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07.09.2023 | 08:15 | Automobilwirtschaft 

Konkurrenz aus China beflügelt deutsche Autobranche

München - Zum ersten Mal hat Chinas großer E-Autokongress WNEVC außerhalb der Volksrepublik stattgefunden - am Mittwoch war Premiere auf der IAA in München. 

Automobilindustrie
Die chinesischen Autobauer haben einen großen Auftritt auf der IAA. Die Konzernchefs aus der Volksrepublik und aus Deutschland beschwören eine gute Partnerschaft. Der Elefant im Raum wird ignoriert. (c) proplanta
Vor rund 500 Teilnehmern dankte Chinas stellvertretender Industrieminister Xin Guobin zunächst einmal für die Hilfe beim Aufbau der chinesischen Autoindustrie. Bis vor kurzem waren ausländische Autobauer in China verpflichtet, chinesische Partner in ihre Fabriken zu holen. Jetzt wollen die in ihrer Heimat inzwischen erfolgreichen chinesischen Hersteller den europäischen Markt erobern.

China bei EU-Import bereits vor Japan und Südkorea

«Chinesische Hersteller drängen massiv auf den europäischen Markt, und das mit durchaus wettbewerbsfähigen Produkten», berichtete Alexander Wachtmeister, Branchenexperte der Unternehmensberatung Boston Consulting, im Vorfeld der IAA. Laut dem europäischen Herstellerverband Acea wurden 2022 bereits 552.000 Autos aus China in die EU exportiert, sechs Prozent aller Neuzulassungen. Unter den Herkunftsländern außerhalb der EU lag China damit erstmals auf Platz eins vor Großbritannien, Südkorea und Japan.

Auf den deutschen Straßen seien die neuen Herausforderer bisher «noch wenig sichtbar», sagte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Am erfolgreichsten war bislang die Marke MG des VW-Partners Saic mit gut 17.000 E-Autos. Chinas Marktführer BYD, der dort gerade erst VW als Nummer eins abgelöst hat, kam in Deutschland bisher auf gut 1.400 Fahrzeuge.

China als Fitnesscenter für Volkswagen und Co.

Die neuen Herausforderer erhöhen den Druck auf die europäischen Hersteller. «China ist für uns zum Fitnesscenter geworden», sagte Volkswagen-Chef Oliver Blume auf dem Kongress. Um dort mithalten zu können, müsse man auch selbst auf «China-Speed» kommen. «Der Markteintritt chinesischer Hersteller wird die Innovation der europäischen Autoindustrie ankurbeln», sagte Wachtmeister. Bei Konnektivität und Infotainment müssten Europas Autobauer aufholen, die Kosten senken und das Tempo erhöhen.

Laut der Unternehmensberatung McKinsey dauert die Entwicklung eines Fahrzeugs in China nur halb so lang wie in Europa. Statt in vier schafften es die besten chinesischen Hersteller in zwei Jahren. Während alle deutschen Hersteller bisher insgesamt rund 160 E-Modelle im Programm haben, bringen die chinesischen jedes Jahr 70 neue auf den Markt. Und das zu günstigeren Preisen: Der Kostenvorteil liegt laut McKinsey bei 20 bis 30 Prozent.

Chinesen und BMW setzen auch auf Wasserstoff-Autos

WNEVC-Präsident Wan Gang betonte, China setze nicht nur auf Batterieautos (BEV), sondern auf eine Kombination von BEV-, Plug-in-Hybrid- und Wasserstoff-Brennstoffzellen-Autos (FCV). «Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein.» In Peking seien schon Tausende Taxis damit unterwegs.

BMW-Chef Oliver Zipse sagte, er könne sich Wasserstoff-Antriebe für die nächste Generation von BMW, die 2025 startende «Neue Klasse», vorstellen. «Wir sind überzeugt, dass Brennstoffzelle und BEV-Technik sich perfekt ergänzen. Wasserstoff ist das fehlende Verbindungsglied zu CO2-freier Mobilität für lange Strecken und in Regionen ohne ausreichendes Ladenetz.» Brennstoffzellen sparten knappe Batterie-Rohstoffe und Wasserstoff lasse sich gut speichern und transportieren.

Taiwan kein Thema: Autobosse peilen mehr Zusammenarbeit an

Chinas Drohungen mit einer Invasion der demokratischen Inselrepublik Taiwan und die möglichen Folgen für die deutsche Autobranche sprach auf dem WNEVC-Kongress niemand an. Stattdessen beschworen alle Teilnehmer unisono die «Win-win»-Aussichten einer vertieften Zusammenarbeit sowohl in China als auch in Europa.

Die deutsche Autobauer unterhalten große Fabriken in China, bauen ihre Forschung und Entwicklung vor Ort aus, verkaufen ein Drittel ihrer Fahrzeuge dort und brauchen Batterie-Rohstoffe und Bauteile aus China. Die chinesische Autobranche hat sich als Zulieferer etabliert und will nun auch mit dem Verkauf von Autos, Digitalisierungs- und Mobilitätsservices in Europa Geld verdienen.

Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius forderte mehr Freihandel und Kooperation und warnte vor Protektionismus. Er hoffe auf eine engere und tiefere Zusamenarbeit mit seinen chinesischen Partnern. VDA-Präsidentin Hildegard Müller lobte den Kurs der Bundesregierung, die Wirtschaft nicht von China als Markt und Lieferant abzukoppeln, sich aber breiter aufzustellen. Als Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums mahnte Bernhard Kluttig eine faire und transparente Zusammenarbeit und einen fairen Wettbewerb an.
dpa
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