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14.11.2011 | 14:50 | Agrarmärkte 

Getreidemärkte bleiben nervös und sprunghaft

Wien - Die Angst vor einer Finanzkrise sowie der am Mittwoch veröffentlichte monatliche WASDE-Bericht (World Agricultural Supply and Demand Estimates) des US-Landwirtschaftsministeriums USDA - obwohl sehr unspektakulär - und börsentechnische Bocksprünge bestimmten letzte Woche die internationalen Agrarrohstoff-Terminmärkte.

Getreidemärkte
(c) proplanta

Der WASDE-Report zu den weltweiten Versorgungsbilanzen 2011/12 sieht für Weizen, Mais und Ölsaaten im Vergleich zum Vormonat nur marginale Veränderungen im Verhältnis des Verbrauchs zu den Endbeständen und hätte eigentlich vom Markt als zumindest "neutral" aufgefasst werden müssen, ließ aber zum Beispiel an der Euronext in Paris den Weizenkontrakt für den Frontmonat November am Mittwoch, einen Tag vor seinem letzten Handelstag, kräftig um EUR 15,25 pro t beziehungsweise 7,5 % auf EUR 187,50 pro t in sich zusammenfallen, nachdem er sich die drei Handelstage Tage davor allerdings von etwa diesem Niveau ausgehend noch auf EUR 202,75 aufgeblasen hatte.
 
Diese kurzfristige Blase beim europäischen Weizenfutures bezog die Luft sicherlich vor allem davon, dass der in Paris traditionell meistgehandelte November-Futures auf den Weizen am Donnerstag letzter Woche seinen letzten Handelstag hatte und es davor zu heftigem Short-Covering, das heißt der Bereinigung von Netto-Short-Positionen von spekulativen "Leerverkäufern", gekommen war. Denn mit den EUR 202,75 hat sich der November-Weizenfutures auch unnatürlich von dem für den folgenden Liefermonat, den Jänner 2012, entfernt, der am Mittwoch sogar leicht im Plus bei EUR 188,- geschlossen hat.

Am Donnerstag benahm sich der Pariser November-Weizenfutures wieder "normal" und verabschiedete sich mit einem Plus von EUR 1,- pro t bei EUR 188,50 pro t endgültig aus dem Handel. Der nun als Frontmonat voranstehende Jänner-Liefertermin gab allerdings am Donnerstag um EUR 2,- auf EUR 186,- pro t nach - ebenso schlossen alle weiteren späteren Termine im Minus. Damit ergibt sich am Pariser Kursblatt für das weitere Wirtschaftsjahr 2011/12 das Bild eines "inversen" Marktes. Das heißt: Die auf den Frontmonat folgenden Liefertermine bilden anstatt von Zuschlägen, also eines Lagergelds wie quasi "Reports", ein Szenario eines stetigen Nachgebens der Preise bis zur nächsten Ernte hin ab - die Notierungen sinken bis zum Liefermonat Mai 2012 auf EUR 182,75 pro t, ehe sie erst für November 2012 aus der kommenden Ernte wieder auf EUR 183,25 ansteigen.

 
Neutraler bis bullisher WASDE-Bericht von Märkten nicht als solcher angenommen

Auch auf die Notierungen von Weizen, Mais und Sojabohnen in Chicago hat der WASDE-Bericht letzten Mittwoch etwas unverständlicherweise Druck ausgeübt, wenngleich an der CBOT nicht so krass wie auf den Weizen an der Euronext. Dafür ging es aber an der CBOT auch am Donnerstag mit allen dreien teils spürbar weiter bergab.

 
Dabei hätte der WASDE-Bericht gerade für den Mais in den USA ein bullishes Bild gezeichnet. Denn bei den geringsten Hektarerträgen seit 2003/04 sollen die USA heuer mit 312,69 Mio. t - in der Oktober-Prognose waren es noch 315,81 Mio. t - trotz mächtiger Flächenausweitung eine der schlechtesten Maisernten der letzten Jahre einfahren. Damit werden die Vereinigten Staaten als weltgrößter Exporteur heuer auch dem hungrigen Weltmarkt mit 40,64 Mio. t um fast 6 Mio. t weniger Mais zur Verfügung stellen können als 2010/11. Laut USDA sollen die Endbestände an Mais in den USA 2011/12 um weitere 7,24 Mio. t auf mickrige 21,42 Mio. t oder alarmierende 7,66 % des Inlandsverbrauchs abschmelzen. Damit sollte auch der Maiskonsum in den USA zurückgehen und zwar sowohl für industrielle als  auch Futterzwecke.
 
Die Lücken in den Maisbilanzen - nicht nur in denen der USA - könnte im laufenden Wirtschaftsjahr der reichlich vorhandene Futterweizen schließen. Der WASDE-Report sieht denn auch die globale Maisbilanz mit einer Stock to Use-Ratio von knapp 30 % nahezu unverändert gegenüber dem Vormonat ziemlich komfortabel, während es weltweit - und ebenso gegenüber dem Oktober-Bericht kaum verändert - bei den Ölsaaten mit Endlagern von knapp 19 % des Verbrauchs enger und beim Mais mit 14 % Lagerbestand gemessen am Verbrauch zu Ende 2011/12 extrem eng aussieht. Denn das heißt, nach diesem Wirtschaftsjahr wird die Welt Maisreserven für genau 51 Tage haben.

