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21.04.2016 | 15:12 | Sicherheit der Atomenergie 

Berlin fordert Abschaltung belgischer Atomreaktoren

Berlin / Brüssel - Deutschland hat Belgien gebeten, zwei Atomreaktoren aus Sicherheitsgründen vom Netz zu nehmen - doch Brüssel lehnt das ab.

Unsichere Atomreaktoren?
Für Atomkraftgegner sind die belgischen Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 schon länger ein rotes Tuch. Jetzt bekommen sie Rückenwind aus Berlin: Die Umweltministerin will, dass die Meiler vorübergehend vom Netz gehen. In Brüssel sieht man das anders. (c) proplanta
Wegen Tausender feiner Risse in den Reaktordruckbehältern von Tihange 2 und Doel 3 seien deutsche Fachleute nicht überzeugt, dass die Meiler auch im Störfall sicher seien, teilte das Umweltministerium mit.

Ministerin Barbara Hendricks (SPD) habe Brüssel daher ersucht, die Reaktoren «bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen» herunterzufahren.

Die Antwort der belgischen Atomaufsichtsbehörde AFCN fiel eindeutig aus: Man bleibe überzeugt, dass Doel 3 und Tihange 2 internationale Sicherheitsstandards einhielten. Es sei deshalb nicht nötig, die Blöcke abzuschalten. «Unsere Schlussfolgerungen ändern sich nicht, trotz der Aussagen von Ministerin Hendricks», sagte AFCN-Chef Jan Bens.

Das etwa 70 Kilometer von Aachen entfernte AKW Tihange und die Anlage Doel bei Antwerpen machen immer wieder Schlagzeilen. Im konkreten Fall geht es um feine Risse in den Wänden der Reaktordruckbehälter, die durch eingeschlossene Wasserstoffflocken entstehen.

Im Normalbetrieb sei dies kein Sicherheitsrisiko, betonen die Experten der unabhängigen deutschen Reaktorsicherheitskommission, die sich mit belgischen Kollegen ausgetauscht haben. Ob die Wände auch bei Störfällen steigendem Druck standhalten könnten, sei aber nicht ganz sicher - obwohl es keine Hinweise auf das Gegenteil gebe.

Belgier und Deutsche seien sich einig, dass weitere Untersuchungen nötig seien, teilte das Umweltministerium in Berlin mit. Uneins seien die Länder über die Methode: Während Brüssel theoretische Rechnungen bei laufendem Betrieb favorisiert, wären Berlin praktische Tests mit vorübergehend heruntergefahrenen Meilern lieber.

Der Entschluss, die Bitte auszusprechen, sei sehr schwer gefallen, erklärte am Mittwoch Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Umweltministerium. Denn das könne leicht als Einmischung in belgische Angelegenheiten verstanden werden. «Das ist nicht unsere Absicht. Wir haben für den Schutz unserer Bevölkerung Sorge zu tragen.» Sollte Brüssel dem Ersuchen der Bundesregierung doch nachkommen, könne die Stromversorgung über die Niederlande und, über einen Umweg, auch aus Deutschland gesichert werden.

Eine rechtliche Handhabe hat die Ministerin, die sich am Mittwoch zum deutsch-chinesischen Umweltforum in der chinesischen Stadt Nanjing aufhielt, nicht. Der belgische Innenminister Jan Jambon habe sich in einem Telefongespräch am Dienstag nicht unmittelbar zum weiteren Vorgehen geäußert, sagte ihr Staatssekretär. Wie es nun weitergeht, ist offen: «Wir eskalieren nicht, wir klagen nicht», stellte ein Ministeriumssprecher auf die Absage der Belgier hin klar. Die besten Ergebnisse erziele man mit Gesprächen und Kooperation, die Zusammenarbeit sei von Offenheit und Transparenz geprägt.

Das Ministerium betont, dass es keinen Zusammenhang mit Sorgen um die Sicherheit von Atomkraftwerken vor Terrorgefahr gebe. In deutschen Reaktoren gebe es das Problem mit den Rissen nicht. Der Schritt, den Hendricks unternommen habe, sei bisher einmalig - gegenüber anderen deutschen Nachbarn wie Frankreich und Tschechien, deren Meiler ebenfalls mit Problemen auffallen, sei so eine Bitte bisher nicht nötig gewesen.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens, wo es heftigen Widerstand gehen Tihange gibt, begrüßte den Schritt. Das Land geht auch juristisch gegen Tihange 2 vor und hatte angekündigt, der Klage der Städteregion Aachen beizutreten. Die atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, sagte: «Ein richtiger Schritt und die richtige Haltung von Ministerin Hendricks.» Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) solle sie unterstützen.

Auch Greenpeace zeigte sich zufrieden. «Ein Weiterbetrieb würde leichtfertig mit der Gesundheit von Millionen Menschen spielen», sagte Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. «Ein schwerer Störfall könnte weite Teile Deutschlands radioaktiv verstrahlen.»
dpa
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