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05.06.2011 | 06:40 | Nachhaltigkeit? 

Die Ernährungsindustrie als Motor für Nachhaltigkeit?: Das alte Wachstumsmodell funktioniert nicht mehr

Bonn - Es knirscht und knackt gewaltig auf dem Planeten Erde. Bei drei von neun Subsystemen sind die Grenzen der Belastbarkeit überschritten.

Lupine
(c) proplanta
"Es ist nicht nur der Klimawandel, der Menschen vor gewaltige Herausforderungen stellt", sagte Prof. Dr. Uwe Schneidewind auf der ifnm-Tagung "Nachhaltiges Management" in Bonn (http://ifnm.net). Über die Maßen hoch sei der Verlust der Artenvielfalt mit unübersehbaren Folgen für die Stabilität der Ökosysteme. Auch der Stickstoff- und Phosphorkreislauf sei durch die Intensivierung der Landwirtschaft aus den Fugen geraten, die Versauerung der Ozeane stehe kurz bevor.

Schneidewind zitierte den Rockström-Bericht, eine Veröffentlichung von 29 renommierten Wissenschaftlern, die bereits im September 2009 im Wissenschaftsmagazin Nature erschienen ist. "Die Botschaft ist, dass wir nicht nur an einer Ecke aus dem Ruder laufen", sagte der Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. "Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir nicht durch Strategien an einem Punkt ungewollte Effekte an einer anderen Stelle auslösen." So wünschenswert es sei, dass die steigenden Ölpreise Anreize zur Energieeinsparung geben, die Entwicklung habe fatale Folgen für die Landnutzung, weil damit der Anreiz zur Biomassegewinnung steige, mit entsprechend negativen Auswirkungen für die menschliche Nahrungsversorgung.

"Wir blicken zurück auf 50 Jahre Erfolgsgeschichte mit einer Intensivierung der Landwirtschaft, steigendem Wohlstand und zunehmender Lebensqualität", meinte Schneidewind. Weitere Steigerungsraten führten jedoch nicht mehr zu den gleichen Effekten. "In den entwickelten Ländern beobachten wir in immer mehr Bereichen eine abnehmende Wachstumsrate". Der Ökonom plädierte für einen Umbau der Gesellschaft und die Schaffung von neuen Gleichgewichten. Die Ernährungsindustrie spiele dabei eine wichtige Rolle: "Ernährung ist weit mehr als Nahrungsaufnahme.

Die meisten Unternehmen, vor allem die Markenartikler erzeugen Lebenswelten." In der Branche bestehe daher ein hohes Potenzial für die Gestaltung nachhaltigkeits-orientierter Lebenswelten. Die Rolle der Unternehmen bei der Gesellschaftstransformation könne unterschiedlich sein, je nach Unternehmensart und Typ. Große börsennotierte, internationale Unternehmen könnten Treiber sein für kapitalintensive Investitionen, beispielsweise in Offshore-Windparks. Familien- und stiftungsbasierte Unternehmen wiederum hätten mehr Möglichkeiten, sich aus der Gewinnorientierung zu lösen. "Wir stellen fest, dass viele der zentralen Innovationsvorstöße aus den familien- oder stiftungsbasierten Unternehmen kommen", sagte Schneidewind. Aber auch neue Formen der kollaborativen Ökonomie seien ernst zu nehmen. Darunter versteht er das Erzeugen von Wertschöpfung jenseits des klassischen Marktes, beispielsweise bei Open Source Projekten, in der Selbstversorgung oder durch Community Gardening. Man solle diese Denkanstöße nicht als esoterisch abtun, meinte Schneidewind, denn hier zeigten sich neue Lebensstilmuster und -orientierungen.

Lebensmittelhersteller sollten sich fragen: Was heißt eigentlich Community Gardening für mein persönliches Sortiment? "Die Herausforderungen vor denen Sie stehen", sagte Schneidewind zu den anwesenden Unternehmensvertretern, "sind wahrlich alles andere als leicht, denn die Ernährungsindustrie ist Projektionsfläche von vielen Schlüsselfragen." Die Branche habe aber in den letzten 50 Jahren viel bewirkt, sie solle die Herausforderungen annehmen. Die Diskussion um neue Gesellschaftsformen in den Industrieländern ergebe viel Sinn, denn es ginge darum, neue Wohlstands- und Lebensmodelle zu entwickeln, die verallgemeinerungsfähig sind. (aid)
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