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23.07.2009 | 17:05 | Milchmarkt 

Moosbrugger: EU-Milchmarktbericht ohne Perspektiven für Milcherzeuger

Wien - "Wir hätten uns vom Milchmarktbericht der Europäischen Kommission angesichts der dramatischen Lage zehntausender Milchbauern mehr erwartet.

Milchkuh
(c) proplanta
Dieser Bericht signalisiert leider Perspektivenlosigkeit für viele Milcherzeuger, da niemand in der gesamten EU auf Basis der derzeitigen Milchpreise dauerhaft Milch produzieren kann. So wichtig und unumgänglich die Einlagerungsmaßnahmen sind, so sehr fehlen uns konkrete Schritte zur spürbaren Steigerung des Absatzes von Milch und Milchprodukten. Denn diese Mengen müssen konsumiert und nicht bloß eingelagert werden. Außerdem verlangen wir eine klare Kennzeichnung von Analogprodukten und Anreizmaßnahmen für die vermehrte Verwendung von Milchprodukten in der Lebensmittelindustrie. Denn es kann nicht sein, dass auf der einen Seite Milch und Milchprodukte durch Pflanzenfette ersetzt und die Konsumenten mit Analogkäse getäuscht werden, auf der anderen Seite aber die Milchbauern auf ihrer hochwertigen Milch sitzen bleiben", erklärte Josef Moosbrugger, Vorsitzender des Ausschusses für Milchwirtschaft der LK Österreich und Präsident der LK Vorarlberg.


Lebensmittelkette defekt?

Aus dem EU-Marktbericht geht weiters hervor, dass der Verbraucherpreis für Milchprodukte von Ende 2007 bis jetzt im EU-Durchschnitt um 2 Prozent gefallen ist. Der Bauernmilchpreis hingegen sank im selben Zeitraum um 31 Prozent. Moosbrugger dazu: "Irgendwie kann da in der Lebensmittelkette vom Bauern bis zum Verbraucher etwas nicht stimmen. Die Kette ist offenbar defekt. Die österreichischen und europäischen Milchbauern stehen da einer Übermacht in verarbeitender Industrie und Lebensmitteleinzelhandel gegenüber. Daher unterstütze wir den Vorschlag der Europäischen Kommission, die Markttransparenz in der gesamten Kette der Milchproduktion zu erhöhen, allerdings liegen die strukturellen Probleme tiefer." 
 

Milchmarktbericht: Schlimme Situation

Die Ergebnisse der heute präsentierten EU-Milchmarktstudie bestätigen den schlimmen Zustand des EU-Milchmarktes. Der Bericht nimmt zu Kenntnis, dass kurzfristig keine Entspannung der Preissituation zu erwarten sei, da die Aufstockung der Interventionsbestände von Butter und Magermilchpulver 2009 und 2010 andauern werde. Beim Magermilchpulver betragen die Einlagerungen mit 231.000 Tonnen fast die Hälfte der bisherigen Jahresproduktion von Jänner bis Juni 2009. "Diese Mengen dauerhaft einzulagern ist zu wenig, um den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, weil ja irgendwann die Lager wieder geräumt werden müssen", verlangte Moosbrugger dringend Absatzmaßnahmen. 

 
Rückläufiger Verbrauch

Im Marktbericht wird außerdem festgehalten, dass EU- und weltweit die Nachfrage nach Milchprodukten rückläufig ist. Besonders Qualitätsprodukte wie Käse und hochwertige Frischmilchprodukte leiden unter dem Nachfragerückgang. EU-weit wird der Verbrauchsrückgang bei frischen Milchprodukten auf 2,5 % geschätzt und bei Käse auf 2,3 %. "Genau diese hochwertigen Produkte sind die wichtigsten Erzeugnisse der österreichischen Milchwirtschaft: 40 % der österreichischen Milch werden zu Käse und 30 % zu Konsummilch und anderen Frischmilcherzeugnissen verarbeitet" stellte Moosbrugger fest.

 
Weltmarktpreis contra EU-Kosten

"Die Milchpreise in der EU liegen de facto auf der Höhe des Weltmarktpreises. Doch unsere Bauern haben durch die hohen Produktions- und Umweltstandards in Europa deutlich höhere Produktionskosten als die Mitbewerber am Milchmarkt in Neuseeland oder Argentinien. Die österreichischen Milchbauern haben zudem bedeutend höhere naturbedingte Nachteile in der Grünlandbewirtschaftung. Außerdem zeigt die Entwicklung der Preisindizes für land- und forstwirtschaftliche Ausgabenpositionen, dass die Ausgaben von Jänner bis April 2009 um 1,7 % zunahmen. Hingegen sank der Milchpreis in Österreich vom Jänner 2008 von 40,5 Cent pro kg bis zum Jänner 2009 auf 31,1 Cent und bis zum heutigen Tag auf 25,6 Cent, was ein Minus von 37 Prozent bedeutet. Unsere Milchbauern können die Schere zwischen niedrigem Weltmarktpreis und hohen EU-Kosten ohne Hilfe nicht mehr schließen", ergänzte Moosbrugger.

 
Kommission verantwortlich

"Die Kommission darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen und die Arbeit den Mitgliedstaaten überlassen, die selbst nicht viel tun können bzw. dürfen. Denn die grundlegend entscheidenden Maßnahmen, wie Eingriffe in die Quote als Mengensteuerungssystem, werden auf europäischer Ebene festgelegt. Auch Maßnahmen zur Senkung der Milchanlieferung müssen auf europäischer Ebene diskutiert und können nicht den Mitgliedstaaten alleine überlassen werden. Dass die Kommission immer von Marktorientierung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit spricht und dann auf der anderen Seite den Mitgliedstaaten vorschlägt, z. B. im Milchwirtschaftsjahr 2010/11 durch Aussetzen der Saldierung selbst die Produktion einzuschränken, halte ich für einen klaren Widerspruch", verlangte Moosbrugger weitere Schritte und Denkansätze der Europäischen Kommission. (lk-oe)
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