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01.09.2023 | 10:21 | Nach Kabinettsklausur 

Strompreis, Energie, Soziales - Ampel-Koalition weiter auf Konfliktkurs

Nürnberg / Dresden - Nach der Kabinettsklausur in Meseberg ringen Grüne und FDP weiter um die richtigen Antworten auf Wirtschaftsflaute und hohe Energiepreise.

Ampel-Koalition
Kaum sind die schönen Bilder des Kabinettstreffens im Barockschloss Meseberg Vergangenheit, da setzen die Fliehkräfte der Ampel-Koalition wieder ein. Grüne und FDP gehen in Klausur - und es zeigt sich: Geräuschloser wird die Arbeit der Ampel nicht. (c) proplanta
Die Rezepte, die die beiden ungleichen Koalitionspartner am Donnerstag bei ihren Klausuren in Nürnberg und Dresden diskutierten, entsprechen zumindest auf den ersten Blick dem Stereotyp: Während die Grünen Unternehmen mit Steuergeld stützen wollen, setzen die Freien Demokraten auf Steuersenkungen.

«Wohlstand sichern: Eine dynamische Wirtschaft für eine gerechte Gesellschaft» steht über dem knapp sechsseitigen Konzept, das der Grünen-Vorstand in Nürnberg verabschiedete. Diesen Titel könnten auch die Liberalen noch unterschreiben. Nicht aber den Inhalt. Ein Kernpunkt ist ein Zankapfel, an dem die Ampel schon seit Wochen knabbert - der sogenannte Industriestrompreis.

Bis es in Deutschland genügend günstigen Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne gibt, soll dieses von Wirtschaftsminister Robert Habeck «Brückenstrompreis» genannte Werkzeug besonders energiehungrige Unternehmen entlasten, und zwar mit einem Deckel von sechs Cent pro Kilowattstunde bis 2030. Die SPD ist neuerdings mit einem ähnlichen Konzept an Bord, wenn auch nicht ihr Kanzler Olaf Scholz.

Doch die FDP stellt sich quer. Sie setzt stattdessen auf eine Entlastung aller Bürger und Unternehmen: «Stromsteuersenkung für alle statt Industriestrompreis für wenige», heißt es in einer Vorlage für die Fraktionsklausur in Dresden, die die Abgeordneten wohl an diesem Freitag beschließen werden.

Mit einer dauerhaften Senkung auf das EU-Mindestmaß, so die Rechnung der Freien Demokraten, würde der Netto-Strompreis um rund 2 Cent pro Kilowattstunde verringert. Denn der europäische Stromsteuer-Mindestsatz für Unternehmen beträgt 0,05 Cent pro Kilowattstunde. In Deutschland zahlen sie aber 2,05 Cent.

Finanzieren könnte man dies über Einsparungen im Bundeshaushalt oder durch den Verzicht auf weitere teure Subventionen für das Ansiedeln einzelner Industrieunternehmen via Klima- und Transformationsfonds, so die FDP. Was der zuständige Minister Habeck als Breitseite empfinden dürfte. Er sieht Steuermilliarden etwa für die Ansiedlung des taiwanischen Chiphersteller TSMC in Dresden als Beitrag zur Versorgung Deutschlands und Europas mit kritischer Technologie wie Computer-Chips. Zudem wird Deutschland wegen der milliardenschweren Subventionen und Steuergutschriften in den USA und der Staatshilfen in China für dortige Firmen unter Zugzwang gesetzt.

Konfliktpotenzial birgt beim Thema Energie auch die Form ihrer Gewinnung. So diskutierte die FDP-Fraktion in Dresden über Atomkraft - wohl wissend, dafür von den Grünen keinen Applaus zu bekommen. Die Liberalen waren von Anfang an dagegen gewesen, die letzten drei deutschen Atomkraftwerke Mitte April abzuschalten. Sie forderten stattdessen, diese im Reservebetrieb zu belassen. Jetzt berieten die Abgeordneten darüber, den Rückbau der drei Meiler zu stoppen, wie Fraktionschef Christian Dürr der «Süddeutschen Zeitung» sagte.

Auf die Frage, ob sie das für praktikabel und sinnvoll erachte, sagte die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang in Nürnberg: «Nein. Ich glaube, da hat sich auch der Kanzler ganz klar festgelegt. Und wir gehen jetzt Schritt für Schritt den Weg der erneuerbaren Energien. Und das ist auch gut so, dass wir ihn gemeinsam gehen als Ampel.» Bei der FDP herrscht dagegen die Auffassung vor, man dürfe auf keine Energieform verzichten, solange das Angebot knapp und die Preise hoch seien.

Auch die Vehemenz, mit der sich die FDP gegen eine «Ausweitung des Sozialstaats» wendet, ist nicht geeignet, die Ampel in ein ruhigeres Fahrwasser zu bringen. «Die Kindergrundsicherung ist die letzte große sozialpolitische Reform dieser Legislaturperiode», sagte ihr Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der «Bild» (Donnerstag). Ähnlich hatte sich Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner am Montag schon beim Vorstellen der Einigung zur Kindergrundsicherung geäußert.

Zwar hat die Ampel gar keine weitere große Reform auf dem Zettel. Doch die FDP scheint schon jeden Gedanken an Leistungsausweitungen im Keim ersticken zu wollen. Was - nicht nur, aber vor allem - gegen Grünen-Familienministerin Lisa Paus zielt.
dpa
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