen vieler Menschen in Deutschland zur Regierungspolitik derzeit zeigt. Wie passen optimistische Szenarien angesichts des in Umfragen dokumentierten Lockdown-Widerwillens aber zu den düsteren Corona-Prognosen?

Ein Modell von Wissenschaftlern der TU Berlin zeigt: Eine dritte Welle wäre wohl auch mit Beibehaltung der bisherigen Maßnahmen nicht zu vermeiden gewesen. Das Team um Mobilitätsforscher Kai Nagel findet Schnelltests nun richtig. Aber die Forscher erklärten schon nach den Bund-Länder-Beschlüssen von Mittwochabend: Ein Test pro Woche könnte zu wenig sein. Testen zweimal pro Woche - das solle die Devise sein.

Auch wichtig dafür wäre, dass die Unternehmen Tests für ihre Mitarbeiter in den Betrieben anbieten. Eine Beratung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Wirtschaft wurde am Freitag aber abgesagt. Die Wirtschaftsverbände hatten der Regierung Dutzende Fragen geschickt.

«Findet eine Refinanzierung der Beschaffungs- und Durchführungskosten der Unternehmen statt?», wollten sie wissen. Und ob eine Erstattungsmöglichkeit vorgesehen sei, ob die Unternehmen die Tests selbst beschaffen und bezahlen sollen und ob es «erste Schulungskonzepte in Abstimmung mit Wissenschaft und Bildungsträgern» gebe.

Wenn man solche Tests durchführt, muss man eigentlich vor allem fachgerecht Wattestäbchen in Rachen und Nase führen können. Aus Regierungskreisen hieß es am Nachmittag, dass die Regierung mit den bisherigen Vorschlägen der Wirtschaft unzufrieden sei.

Unbedingt vermeiden will die Politik Zustände wie vor einem Jahr bei den damals raren Masken. Die turbulente Beschaffung unter Hochdruck durch sein Ressort damals beschäftigt Spahn noch heute - vor allem der Umstand, dass der aus Spahns westfälischer Heimat stammende Logistikunternehmer Fiege damals einen großen Auftrag für den Transport aus China, Lagerung und Verteilung erhielt.

Die «Zeit» berichtet nun, dass das Ministerium definitiv keine anderen Angebote eingeholt, sondern nur mit anderen gesprochen habe. Nun prüfe der Bundesrechnungshof den Fall.
dpa
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