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23.07.2010 | 12:42 | Sortenversuche  

Ökobauern forschen für gutes Brot

Rot am See - Sommerhitze schon im April, Kälte zwischen Mai und Juni, stets zu wenig Regen: Die ersten Auswirkungen des Klimawandels setzen nicht nur den Menschen zu.

Weizenähren
(c) proplanta
Seit 17 Jahren suchen Biobauern im Kreis Hall nach Sorten, die damit besser klar kommen und zudem optimal an  den Öko-Landbau angepasst sind. Sie sollten gute Erträge und hervorragende Qualitäten liefern.

Mehr als 100 Öko-Bauern aus den Kreisen Schwäbisch Hall, Hohenlohe, Ansbach, Main-Tauber, Ostalb und Rems-Murr kamen kürzlich auf die Felder des Demeter-Betriebes von Johanna Faure in Crailsheim-Beuerlbach. Dort führte Reiner Schmidt vom Beratungsdienst Ökologischer Landbau Schwäbisch Hall dieses Jahr seine Sortenversuche durch. Interessiert begutachteten die Bauern den Wuchs der Getreidearten, die Größe der Ähren, schauten, ob sich Beikraut zwischen den Körnerleguminosen (Erbsen, Ackerbohnen, Lupinen und Soja) breit macht. Dass so viele Bauern anwesend waren, hängt auch mit dem direkten Nutzen zusammen, den die Bauern von den Sortenversuchen haben. Auf den Feldern sehen sie direkt, wie sich die einzelnen Sorten auf hiesigen Böden und Klima entwickeln. “Das sagt den Praktikern mehr, als eine schriftliche Auswertung³, ist sich Reiner Schmidt sicher.

Der Anlass überhaupt Sortenversuche durchzuführen, war die 1992 beschlossene EU-Bioverordnung. Sie legte fest, dass Biobauern auch Biosaatgut verwenden müssen. “Wir im Ökolandbau brauchen andere Sorten, speziell beim Getreide³, ist Reiner Schmidt überzeugt. Im konventionellen Landbau würden kurzwüchsige Getreidesorten verwendet oder sie mit Hilfe von Spritzmitteln im Wuchs gehemmt. Im Bioanbau würden höherwüchsige Sorten bevorzugt. So habe das Wildkraut weniger Chancen groß zu werden. Außerdem würde darauf geachtet, dass das letzte Blatt am Halm einen großen Abstand zur Ähre hat. Denn auf den Blättern siedelten sich oft Pilze an.

Es gibt auch erste Empfehlungen, welche Sorten sich angesichts des Klimawandels besser eignen. “Sie müssen zum Beispiel mit Trockenheit umgehen können³, so der Demeter-Berater. Bei den Versuchen in den vergangenen Jahren habe sich auch gezeigt, dass Weizen mit Grannen - das sind die “Haare³ an den Ähren -diese Eigenschaft aufweise. "Allerdings ist der Ertrag etwas geringer", so die Erfahrung des anwesenden Demeter-Züchters Berthold Heyden vom Keyserlink-Kinstitut in Salem. Weitere zwei biodynamische Getreidezüchter, Hartmut Spieß (Frankfurt) und Peter Kunz (Schweiz), waren ebenfalls nach Beuerlbach gekommen, um ihre Öko-Sorten vorzustellen. Die Züchtungsarbeit findet ausschließlich auf anerkannten Ökoflächen statt. Gentechnik setzen die Öko-Züchter in ihrer Arbeit ganz bewusst nicht ein. Besonderen Applaus bekamen Wolfgang Kampman und sein 15-jähriger Sohn Michael für die Vorstellung ihrer zwei selbst gezüchteten Weizensorten. Die beiden haben vor zehn Jahren auf ihrem Demeter-Betrieb in Crailsheim-Tiefenbach begonnen, Sorten zu kreuzen.

Vor 17 Jahren startete der Öko-Getreidesortenversuch mit sieben Sorten. In der Zwischenzeit sind es allein 31 Weizensorten, 8 Dinkel- und 11 Roggensorten. Hinzu kommen die Urgetreide Emmer und Einkorn sowie mehrere Körnerleguminosen wie Sojabohnen, Lupinen, Erbsen und Ackerbohnen. In Hohenlohe wird das konventionell angebaute Getreide überwiegend ans Vieh verfüttert. Dagegen werden Bio-Weizen und Bio-Dinkel hauptsächlich zu Bio-Backwaren verarbeitet. Auch im Kreis Schwäbisch Hall verwenden eine ganze Reihe handwerklich arbeitender Bäckereien das in der Region angebaute Bio-Getreide. Deshalb werden speziell die Backqualitäten der Sorten untersucht. Je höher der Anteil von Klebereiweiß, desto lockerer wird das Gebäck. 

Seit vier Jahren führt Reiner Schmidt Sortenversuche mit Körnerleguminosen durch. Diese sehr eiweißhaltigen Pflanzen werden für die Tierernährung benötigt. "Während konventionell wirtschaftende Bauern Import-Soja als Kraftfutter verwenden, wollen Biobauern das Viehfutter selbst herstellen, um damit einen regionalen Kreislauf zu fördern." Auch politische Einstellungen spielten eine Rolle. "Die Ablehnung von gentechnisch verändertem Soja oder von der Abholzung des tropischen Regenwalds zu Gunsten von Sojaplantagen", so Reiner Schmidt. Noch sei das Anbaurisiko der anspruchsvollen Sojapflanze in der Region noch zu hoch, als dass er den Anbau zur Zeit empfehlen könne. "2007 war das Frühjahr zu trocken und die Sojabohnen gingen nur lückig  auf. 2008 war das Frühjahr nasskalt und es gab Probleme mit Unkraut.  Letztes Jahr fraßen Rehe und Hasen die jungen Pflanzen ab.  Dieses Jahr stehen die Pflanzen bis jetzt ganz gut auf dem Feld." Doch der Demeter-Berater ist zuversichtlich, dass der Anbau auch hier klappen kann, denn im Raum Heilbronn werde Soja bereits erfolgreich angebaut. (demeter-bw)
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