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11.03.2015 | 11:04

Zu wenig faires Palmöl in Deutschland

Palmölproduktion
Unsere Konsumgewohnheiten haben oft direkte Folgen für das Leben von Menschen in Entwicklungsländern. «Fairhandel statt Freihandel», sagt Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Bei vielen Produzenten und Importeuren von Palmöl ist die Botschaft noch nicht angekommen. (c) proplanta

Probleme des Palmöl-Marktes



«Nahrungsmittel, Futter, Fasern, Treibstoff», in dieser Reihenfolge sollten Pflanzenstoffe in einer nachhaltigen und sozial gerechten Wirtschaft verwertet werden. Das bedeutet: Zuerst isst der Mensch, dann frisst das Tier. Erst wenn beide satt sind, werden Agrarflächen und nachwachsende Rohstoffe auch für die Herstellung von Textilien, Shampoo und anderen Produkten genutzt.

Bleibt zuletzt noch Biomasse übrig, kann man diese als Kraftstoff nutzen oder in Biogasanlagen verwerten und so die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren.

Dass die Realität in der schönen neuen Bio-Welt jedoch meist ganz anders aussieht, erlebt Rafael Schneider von der Welthungerhilfe in seiner täglichen Arbeit. Er sagt Sätze wie: «Wir finden nicht, dass die Menschen arm bleiben sollten, um das Klima zu schützen» und «Je mehr Wegwerf-Textilien wir kaufen, desto mehr landwirtschaftliche Flächen werden nicht mehr für die Nahrungsmittel-Produktion, sondern für den Anbau von Baumwolle genutzt».

Die Welthungerhilfe hofft, so wie andere deutsche Entwicklungshilfe-Organisationen auch, dass die Bundesregierung den G7-Gipfel in Elmau nutzen wird, um andere Industrienationen als Verbündete im Kampf gegen diese Fehlentwicklungen zu gewinnen.

Schneider glaubt, dass man dafür langfristig auch eine politische Dividende erwarten kann. Er sagt: «Wer arm ist und hungert, der verursacht Probleme, Krisen und Konflikte.» 

Ein besonders krasses Beispiel dafür, wie veränderte Konsumgewohnheiten und Bevölkerungswachstum in einigen Staaten Hunger und Umweltzerstörung in anderen Teilen der Welt verursachen können, ist für ihn die rasante Ausdehnung der Anbauflächen für Ölpalmen.

«Die Erfolge unserer Projekte für Kleinbauern in Sierra Leone sind durch die Umwidmung großer landwirtschaftlicher Flächen für den Anbau von Ölpalmen für internationale Konzerne teilweise zunichtegemacht worden», sagt Schneider.

Das Öl, das aus den Früchten und Kernen der Ölpalme gewonnen wird, ist billiger als andere Pflanzenöle. Pro Hektar lässt sich außerdem ein höherer Ertrag erzielen als beispielsweise mit Raps oder Soja.

Das Öl ist vielseitig einsetzbar. Es steckt in E-Zigaretten, Fertiggerichten, Autoreifen, Kosmetik, Reinigungsmitteln, Nusscreme, Keksen und Schokoriegeln und dient auch als Biotreibstoff. In China und Indien wird Palmöl als Brat- und Frittierfett viel genutzt. Doch auch jeder Deutsche verbraucht pro Jahr 19 Kilogramm Palmöl und Palmkernöl - Tendenz steigend.

Dass für Ölpalmen-Plantagen Regenwald zerstört wird, der für die Regulierung des Weltklimas so wichtig ist, ist nur eine der negativen Folgen, die Umweltschützer und Entwicklungshelfer aufzählen. Der Siegeszug des Palmöls hat nach Ansicht von Experten auch zur Vertreibung indigener Völker beigetragen und dazu geführt, dass vielen Kleinbauern kein Einkommen mehr haben. Außerdem ist der Lebensraum für einige Tierarten durch die Monokulturen gefährlich zusammengeschrumpft. Besonders dramatisch ist die Situation in Indonesien. Aber auch in Peru sind Palmöl-Produzenten dabei, sich riesige Flächen zu sichern.

Seit vergangenem Dezember müssen in der EU alle Produkte mit Palmöl einen entsprechenden Hinweis enthalten. Vorher war das Öl meist nur als «Pflanzenfett» deklariert worden. Aktivisten haben bereits Listen mit «Produkten ohne Palmöl» ins Internet gestellt. Auch Industrie und Handel haben das Problem inzwischen erkannt. Allerdings verwenden nur sehr wenige Firmen ausschließlich Palmöl, das aus sozial und ökologisch unbedenklicher Produktion stammt.

Auch die Welthungerhilfe betont: «Palmöl ist nicht grundsätzlich schlecht. Wenn die Palmen auf Brachland oder auf Flächen angebaut werden, die vorher schon landwirtschaftlich genutzt wurden, und wenn Kleinbauern mit fairen Lieferverträgen an der Produktion beteiligt werden, dann haben alle etwas davon.» (dpa)
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