Vorsprung durch Wissen
Das Informationszentrum für die Landwirtschaft
20.04.2020 | 04:55 | Coronakrise 

Krabbenfischer in Kurzarbeit

Pellworm - Mit «Kurzarbeit» sind die Krabbenfischer an Schleswig-Holsteins Küste in die Saison gestartet.

Krabbenfischerei
Krabbenkutter fahren nur noch stundenweise raus - die globale Corona-Krise trifft auch die Fischer an der Nordseeküste. (c) proplanta
Nur 48 Stunden pro Woche werfen sie im Wattenmeer ihre Netze aus, um das «Gold der Nordsee» an Bord zu holen, sagt Krabbenfischer Birger Zetl von der nordfriesischen Insel Pellworm. Darauf hätten sich die Erzeugergemeinschaften und die Händler geeinigt. Grund ist der Coronavirus.

«Die Fischer können fischen, kein Problem. Aber die Nachfrage stagniert dadurch, dass die Restaurants geschlossen haben», erklärt der Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Küstenfischer der Nordsee, Günter Klever. Auch in Belgien - Hauptabnehmer der Nordseegarnelen - gebe es ja Beschränkungen.

«Die Vermarktung läuft jetzt hauptsächlich über die Discounter - als fertig gepulte und abgepackte Krabben oder als Krabbensalat», sagt Zetl. «Hotels und die ganze Gastronomie fehlen jedoch.»

Laut Zetl stehen die Krabbenfischer finanziell mit dem Rücken zur Wand. Nach dem wirtschaftlich schwachen 2019 sei die Lage brisant. Im vergangenen Jahr litten sie unter dem Rekordergebnis von 2018: Wegen voller Kühlhäuser gab es kaum Bedarf, die Preise purzelten von satten 12 Euro pro Kilogramm auf knapp 3 Euro.

Laut Klever von der Erzeugergemeinschaft Küstenfischer lag der Umsatz unter der Hälfte des Vorjahres. «Wenn ein Jahr der Umsatz wegbricht, kann man das durchhalten. Wenn noch eins kommt, wird's schwierig. Ganz schwierig», sagt Kai-Arne Schmidt von der zweiten Erzeugergemeinschaft, die der Deutschen Krabbenfischer.

Nach der schlechten Saison 2019 stünden viele Fischer finanziell mit dem Rücken zur Wand, bekräftigt Zetl. «Im Herbst mussten viele Betriebe Kredite aufnehmen, um über den Winter zu kommen.» Die Kredite sollten jetzt bedient werden. Doch ohne vernünftige Einnahmen seien die Fischer «mehr oder weniger auf das good will der Banken angewiesen. Wir fischen, weil wir müssen. Damit das Minus nicht schnell wächst, sondern langsamer wächst. Aber verdienen tun wir nichts», sagt Zetl.

«Wir haben keine andere Wahl: Jeden Cent, den wir kriegen können, müssen wir mitnehmen», sagt Zetl. Hilfe von außen gibt es für die Fischer bislang nicht. «Wir fallen in die Kategorie der Kleinbetriebe, weil wir wenig Angestellte haben. Damit müssten wir eigentlich diese 9.000 Euro bekommen. Die bekommen wir aber nicht, weil das Kapital unserer Firmen zu groß ist.»

Das Kapital sei das Schiff, sagt Zetl. Schleswig-Holsteins Kutter-Flotte sei «extrem alt». Sein eigener Kutter habe 35 Jahre auf dem Buckel. Den habe er vor zehn Jahren auf Kredit gekauft. Es sind noch Raten offen. Dazu kommen die laufenden Kosten, die ständigen Investitionen, um das Schiff am Laufen zu halten.

«Im Schnitt alle 10 bis 15 Jahre brauche ich einen neuen Motor. Dann sind 70.000 bis 80.000 Euro weg. Wenn an der Verarbeitungsstraße etwas gemacht werden muss - eine komplette Verarbeitungsstraße liegt im Moment bei um die 120.000 Euro. Oder die Winden. Eine neue Windenanlage kostet 150.000 Euro. In der Regel muss das über Kredite laufen. Wir investieren extrem viel in diese alten Schiffe.»

Alternative wäre der Kauf eines neuen Schiffs. Zetl hatte einmal bei einer Werft nachgefragt. «Da lagen wir im Bereich von 1,6 bis 1,8 Millionen Euro. Das ist mit unserer Betriebsgröße, mit unserer Art zu fischen nicht zu Erwirtschaften.»

In Schleswig-Holstein gibt es laut Zetl noch 80 bis 90 Krabbenfischer-Betriebe. «Die ernähren Minimum 250 Familien. Aber das ist schwer zu sagen, denn manche Betriebe fahren mit zwei Decksleuten. Dann hängen gleich drei Familien an einem Schiff. Und in Familienbetrieben ist es oftmals so, dass das Schiff dem Vater auf Leibrente abgekauft wurde. Der bekommt also immer was ab von den Einnahmen. Oder die Geschwister kriegen Geld, weil sie auf ihr Erbe verzichtet hatten.»

Einige Fischer versuchen daher, mit Hilfe eines Nebenjobs über die Runden zu kommen. «Doch die meisten können das nicht. Die kommen aus Fischerei-Familien, haben nie etwas anderes gemacht und können auch nichts anderes», sagt Zetl. «Eigentlich sollte jetzt die Zeit beginnen, wo wir aufholen, was wir letztes Jahr nicht geschafft haben. Stattdessen haben wir Corona. Corona wird noch ein großes Problem für uns alle. Und wahrscheinlich noch ein langfristiges.»
dpa/lno
Kommentieren
weitere Artikel

Status:
Name / Pseudonym:
Kommentar:
Bitte Sicherheitsabfrage lösen:


  Weitere Artikel zum Thema

 Nordseefischer brauchen steigende Fischpreise

 Weniger Krabben und Fisch in Niedersachsen gefangen

  Kommentierte Artikel

 Wundermittel und Jahrhundertgift PFAS: Derselbe Circus - andere Clowns

 Deutsche Verbraucher offen für abgelaufene Lebensmittel

 Brandenburger Dackel wohl von Wolf angegriffen

 Tag des Wolfes - Bauern machen Druck für vereinfachten Abschuss

 Erleichterungen bei GAP-Anträgen und Hanfanbau

 In der Corona-Pandemie wurden zu oft Antibiotika verschrieben

 Jäger sehen dringenden Handlungsbedarf bei Umgang mit Wölfen

 Söder setzt sich gegen Verbrenner-Aus ab 2035 ein

 2023 war Jahr der Wetterextreme in Europa

 Wind- und Freiflächen-Solaranlagen: Niedersachsen führt Abgabe ein