„Aus christlicher Verantwortung und Solidarität kann ein neues Miteinander entstehen, dessen Basis Vertrauen und Ehrlichkeit ist. Soziale Marktwirtschaft darf keine Leerformel werden. In globalen Märkten müssen faires Wirtschaften, fairer Markt und ein fairer Umgang miteinander die Eckpfeiler des wirtschaftlichen Handelns in der gesamten Wertschöpfungskette werden.“
Die Erklärung im Wortlaut:
Die Ernte des Jahres 2009 ist in Deutschland weitgehend eingefahren. Hierzulande konnten bei vielen Ackerkulturen zufriedenstellende Erträge erzielt werden – trotz zunehmender Risiken wie Hagel, zeitweise Trockenheit oder Starkregen. Die Bauern spüren bei ihrer täglichen Arbeit in und mit der Natur unmittelbar, dass trotz professioneller Produktionstechnik bei Saat, Pflege und Ernte, hochwertigem Saatgut, standortangepasster Düngung und Gesunderhaltung der Pflanzen diese im Wesentlichen abhängig sind vom Vertrauen auf die Schöpfung und dem Segen und Schutz Gottes. Erträge und Qualitäten, die noch vor Jahrzehnten kaum zu erzielen waren, lassen uns voll Dankbarkeit auf die Ernte des Jahres schauen.
Harte Arbeit und Erfolg im Stall und auf dem Acker müssen sich auch für die Bauernfamilien lohnen. Doch stattdessen erleben Getreide- und
Milchpreise eine Talfahrt mit historischen Ausmaßen. So beherrscht vielfach Existenzangst statt Zuversicht den Blick in die Zukunft. Auch die Einkommen vieler Obst- und Gemüsebauern sind unzureichend. Mit den Erlösen für die Ernte sind vielfach nicht einmal mehr die Produktionskosten zu decken. Trotz verbesserter Qualitäten setzt sich ein stetiger Wertverlust der Lebensmittel fort, der für die Bauern nicht mehr akzeptabel, für die Marktpartner schädlich und für unsere Gesellschaft beschämend ist.
An Butterpreisen, die heute wieder das Niveau wie vor 50 Jahren erreicht haben, kann niemand Interesse haben. Ohne gesellschaftliche Anerkennung und finanzielle Honorierung fehlt der notwendige Anreiz, tagtäglich Leistung für beste Qualitäten zu erbringen, in Tier- und Verbraucherschutz zu investieren und Innovationen zu wagen. Die starken Preisschwankungen auf den Agrarmärkten verdeutlichen, wie notwendig die EU-Direktzahlungen zur Stabilisierung der Einkommen für die Bauern sind. Sie müssen auch in der neuen EU
Agrarpolitik nach 2013 fest verankert bleiben. Diese finanziellen Hilfen bedeuten nicht nur Ausgleich für zahlreiche gesellschaftliche und kulturlandschaftliche Leistungen, die die Bauern erbringen, sondern sind auch ein wichtiger Baustein für die Stabilität der landwirtschaftlichen Betriebe. So versteht sich für die Landwirtschaft auch die soziale Marktwirtschaft.
Mutiges Handeln Doch nicht nur die Bauern spüren in diesen Tagen die Angst um Betriebe und Arbeitsplätze. Die Wirtschaftkrise trifft fast alle Bereiche unserer Wirtschaft. Die Wege aus der Krise verlangen neues Denken und mutiges Handeln. Soziale Marktwirtschaft darf keine Leerformel werden. Aus christlicher Verantwortung und Solidarität mit den Benachteiligten und Schwachen kann wieder ein neues Miteinander entstehen, deren Basis Vertrauen und Ehrlichkeit sind. In globalen Märkten müssen faires Wirtschaften, fairer Markt und fairer Umgang miteinander die Eckpfeiler des wirtschaftlichen Handelns der gesamten Wertschöpfungskette werden.
Zur Ehrlichkeit gehört es auch, Realitäten zu benennen.
Strukturwandel hat es immer gegeben. Auch heute wird nicht jede Bauernfamilie den Hof durch die neue Generation weiterführen können – und wollen. Strukturveränderungen konnten in der Vergangenheit über eine verantwortungsvolle Beratung und eine begleitende Agrarsozialpolitik für die Menschen erträglich gestaltet werden. Dies muss auch künftig die Agrarpolitik prägen.
Schlüsselrolle der Landwirtschaft Mit neuem Vertrauen gilt es, die Her-auforderungen der Zukunft anzunehmen. Der Kampf gegen Hunger und Unterernährung, die langfristige Sicherung des Energiebedarfs und der Kli-maschutz sind weltweit größte Herausforderungen. Die Landwirtschaft nimmt bei der Lösung der Probleme eine wichtige Schlüsselrolle ein; sie wird mehr denn je gebraucht. Das muss sich aber in den politischen wie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Wettbewerbs widerspiegeln. Wir brauchen faire Regeln in den internati-onalen Märkten, die sowohl ökologische als auch soziale Standards mit einbeziehen. Fair Trade, also gerechte Handelsbedingungen, müssen für alle Bauern und Bäuerinnen in Afrika, Asien, Amerika und Europa gelten.
Wir sollten zuversichtlich in die Zukunft blicken, indem wir in der Krise die Chance nutzen, den Wandel gemeinsam zu gestalten. Kirchen, Verbraucher, Wirtschaft, Politik und Landwirtschaft sind gefordert, das Land zu stärken um der Menschen Willen. Anlass genug, das Erntedankfest mit Freude und Dankbarkeit gemeinsam zu feiern. Gott schenkt uns seinen Segen, damit alle daran teilhaben und dass wir gerecht teilen. (bbv)