Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Mitteldeutschland forderte die Kunden dazu auf, gegenüber den Kartellmitgliedern Schadenersatz geltend zu machen. Wie der Verband am Montag (13.1.) mitteilte, befindet er sich im Gespräch mit einer Anwaltskanzlei, um die Landwirte dabei rechtlich zu unterstützen.
„Diese Größen des genossenschaftlichen und gewerblichen Agrarhandels haben offenbar massenweise
Bauern und Bäuerinnen geprellt, indem sie beim Verkauf von Pflanzenschutzmitteln den Preiswettbewerb weitgehend ausgeschaltet haben“, kritisierte AbL-Landesgeschäftsführer Reiko Wöllert. Er wertete das
Kartell als „weiteres Beispiel“ dafür, dass agrarindustrielle Konzerne eigene geschäftliche Interessen auch dann nach vorne stellten, wenn es zum Schaden von Landwirten sei.
bL-Bundesgeschäftsführer Ulrich Jasper wies gegenüber der „taz“ darauf hin, dass große Genossenschaften wie normale Unternehmen agierten. Wenn Mitarbeiter und Genossen in einer Firma aufgrund deren Größe nicht mehr regelmäßig Kontakt hätten, verselbstständigten sich die einzelnen wirtschaftlichen Interessen.
ZG mit anderer RechtsauffassungDas Bundeskartellamt verhängte im Rahmen des Verfahrens wegen Absprachen über Preislisten, Rabatte und einige Einzelpreise beim Verkauf an Einzelhändler und Endkunden Bußgelder über insgesamt 154,6 Mio. Euro.
Betroffen sind:
- Agravis Raiffeisen AG- BayWa AG
- Agro Agrargroßhandel GmbH & Co. KG
- BSL Betriebsmittel Service Logistik GmbH & Co. KG
- Getreide AG- Raiffeisen Waren GmbH
- ZG Raiffeisen eGNeben der Agravis und der BayWa, auf die der Löwenanteil der Strafzahlungen entfällt, hat auch die BSL einer Vergleichsvereinbarung zugestimmt und eine Zahlung von 29,25 Mio. Euro akzeptiert.
Derweil will die ZG Raiffeisen gegen den Bescheid der Wettbewerbshüter vorgehen. Das Unternehmen mit Sitz in Karlsruhe wird eigenen Angaben zufolge gegen das Bußgeld Einspruch einlegen, da „man eine andere Rechtsauffassung als das Bundeskartellamt vertritt“.
Abgestimmte Listen übernommenStraffrei bleibt den Angaben der Wettbewerbshüter zufolge die Beiselen GmbH, da sie als erstes kooperiert hat. Gegen zwei weitere Unternehmen werde noch ermittelt; darüber hinaus seien die Verfahren gegen drei weitere Händler und zwei Verbände eingestellt worden. Dazu gehörte der Deutsche
Raiffeisenverband (DRV).
Laut Kartellamtspräsident Andreas Mundt haben die Ermittlungen seiner Behörde gezeigt, dass die Unternehmen seit 1998 bis zum Zeitpunkt der Durchsuchung im März 2015 jeweils im Frühjahr und im Herbst ihre Preislisten für Pflanzenschutzmittel miteinander abgestimmt haben. Grundlage dafür sei eine gemeinsame Kalkulation der Großhändler gewesen, die weitgehend einheitliche Preislisten für Einzelhändler und Endkunden zur Folge gehabt habe. Vor allem in den ersten Jahren hätten einige Unternehmen die abgestimmte Preisliste einfach übernommen und „faktisch nur noch ihr Firmenlogo über die fertige Liste gesetzt“.
Auch Rabattspannen abgesprochenLaut der Bundesbehörde trafen sich die Beteiligten in der Anfangszeit des Kartells mehrmals im Jahr, um sich auf die Listenpreise zu verständigen. In den späteren Jahren sei die Abstimmung überwiegend schriftlich und telefonisch erfolgt. Die vier führenden Großhändler im Markt, zwei genossenschaftliche sowie zwei sogenannte private, hätten grundsätzlich die Vorabstimmung der Kalkulation dieser Preisangaben übernommen; im Anschluss sei die weitere Absprache mit den übrigen Unternehmen erfolgt.
Das Ergebnis der Abstimmung wurde dem Bundeskartellamt zufolge in Form von Kalkulationsschemata sowie fertig berechneten, rabattfähigen Brutto-Preislisten dann allen Beteiligten jeweils zur Frühjahrs- und Herbstsaison zur Verfügung gestellt.
Bis zum Jahr 2008 hätten sämtliche betroffenen Großhändler mit Ausnahme der Getreide AG für zentrale Produkte teilweise auch die zu gewährenden Rabattspannen sowie anteilig Abgabepreise gegenüber Einzelhändlern ohne weitere Nachlässe abgesprochen.