Horst Seehofer (c) Dt. Bundestag Es dürfe nicht sein, dass wegen des Milchlieferstopps ein kartellrechtliches Verfahren gegen Landwirte laufe, aber die Marktmacht der Handelsketten dem Kartellamt keine Beachtung wert sei, kritisierte Seehofer in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Mittwoch).
Es sei nicht hinnehmbar, «dass Beteiligte bei Preisänderungen sagen: Wenn die Handelskette XY mitmacht, dann machen wir auch mit, und wenn sie es nicht tut, dann nicht». Nach dem zehntägigen Lieferstopp, mit dem die Bauern höhere Milchpreise durchsetzen wollten, hatte der Discounter Lidl seinen Verkaufspreis um zehn Cent je Liter erhöht. Als Aldi den Literpreis aber nur um sieben Cent anhob, passte sich Lidl dem Konkurrenten an. Vor diesem Hintergrund mahnte Seehofer eine Überprüfung des deutschen Kartellrechts an. Wenn es derartige Absprachen nicht verhindern könne, handle es sich um eine «stumpfe Waffe».
Auch Bauernpräsident Gerd Sonnleitner nannte es in der «Augsburger Allgemeinen» (Donnerstag) untragbar, dass wenige Lebensmittelkonzerne einer ganzen Branche die Preise diktierten. Bei der FDP stieß Seehofers Attacke gegen die Handelsketten hingegen auf heftige Kritik. Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Hans-Michael Goldmann, sprach in Berlin von einem taktischen Fehler, mit dem der Minister eine Lösung bei den anstehenden Spitzengesprächen erschwere. «Damit werden Gräben vertieft, anstatt Brücken zu bauen.»
Seehofer will von diesem Donnerstag an mit allen Beteiligten über mögliche Reformen in der Milchwirtschaft verhandeln. Am Nachmittag werden im Ministerium zunächst einmal die betroffenen Landwirte erwartet. Darüber hinaus sind auch Gespräche mit den Molkereien und dem Handel vorgesehen, ehe es zum Abschluss der Gesprächsreihe möglicherweise noch ein gemeinsames Treffen aller drei Seiten gibt.
Ziel der Gespräche seien mittel- und langfristige strukturelle Sicherheiten für alle Beteiligten, sagte eine Ministeriumssprecherin, ohne Einzelheiten zu nennen. Offen sei auch, über welchen Zeitraum sich die Verhandlungen hinziehen werden. Sonnleitner kündigte an, er wolle sich für einen Europäischen Milchfonds starkmachen. Zudem sprach sich der Bauernpräsident für einen Steuernachlass auf Diesel aus sowie für die Einführung einer steuerfreien Rücklage für schlechte Zeiten.
Die Grünen forderten, die nationale Überproduktion zu stoppen, und kritisierten die zweiprozentige Erhöhung der EU-Milchquote. Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) beklagte, die politische Ausrichtung auf Überproduktion sei der eigentliche Skandal.
Unterdessen ermittelt das Bundeskartellamt wegen möglicher Wettbewerbsbeschränkungen in der Branche. «Es gibt Vermutungen, dass der Wettbewerb auf dem Milchmarkt nicht ordnungsgemäß funktioniert», sagte eine Sprecherin der Behörde und bestätigte einen entsprechenden Bericht der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Mittwoch). Sehr kritisch sehe man in der Wettbewerbsbehörde etwa Überlegungen zu einem Milchfonds, der überschüssige Milch aufkaufen soll, um die Preise zu stabilisieren.
Die Untersuchungen des Kartellamts scheinen sich aber nicht direkt auf die Entwicklungen der vergangenen Tage zu konzentrieren. Schon vor zwei Wochen hatten die Wettbewerbshüter mitgeteilt, dass die Milchwirtschaft seit Mai auf allen Stufen - also vom Erzeuger über die Molkereien bis zum Einzelhandel - untersucht werde. (dpa)
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