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23.10.2015 | 02:59

Jüngere VW-Dieselmotoren nicht von Software-Manipulationen betroffen

Abgastest-Skandal
Keine Ausweitung der ohnehin schon weitreichenden Abgas-Affäre: VW kann zur Frage, ob auch ein zweiter Dieselmotor Fälschungssoftware enthielt, Entwarnung geben. Insgesamt bleibt die Lage aber brenzlig. (c) proplanta

Späte Entwarnung: VW stundenlang in Schockstarre



Für seinen Befreiungsschlag brauchte der VW-Konzern fast acht Stunden. Der quälende Verdacht, dass noch mehr Dieselwagen in den Strudel des Abgas-Skandals geraten könnten, katapultierte den Autobauer am Donnerstagmorgen aufs Neue in die Negativschlagzeilen.

Erst am späten Nachmittag kam dann die in Wolfsburg langersehnte Entwarnung: Auch die jüngeren Dieselmotoren mit dem VW-internen Namen EA 288 sind nicht von den Manipulationen betroffen.

Die Antriebe haben demnach nicht nur in der aktuellen EU-Abgasnorm Euro 6 keine verbotene Software eingebaut. Dasselbe gilt auch für die anfänglich ab 2012 hergestellten EA-288-Varianten in Euro 5.

«Nach gründlicher Prüfung herrscht nun Klarheit», teilte das Unternehmen mit. Die VW-internen Untersuchungen hätten ergeben, dass in beiden EA-288-Varianten - also der mit Euro 6 und eben auch jener zunächst fraglichen mit Euro 5 - «keine Software verbaut ist, die eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Gesetzgebung darstellt».

Die stundenlange Ungewissheit hatte es zunächst offen gelassen, ob sich das Debakel ausweitet und weitere Autofahrer verunsichert. Das Einräumen zusätzlicher Wagen mit Betrugssoftware hätte Europas größtem Autobauer wohl auch den Vorwurf der Salamitaktik eingebrockt.

Der Druck in Wolfsburg war daher enorm. Schon der bisher bekannte Rückruf von 8,5 Millionen Diesel mit dem älteren Motor EA 189 zieht einen ganzen Rattenschwanz an Problemen mit sich: Rückrufe, Vertrauensverlust, Anzeigen, Klagen, Schadenersatz oder zurückverlange Subventionen. Es geht um mögliche Milliardenkosten.

Mit dem Skandalmotor EA 189 steht ein älterer Diesel im Fokus der Rückrufe. Der Antrieb reicht nur bis zur Abgasnorm Euro 5. Der Anfangsverdacht vom Donnerstag rückte dann den Nachfolger des EA 189 ins Bild, den EA288. Es hieß anfangs, die frühe EA-288-Version, die zunächst nur Euro 5 und noch nicht Euro 6 erfüllte, sei womöglich ebenfalls von der Affäre betroffen. «Das schauen wir uns gerade genau an», sagte ein VW-Sprecher am Morgen. Erst später war dann mehr klar.

Euro 6 ist eine striktere Norm als die vorherige Abgasvorgabe Euro 5 und gilt für Pkw seit diesem September. Aktuell stehen in den eigenen Autohäusern laut VW deswegen nur noch Modelle mit Euro-6-Zulassung.

Bei der Affäre geht es rein technisch darum, dass eine VW-Software erkennt, dass das Auto auf Abgas-Prüfständen getestet wird. Die Einstellungen werden dann so geändert, dass die Richtwerte erreicht werden. Draußen auf der Straße im Alltag sind die Werte dann höher, und die Angaben aus der Laborsituation werden deutlich überschritten.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bezeichnet diese Manipulation als eine «unzulässige Abschalteinrichtung» und ordnete für Deutschland bereits den Rückruf von 2,4 Millionen EA-189-Dieseln aus dem VW-Konzern an. Nach Bekanntwerden des neuen Verdachts machte die Behörde mit Sitz in Flensburg keine gute Figur: «Wir haben keine Erkenntnisse, dass der EA 288 nach Euro 5 auch eine unzulässige Abschaltvorrichtung hat», sagte ein Sprecher - fügte aber an: «Unsere Untersuchungen dauern an.» Dabei liege ihm die Liste der zu testenden Wagen «nicht vor».

Mit der Klärung ist Volkswagen nun bei der Aufarbeitung des Diesel-Debakels einen entscheidenden Schritt weiter. Der Konzern ist sicher, dass die verbotenen Manipulationsprogramme oder zumindest Varianten davon mit dem Generationswechsel der Motoren vom EA 189 auf den EA 288 verschwanden. Die anfängliche Unsicherheit bei dieser Frage demonstriert aber auch, wie schwierig es für den Weltkonzern mit 600.000 Mitarbeitern ist, mehr Licht in die Affäre zu bringen.

Seit gut einem Monat ist der Skandal bekannt. Der neue VW-Konzernchef Matthias Müller hatte Ende September zu seinem Antritt «schonungslose Aufklärung und maximale Transparenz» versprochen. Doch alle Aussagen liegen dieser Tage auf der juristischen Goldwaage, und Tage wie der Donnerstag mit seiner stundenlangen Ungewissheit zeigen deutlich, dass der Aufklärungsprozess noch immer erst am Anfang steht.

Diese Lage ist für den Konzern mitunter prekär. Müller will mehr Querdenkertum, flachere Hierarchien, mehr Mut zur eigenen Meinung, mehr Entscheidungsfreude, dezentrale Verantwortung und bloß kein Klima der Angst. Er fordert Aufbruchsstimmung - doch mitunter herrscht angesichts offener Fragen auch Schockstarre.

Zu allem Überfluss berichtete am Donnerstag das «Manager Magazin», dass führende VW-Manager schon vor rund anderthalb Jahren von Abgas-Problemen gewussten hätten - wenngleich sie von den dafür ursächlichen Manipulationen wohl noch nichts geahnt haben dürften.

Wie das Blatt unter Berufung auf das Protokoll einer Vorstandssitzung schreibt, soll die Führungsriege der Kernmarke VW-Pkw mögliche Unregelmäßigkeiten schon im Frühjahr 2014 thematisiert haben. Zumindest an dieser Stelle dementierte VW aber ohne Verzögerung:«Eine solche Protokollnotiz existiert nicht», berichteten die Wolfsburger über die Sitzungsmitschrift von Anfang vorigen Jahres.
dpa
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