 
Schlechte Exportzahlen drücken auf US-Notierungen - EU ist besser dran

In den USA standen die Notierungen aber auch unter dem Druck anderer fundamentaler Faktoren in Form sehr schwacher Exportzahlen in der abgelaufenen Woche: Nur 298.400 t waren es beim Weizen und 251.900 t beim Mais. Dagegen schaffte die EU zum Vergleich in der Woche bis 08.11. die Vergabe von Exportlizenzen für 502.000 t Weichweizen. Dennoch bleibt aber auch die EU mit einem Weizenexport von 5,54 Mio. t in den ersten 19 Wochen der Saison 2011/12 um 37 % hinter dem Vergleichszeitraum 2010/11 hinten nach, da waren es 8,79 Mio. t.

Zu übermächtig und vor allem billig scheint heuer am Weltmarkt die Konkurrenz aus den Schwarzmeerländern. Ägypten kaufte zuletzt wieder 240.000 t Weizen aus der Region, und zwar je zur Hälfte in Russland und der Ukraine. Russland stellte im September einen neuen Ausfuhrrekord von 3,2 Mio. t Weizen auf. Geholfen haben dürfte zuletzt den Exporten aus der EU aber zumindest der schwache Euro, während sich umgekehrt die Stärke des US-Dollars negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte aus den USA auswirkte. Den angestammten Exportmarkt vor der Haustüre Europas in Nordafrika - von Marokko über Algerien bis Tunesien - den die EU bislang gegen die Schwarzmeerkonkurrenz verteidigen konnte, soll aber nun Argentinien mit günstigeren Weizenangeboten anzugreifen drohen.

 
Schwarzmeerländer schöpfen beim Export aus dem Vollen
 
Während Russland und die Ukraine heuer aus dem Vollen schöpfen können, nachdem sie riesige Ernten einfuhren, bereitet der Aufgang der Wintersaaten für die Ernte 2012 in der Ukraine erhebliche Sorgen. Mangels Niederschläge soll bis zu einem Drittel nicht aufgegangen sein. Dagegen präsentieren sich die Winterungen in Westeuropa bisher sehr schön. Russland will indes nach diversen Gerüchten darüber seine Getreideexporte vorerst nicht durch Ausfuhrzölle einschränken.

Das versicherte der erste stellvertretende Ministerpräsident, Viktor Subkow, am Donnerstag. Seit Anfang 2011/12 seien rund 13,3 Mio. t Getreide exportiert worden, so Subkow. Er erinnerte daran, dass Regierungschef Wladimir Putin das russische Getreideexportpotenzial in diesem Wirtschaftsjahr mit 24 bis 25 Mio. t beziffert habe. Wie berichtet, hat Putin Ende Oktober die Einführung von Exportzöllen auf Getreide angekündigt, um der Überschreitung dieser Grenze vorzubeugen. Das Moskauer Wirtschaftsministerium will erst kurz vor Frühjahrsanfang 2012 die Marktsituation erneut unter die Lupe nehmen, um die Notwendigkeit von Exporteinschränkungen zu prüfen.
 
Nicht nur die Getreideernte, sondern auch die von Sonnenblumen fällt in Russland 2011 sehr üppig aus. Bis Anfang dieser Woche sei mit mehr als 7,6 Mio. t schon eine Rekordmenge gedroschen worden, obwohl etwa erst drei Viertel der gesamten Sonnenblumenernte  eingebracht worden seien. Das hob das Moskauer Consulting- und Forschungszentrum für Agrarökonomie (Sovecon) hervor. Das bisherige Spitzenergebnis von rund 7,35 Mio. t wurde 2008 erzielt. Wie berichtet, forderte Sovecon angesichts des umfangreichen Angebots die Aussetzung des 20 %igen Ausfuhrzolls. Dem Expertenvorschlag wurde jedoch bislang nicht gefolgt.

 
Österreichischer Kassamarkt tröpfelt dahin
 
Das Geschäft am österreichischen Kassamarkt für Getreide tröpfelt saisontypisch dahin. Der Handel zeigt sich aber nicht unzufrieden, denn so ein Marktteilnehmer: "Die Umsätze sind nicht gänzlich zum Erliegen gekommen und angesichts des Auf und Abs der Kurse an den Warenterminbörsen wirft bei uns am physischen Markt dennoch niemand die Nerven weg."

Die Weizenpreise tendieren weiterhin zu leichter Schwäche, wobei die Notierung des Qualitätsweizens am Mittwoch letzter Woche an der Wiener Produktenbörse nochmals leicht, um EUR 3,- pro t, auf noch knapp über der Marke von EUR 200,- pro t nachgab. Der Mahlweizen konnte sich halten und mangels Umsätze verschwand die Premiumweizennotierung vom Kursblatt.
 
Dafür wurde wiederum einmal Industriemais gehandelt und notierte in Wien fast stabil gegenüber seiner Letztbewertung Mitte Oktober. Allerdings, so heißt es, habe sich so kurz nach dem Abschluss der Nassmaisernte in Österreich noch kein flüssiger Trockenmaismarkt entwickeln können. Der schleppende Umsatz sei zwar nicht erfreulich, aber auch nicht untypisch für diesen Saisonabschnitt.
 
Nach wie vor keine Umsätze werden zurzeit auch mit den Ölsaaten Raps und Sonnenblume getätigt und Sojaschrotimporte verbilligten sich im internationalen Trend im Wochenabstand etwas. (BMLFUW/AIZ)


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