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05.12.2015 | 08:15 | Automobilbranche 

Autoindustrie in der Dieselwolke

Berlin - Ein «steiniger Weg», «Gegenwind», sogar «Stürme»: Wenn es um die Zukunft geht, spart die deutsche Autoindustrie nicht mit unheilvollen Bildern.

Automobilbranche in Deutschland
Eigentlich könnte die deutsche Autoindustrie zufrieden sein - gemessen an Zahlen jedenfalls: Sie verkauft und verdient gut. Doch die Weltlage ist unsicher. Und dann ist da ja noch ein Abgasskandal. (c) proplanta
Dabei laufen die Geschäfte: kräftig gestiegene Umsätze, erstmals mehr als 15 Millionen gebaute Autos. «Doch für uns ist das kein Grund, in Jubelgesänge auszubrechen», sagt Branchenpräsident Matthias Wissmann am Dienstag in Berlin.

Dieses Mal sind nicht nur die üblichen weltwirtschaftlichen Unsicherheiten der Grund: Der VW-Abgasskandal sitzt Zulieferern und Herstellern in den Knochen. Der Wind, der ihnen entgengbläst, trägt auch eine Dieselwolke mit sich.

Nach mehr als zwei Monaten Dauerskandal wird man dünnhäutig: «Vorurteile», «Vorurteile», entfährt es dem sturmerprobten Cheflobbyisten mehrfach, als er in Berlin die Jahreszahlen präsentiert. Auch wenn VW beim Ausstoss von Stickoxid (NOx) manipulierte und beim Kohlendioxid schummelte - «irgendeine Kollektivhaftung» dürfe es nicht geben. Weder hätten andere Hersteller gemogelt, noch habe der Verband der Automobilindustrie auf die Behörden eingewirkt.

«Dieser Missbrauch hat Vertrauen gekostet - in das betroffene Unternehmen, in die gesamte Branche und nicht zuletzt in die Dieseltechnologie.» Noch sei kein Einbruch bei den Dieselverkäufen in Deutschland festzustellen, Näheres könne man aber erst im nächsten Jahr sagen. Denn viele Autos werden schon Monate vor der Auslieferung bestellt; zudem untersucht das Kraftfahrt-Bundesamt noch die Abgaswerte anderer Hersteller und will noch Ergebnisse vorlegen.

Eine Welt mit weniger Diesel, sie wäre ein unwirtlicher Ort für die deutschen Autobauer, die weltweit jeden fünften Neuwagen verkaufen. Der Antrieb hat sie reich gemacht, besonders in Westeuropa. Dort ist jeder zweite Neuwagen ein Diesel, die Hälfte davon aus deutscher Produktion.

Darauf weisen sie gerne hin, und sie haben noch ein Argument: Wer für Klimaschutz ist, müsse auch für Diesel sein. Denn moderne Aggregate schlucken weniger als Benziner und spuckten weniger Kohlendioxid.

«Diesel ist derzeit im Normalbetrieb bei nahezu allen Autobauern ein Schmuddel-Antrieb, mit deutlich zu hohen NOx Emissionen im realen Fahrbetrieb», sagt dagegen Ferdinand Dudenhöffer, der Autoexperte der Uni Duisburg-Essen. Er rechnet damit, dass die deutschen Hersteller Milliarden in saubere Diesel investieren müssen, damit diese nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch beim europaweit geplanten Zusatztest auf der Straße bestehen. Die Grenzwerte einzuhalten, sei für alle Autobauer eine sehr große Herausforderung.

Denn bis flächendeckend Elektroautos fahren, möglichst noch mit Ökostrom, ist der Weg weit. Das Ziel der Bundesregierung, in fünf Jahren eine Millionen E-Autos auf den Straßen zu haben, ist nur noch schwer zu erreichen. Rein elektrisch fuhren zu Jahresbeginn knapp 19.000 Autos, weitere 108.000 nutzen als Hybride zusätzlich einen Verbrennungsmotor.

Die Autobranche fordert deshalb neben Ladesäulen Kaufanreize wie Steuererleichterungen für Elektroauto-Käufer. «Wir brauchen am Standort einen auf wenige Jahre beschränkten Startimpuls.»

Am Mittwoch gab es dazu auch ein Treffen zwischen dem Branchenverband VDA, der IG Metall und dem Bundeswirtschaftsministerium.  Die Autoindustrie unterstütze die «ambitionierten» Ziele der EU-Kommission, die CO2-Emissionen weiter zu senken, heißt es in einer Erklärung. Doch die künftige Regulierung müsse «kosteneffizient sowie wettbewerbs-und technikneutral» sein. Das Wirtschaftsministerium sagte zu, sich dafür einzusetzen. Und: Eine wichtige Rolle, um die CO2-Ziele zu erreichen, spiele der Diesel.

Mit Blick in die Zukunft ist es nicht nur der VW-Skandal, der die Branche sorgt. Sie fürchtet steigende Energiepreise, argwöhnt, dass die Bundesregierung ihr bei Zeitarbeit und Werkverträgen das Leben schwer machen wird, und sie sieht die in den vergangenen Jahren gestiegenen Löhne und Gehälter in Form von Lohnstückkosten inzwischen als Strukturschwäche.

Für 2016 rechnen die deutschen Autobauer mit langsameren Wachstum auf den wichtigsten Märkten. Beobachter Dudenhöfer erwartet in Deutschland sogar niedrigere Verkaufszahlen, nachdem die Hersteller den Markt in diesem Jahr mit Rabatten deutlich «aufgeblasen» hätten.
dpa
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